Ausblick

Aktien sind auch 2022 im Vorteil

Anhaltend niedrige Zinsen und die Aussicht auf weiter steigende Firmengewinne bilden 2022 ein positives Umfeld für Aktien. Anleger müssen jedoch mit niedrigeren Erträgen und stärkeren Kursschwankungen rechnen.

Aktien sind auch 2022 im Vorteil

Die Unsicherheit an den Aktienmärkten ist auch zu Beginn des neuen Jahres groß. Mit Hilfe der Impfstoffe, so die noch vor nicht allzu langer Zeit vorherrschende Erwartung, werde die Corona-Pandemie bald überwunden und damit der Weg frei für die Normalisierung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Es war ein Traum, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, so dass die Marktteilnehmer erneut mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken in ein neues Jahr gehen müssen. Ob die Entwicklung des Aktienmarktes an das gute Jahr 2021 und die Gewinne der ersten Handelstage 2022 anknüpfen kann, ist höchst ungewiss.

Geldpolitische Wende

Nicht genug damit, dass sich die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie vorerst zerschlagen hat: Auch die Lieferketten- und Angebotsprobleme sowie insbesondere die deutlich erhöhte Inflation erweisen sich als hartnäckiger als zunächst gedacht. Letzteres ist insofern bedenklich, als die großen Notenbanken unter Führung der amerikanischen Zentralbank Fed bereits die geldpolitische Wende eingeleitet haben oder dies in absehbarer Zeit tun werden, und das ist der bedeutendste Unsicherheitsfaktor nicht nur für 2022, sondern für die nächsten Jahre. Seit der Großen Finanzkrise der Jahre 2008/ 2009 werden die Aktienmärkte maßgeblich von außerordentlichen Stützungsmaßnahmen der Notenbanken, von auf historisch niedrige Niveaus gesenkten Leitzinsen und Anleihekäufen getrieben, eine Entwicklung, die im Corona-Crash des Jahres 2020 ihren Höhepunkt erreichte. Um gigantische 20 Bill. Dollar haben Fed, Europäische Zentralbank und Bank of Japan seit der Großen Finanzkrise ihre Bilanzen aufgebläht. Rund die Hälfte davon, so die Berenberg Bank, entfällt allein auf die Zeit seit Anfang 2020. Mit dem Start der Reduzierung der Anleihekäufe durch die Fed beginnt sich der mächtige positive geldpolitische Impuls für die Aktienmärkte nun abzuschwächen. Wie sich das auswirken wird, nachdem etwa der Dax – ausgehend von den Tiefen des Corona-Crashs vom März 2020 unterhalb von 8500 Zählern – bis auf sein Mitte November 2021 erreichtes Rekordhoch von fast 16300 Punkten gestiegen ist, ist schwer abschätzbar, in jedem Fall aber ein Risiko.

Ein schwaches Aktienjahr 2022 ist damit jedoch keineswegs programmiert. Denn es gibt vielfältige Argumente für Aktien. So werden die Zentralbanken ihren Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik nur allmählich vollziehen. Die Fed wird voraussichtlich ab dem zweiten Quartal eine erste Zinserhöhung verkünden und reduziert ihre Wertpapierkäufe in monatlichen Schritten von 30 Mrd. Dollar. Dabei hat sie die Möglichkeit, den Umfang der Reduktionsschritte nach unten anzupassen und sich mit einer ersten Zinsanhebung mehr Zeit zu lassen, falls sie dies etwa aufgrund einer Verschlechterung der Pandemielage oder von Marktturbulenzen für nötig halten sollte, und die Europäische Zentralbank wird sich mit einer ersten Leitzinserhöhung voraussichtlich mindestens bis 2023 Zeit lassen. Kurzum: Die Geldpolitik bleibt 2022 letztlich akkommodierend, die Anleiheverzinsungen werden voraussichtlich nur in moderatem Umfang steigen und damit auch Ende 2022 ein im historischen Vergleich extrem niedriges Niveau aufweisen.

Mangel an Alternativen

Damit wird der Mangel an Anlagealternativen zu Aktien erhalten bleiben, zumal der sich abzeichnende moderate Zinsanstieg die Performance von Anleihen beeinträchtigen wird, was den Mangel eher noch verstärken wird. Zudem verliert des Wachstum der Weltwirtschaft zwar neben der verschlechterten Pandemielage durch die Verwerfungen in den globalen Wertschöpfungsketten beziehungsweise im Verhältnis von Angebot und Nachfrage derzeit an Tempo. Aber auf Sicht wird sich hier eine Normalisierung einstellen. Die Weltwirtschaft wird auch im kommenden Jahr wachsen, ein Teil des Wachstums, das 2021 durch die Verwerfungen, etwa den Halbleitermangel, verloren gegangen ist, wird nachgeholt.

Damit werden die Unternehmensgewinne nach der kräftigen Erholung im alten im neuen Jahr, wenn auch mit vermindertem Tempo, weiter wachsen. Derzeit rechnet der Marktkonsens nach einem Anstieg der Gewinne je Aktie der Dax-Unternehmen im Jahr 2021 von mehr als 50% für 2022 mit einem Wachstum von rund 5,5%. Das hilft nicht nur, die Bewertung in einem noch vertretbaren Rahmen zu halten – auf Basis des aggregierten Konsensgewinns je Aktie der Dax-Unternehmen von rund 1100 Indexpunkten errechnet sich für die kommenden zwölf Monate ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von ca 14. Es erhöht sich außerdem der Spielraum für Dividendenausschüttungen. So prognostiziert die Deka, dass die Dividendenausschüttungen der Dax-Unternehmen von 2021 auf 2022 kräftig von 36,3 Mrd. Euro auf rekordhohe 46,5 Mrd. Euro steigen und damit ihren bisherigen Höchststand des Jahres 2019 um 7,1 Mrd. Euro übertreffen werden.

Höhere Volatilität

Unabhängig davon müssen sich die Anleger im neuen Jahr allerdings voraussichtlich auf niedrigere Erträge aus Aktieninvestments als im Jahr 2021 einstellen. Denn dass es zu einer einigermaßen zeitnahen Überwindung der Corona-Pandemie kommen wird, erscheint nach den jüngsten Entwicklungen zweifelhaft. Zunehmende Befürchtungen, dass die Pandemie die Welt möglicherweise noch lange im Griff haben wird beziehungsweise weitere Corona-Wellen und umfassende Lockdowns folgen werden, könnten phasenweise für erhebliche Unruhe an den Finanzmärkten sorgen. Zudem mögen die Bewertungen der europäischen Aktienmärkte noch als einigermaßen vernünftig erscheinen. Im wichtigsten Aktienmarkt USA, dessen Vorgaben sich die europäischen Märkte nur in begrenztem Umfang entziehen können, sieht dies jedoch anders aus. Mit einem Konsens-KGV für 2022 von 21,5 ist hier bereits definitiv der anspruchsvolle Bereich erreicht.

Das macht anfälliger für Korrekturen, und es befinden sich nicht gerade wenige potenzielle Auslöser in Lauerstellung. Neben der Pandemie und der geldpolitischen Wende ist etwa an die vielfältigen geopolitischen Risiken zu denken, darunter die mindestens unterkühlten Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China, der Atomstreit mit dem Iran und die Meinungsverschiedenheiten zwischen der westlichen Staatengemeinschaft und Russland insbesondere in Bezug auf die Ukraine. Zu den wahrscheinlich niedrigeren Erträgen wird somit voraussichtlich eine höhere Volatilität hinzukommen.

Korrekturen werden sich jedoch wahrscheinlich auch in den kommenden zwölf Monaten als Einstiegsgelegenheiten erweisen, die gezielt genutzt werden sollten. Das gilt insbesondere für den Fall, dass es in turbulenteren Marktphasen zu undifferenzierten Verkäufen kommen sollte. Denn es gibt eine Reihe von sogenannten Megathemen, die für die davon betroffenen beziehungsweise entsprechend positionierten Unternehmen erhebliche langfristige Wachstumschancen bedeuten und damit interessante Anlagechancen bieten.

Hervorzuheben ist insbesondere der Klimawandel beziehungsweise seine Bekämpfung. Dieses Thema hat im abgelaufenen Jahr einen gewaltigen weiteren Schub seitens der Politik er­halten. Die Folge werden immense Investitionen beziehungsweise eine stark steigende Nachfrage in den kommenden Jahrzehnten sein, die unter anderem Unternehmen beziehungsweise Branchen zugutekommen werden, die im Bereich alternative Energien unterwegs sind, also etwa dem Segment Solar- und Windenergietechnik, Betreibern von Solar- und Windparks, Herstellern von Batterien für elektrisch betriebene Fahrzeuge, für die Bekämpfung des Klimawandels benötigte Rohstoffe wie Lithium etc.

Die Kehrseite der Medaille sind unter anderem Unternehmen, die auf die Produktion und Nutzung von fossilen Energien fokussiert sind beziehungsweise bis auf weiteres davon abhängig bleiben werden. Zu denken ist diesbezüglich etwa an die Erdöl- und Gasförderer, auch wenn ihnen durch die derzeitige Hausse der Preise für die fossilen Energieträger kurzfristig die Kassen gefüllt werden. Hier ist aus langfristiger Sicht ausgeprägte Zurückhaltung angesagt.

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