Finanzplatz

Von Publikumsfonds zu alternativen Investmentfonds

Luxemburg muss sich als Drehscheibe für alternative Anlagen auf seine Erfolgsfaktoren konzentrieren und die kontinuierliche Interaktion zwischen Beteiligten fördern.

Von Publikumsfonds zu alternativen Investmentfonds

Für das Jahr 2021 meldete die ALFI (Association of the Luxembourg Fund Industry) mit 5,5 Bill. Euro ein Allzeithoch des verwalteten Nettovermögens von Investmentfonds mit Sitz in Luxemburg. 843 Mrd. Euro sind hiervon allein auf Verwalter alternativer Fonds zurückzuführen. Als eines der kleinsten Länder der Welt ist es Luxemburg gelungen, sich als zweitgrößter Investmentfondsstandort weltweit hinter den USA zu positionieren. Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Zusammenarbeit zwischen der Börsen-Zeitung und dem Finanzplatz Luxemburg vermitteln die folgenden Ausführungen einen Überblick über die Erfolgsfaktoren der alternativen Investments im Großherzogtum und die kommenden Herausforderungen.

Die starke Position Luxemburgs in der globalen Fondsindustrie ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Als eine mit AAA bewertete Volkswirtschaft verfügt das Land über eine langjährige Erfolgsbilanz finanzieller und politischer Stabilität, die den Investmentmanagern Planungssicherheit bietet. Darüber hinaus hat die Tatsache, dass Luxemburg ein EU-Gründerstaat ist und im Herzen Europas liegt, unvergleichbare Offenheit und grenzüberschreitende Verbindungen gefördert, die das Land zu einem strategischen Standort für die internationale Geschäftsabwicklung gemacht haben. In Luxemburg sind 170 Nationalitäten vertreten, die 48% der luxemburgischen Bevölkerung ausmachen.

Ein wichtiger histo­rischer Erfolgsfaktor Luxemburgs war die kontinuierliche Interaktion zwischen allen Beteiligten des Finanzplatzes. Der offene Dialog zwischen Vermögensverwaltern, Anlegern, Beratern, politischen Entscheidungsträgern und Aufsichtsbehörden trug dazu bei, praktische Lösungen zu finden, die es der Branche ermöglichten, die höchsten internationalen Branchenstandards zu erfüllen.

Vor der Jahrtausendwende war das Großherzogtum als Standort für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) bereits stark etabliert. Diese Vehikel, die an Kleinanleger vertrieben werden und in übertragbare Wertpapiere und liquide Mittel investieren, sind für alternative Anlagen nicht geeignet. In den frühen 2000er Jahren entwickelten sich nach und nach die Grundlagen, um alternative Anlagen zu ermöglichen: ein wichtiger Schritt für die Branche.

In den Jahren 2004 und 2007 wurden neue Gesetze für Investmentgesellschaften in Risikokapital (SICAR) und spezialisierte Investmentfonds (SIF) erlassen. Diese Strukturen ermöglichten es Investmentmanagern und institutionellen Anlegern, alternative Anlagen anzubieten. Zu dieser Zeit konzentrierten sich die Investitionen größtenteils auf Immobilien, und die meisten Fonds blieben in unregulierten Offshore-Zentren wie den Kanalinseln und den Cayman-Inseln domiziliert.

In den zurückliegenden 20 Jahren begannen die Verwalter alternativer Investmentfonds (Alternative Investment Fund Managers, AIFMs) weltweit, luxemburgische Vehikel zu ­nutzen, um europaweite Private-Equity- und Immobilien-Akquisitionen zu finanzieren. Dies trug zur ersten Wachstumsphase der Branche der alternativen Investmentfonds (AIFs) bei.

Letztlich war es aber die Finanzkrise von 2008 bis 2009, die die Schaffung und Verabschiedung von Vorschriften für AIFMs in Europa beschleunigte. Im Jahr 2011 wurde die AIFMD-Richtlinie erlassen, die es Luxemburg ermöglichte, sich für alternative Onshore-Fonds zu positionieren. Trotz der AIFMD-Richtlinie war das Wachstum von Onshore-AIFs zunächst langsam, was dazu führte, dass Luxemburg den Rahmen durch die Einführung des Retail-Alternative-Investment-Fund(RAIF)- Regimes von 2016 erweiterte. Diese Gesetzgebung erneuerte die Regelungen für Investoren und förderte das Konzept der Regulierung durch den Investmentmanager.

In den vergangenen drei Jahren ist das von alternativen Fondsmanagern in Luxemburg verwaltete Nettovermögen (Assets under Management, AuM) um fast 30% gestiegen und beläuft sich wie bereits eingangs erwähnt auf insgesamt 843 Mrd. Euro. Dazu gehören unter anderem Inves­titionen in Private Equity, Immobilien, Private Debt, Infrastruktur und Hedgefonds. Die Anleger zeigen ein immer größeres Interesse an dieser Anlageklasse, um ihre Portfolien weiter zu diversifizieren. Die Volatilität der Märkte und die niedrigen Zinsen dürften eine Rolle dabei spielen, dass Anleger ihre Interessen über traditionelle Anlageklassen wie Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Bargeld hinaus erweitern.

Einige der Erfolgsfaktoren

Den Erfolg der luxemburgischen AIF-Branche kann man auf fünf Schlüsselfaktoren zurückführen:

Die politischen Entscheidungsträger und deren Stabilität, Reaktivität, Unterstützung und Anpassungsfähigkeit Luxemburg ist eine diversifizierte Wirtschaft, die sich auf ihre politische, wirtschaftliche und regulatorische Stabilität stützt, um eine starke Kultur des Anlegerschutzes zu fördern. Die luxemburgische Regierung und Aufsichtsbehörde (die CSSF) hat ein tiefes Verständnis für die AIF-Branche und unternehmen laufend Schritte, um die notwendigen Verbesserungen an den rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen vorzunehmen. Dies hat es der Branche ermöglicht, für Projektträger und Anleger attraktiv zu bleiben.

Unermüdliche Innovation und Aufmerksamkeit für sich wandelnde Marktbedürfnisse – Die starke Konzentration auf die Entwicklung technologischer Lösungen innerhalb der Branche hat wesentlich zur Attraktivität der AIFs beigetragen. Darüber hinaus bieten regelmäßig veröffentlichte technische Leitlinien den Vermögensverwaltern die Unterstützung, die sie benötigen, um ihren Wandel zu bewältigen.

Erhebliche Kapazitäten für die Vermögensverwaltung – Um mit dem Tempo der Digitalisierung Schritt zu halten, werden die Asset Servicer immer agiler. Das luxemburgische Asset-Servicing-Netzwerk treibt Front-, Middle- und Back-Office-Aktivitäten voran, die Vermögensverwaltern dabei helfen, viele Aufgaben und Dienstleistungen effizienter zu gestalten.

Internationale Arbeitskräfte – Luxemburg zieht eine Vielzahl von Fachleuten an, was dazu beiträgt, dass das Land in den Bereichen Rechnungslegung, Recht, Wirtschaftsprüfung und Steuern für alternative In­vestmentfonds weltweit führend ist.

Offener und konstruktiver Dialog – Schließlich ist Luxemburg dafür bekannt, dass es über ein starkes Netzwerk von Interessengruppen und Marktteilnehmern verfügt, die in verschiedenen Foren zusammenarbeiten, um die Verbesserung von Produkten und Vorschriften zu diskutieren. Verbände wie ALFI, die Luxembourg Private Equity and Venture Capital Association (LPEA) und Luxembourg for Finance (LFF) – eine öffentlich-private Partnerschaftsagentur – spielen eine herausragende Rolle bei der Förderung und Entwicklung der alternativen Industrie und des Finanzplatzes auf internationaler Ebene.

Dank des technologischen Fortschritts werden Informationen über den alternativen Markt immer leichter zugänglich, und das Investieren selbst ist zu einem viel einfacheren Prozess geworden. Dies und die allgemeine Zurückhaltung auf dem traditionellen Anlagemarkt haben dazu geführt, dass die Beliebtheit und die Nachfrage nach alternativen Anlagen bei den traditionellen Anlegern gestiegen sind: Ein Konzept, das als Retailisierung bekannt ist. Der European Long-term Investment Fund (ELTIF) fördert die Retailisierung, indem er Kleinanlegern den Zugang zu Anlageklassen wie Private Equity, Private Debt und Infrastruktur er­möglicht.

Die Branche muss ihre Stärken und Erfolge aus der Vergangenheit nutzen, um Chancen wie die Retailisierung alternativer Anlagen oder technologische Veränderungen zu ergreifen. Der Erfolg wird davon abhängen, inwieweit die Vermögensverwalter in der Lage sind, Strukturen für ein breiteres Anlegerpublikum zu schaffen, welche in unterschiedlichem Maße über Anlagewissen und -verständnis verfügen.

Der Erfolg wird auch von der Fähigkeit abhängen, Plattformen zu betreiben, die Daten in großem Umfang verwalten, Informationen über neue Fondstypen einbeziehen und qualitativ hochwertige und aktuelle Informationen in einer nicht liquiden Welt bereitstellen können. Angesichts der kontinuierlichen Spezialisierung der Branche ist es wichtig, dass sowohl private als auch öffentliche Akteure mit dem Tempo der Entwicklung und Innovation Schritt halten und sich aktiv an der Entwicklung globaler Standards zu neuen Themen wie ESG (Environment Social Governance – kurz ESG) für alternative Fonds beteiligen.

Aufklärung betreiben

Vor diesem Hintergrund wird in Europa ein Anstieg der alternativen AuM von 2,21 Mrd. Dollar im Jahr 2019 auf 2,83 Mrd. Dollar im Jahr 2025 prognostiziert. Die Branche muss dazu beitragen, Aufklärung auf europäischer Ebene über die Bedeutung alternativer Anlagen für Europa und deren Vorteile für die Gesamtwirtschaft zu betreiben. Die in Europa und Luxemburg ansässigen AIFMs stehen im globalen Wettbewerb mit den USA und Asien. Da der Appetit für alternative Anlagemöglichkeiten bei der Renditesuche weiter zunehmen wird, wird jede wahrgenommene Überregulierung und überhöhte Preisgestaltung dazu führen, dass die Attraktivität Europas als Fondsstand-ort in den Augen von Anlegern und Fondsmanagern abnimmt.

In diesem Zusammenhang muss sich Luxemburg als europäische Drehscheibe für alternative Anlagen auf seine wichtigsten Erfolgsfaktoren konzentrieren und eine kontinuierliche Interaktion zwischen allen Beteiligten fördern. Nur ein weiterhin offener Dialog zwischen Vermögensverwaltern, Anlegern, Beratern, Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden wird es der Branche ermöglichen, zu florieren und gleichzeitig die höchsten internationalen Branchenstandards zu erfüllen. Die Zukunft Luxemburgs ist eng mit dem Erfolg Europas in diesem Bereich verknüpft.

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