Gastbeitrag

Ohne Aktien geht es nicht

Die Vermessung des Aktienbesitzes im deutschsprachigen Raum spricht eine eindeutige Sprache: Die Bevölkerung erkennt zunehmend, welche Chancen der Aktienmarkt bietet.

Ohne Aktien geht es nicht

Gastbeitrag

Ohne Aktien geht es nicht

Von Christoph Boschan

„Deutschland kann Aktie!“ So titelte das Deutsche Aktieninstitut bei der Veröffentlichung seiner Aktionärsstudie Anfang des Jahres. Ich darf heute anschließen: Österreich auch. Laut einer aktuellen Umfrage, welche die Wiener Börse gemeinsam mit dem österreichischen Aktienforum und der Industriellenvereinigung durchführen hat lassen, ist der Wertpapierbesitz auch in der Alpenrepublik stark angestiegen. Jede vierte Person in Österreich hält Wertpapiere. Nochmal der Vergleich zu Deutschland: Hier ist jeder Fünfte als „Aktiensparer“ engagiert. Gemäß dem Deutschen Aktieninstitut waren es vor zehn Jahren noch nur 14,7 Prozent und damit jeder Siebte. Die Vermessung des Aktienbesitzes im deutschsprachigen Raum spricht also eine eindeutige Sprache: Die Bevölkerung erkennt zunehmend, welche Chancen der Aktienmarkt bietet.

Aktienbesitz in der Mitte der Gesellschaft angekommen

In der Befragung der österreichischen Bevölkerung wurde der Besitz von Aktien, Anleihen und Investmentfonds erhoben: 25 % der Österreicherinnen und Österreicher halten Wertpapiere. Heruntergebrochen auf die einzelnen Assetklassen, investieren 19 % in Investmentfonds, 13 % in Aktien und 6 % in Anleihen. Die Umfrage zeigt auch bemerkenswertes Interesse. Zusätzlich zu den 1,9 Millionen bestehenden Wertpapierbesitzern, möchte eine weitere Million Österreicher zukünftig in Wertpapiere investieren. Es gibt also einiges an Potenzial, vor allem in der weiblichen Bevölkerung. Während 32 % der Männer anlegen, tun das aktuell erst 18 % der Frauen.

Fast die Hälfte jener mit den höchsten Bildungsabschlüssen und Berufserfahrung im Finanzumfeld sind am Aktienmarkt investiert. Je höher der formale Bildungsgrad und je mehr Arbeitserfahrung im Wirtschaftsumfeld, desto höher die Zahl der am Markt engagierten Österreicherinnen und Österreicher. 76 % der Wertpapierbesitzer verdienen laut Umfrage unter 3.000 Euro monatlich. Finanz- und Wirtschaftswissen sind die Basis dafür, die eigenen Finanzen selbst in die Hand zu nehmen, das belegen diese Zahlen eindeutig. Sie sind der Hebel, um den Wohlstand der Mittelschicht nachhaltig zu stärken. Wer das Chancen-Risiko-Profil der einzelnen Wertpapiere einschätzen kann, der bewegt sich selbstbewusster am Markt in Zeiten von Krisen. Und Schwankungen sind am Aktienmarkt unausweichlich, wie wir in diesen Wochen wieder gesehen haben. Doch nur jene, die langfristig – und das bedeutet Jahrzehnte – am Markt engagiert bleiben, werden von den überlegenen Renditen des Aktienmarktes profitieren können.

Hebeleffekte durch Finanzbildung und steuerliche Anreize

In der nationalen Finanzbildungsstrategie des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen werden bereits bestehende Bildungsinitiativen gebündelt. Der Aufholbedarf wurde erkannt und die Politik engagiert sich für eine Verbreitung des Wissens. Das ist wichtig! Denn auch wenn es rühmlich ist, dass viele private Institutionen, darunter auch die Wiener Börse, eigene Bildungsangebote haben, bin ich überzeugt: Nur Wirtschafts- und Finanzbildung, die staatlich organisiert und ideologisch neutral in die Lehrpläne einfließt, erreicht alle Staatsbürger. Allein: Es ist ein langfristiges Projekt. Auch in Deutschland wurden die Zeichen der Zeit erkannt und erst kürzlich die Initiative „Aufbruch finanzielle Bildung“ gestartet.

Die österreichische Börsen-Community blickt indessen neidvoll auf die angekündigte deutsche Aktienrente. Der Aufbau von kollektivem Generationenkapital bietet die Perspektive, den demographischen Druck auf das umlagefinanzierte Pensionssystem abzuschwächen. Auch wenn noch einige Punkte offen sind, ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Daneben braucht die Bevölkerung auf individueller Ebene steuerliche Anreize. Das schafft finanziellen Spielraum, um für die Zukunft vorzusorgen. Dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr investiertes Kapital mehrfach und hoch besteuern müssen, fühlt sich nicht fair an. Der österreichische Staat beteiligt sich nur am Gewinn, das Risiko trägt die Anlegerschaft allein. Zur Erinnerung: Angestellte zahlen einkommensabhängige, progressive Steuern, als Miteigentümer eines Unternehmens Körperschaftssteuer (in Österreich: 24 %), auf die ausgeschütteten Dividenden 27,5 % und beim Verkauf der Anteile wiederum 27,5 % Kapitalertragsteuer. Mit der Umsetzung der im rot-weiß-roten Regierungsprogramm angeführten Behaltefrist (Entfall der Kapitalertragsteuer für langfristige Investments) kann die Regierung ein Zeichen dafür setzen, dass sich langfristiges Anlegen lohnt.

Energiewende und Wohlstand in der Zukunft finanzieren

Die soziale Marktwirtschaft hat der deutschen wie auch der österreichischen Volkswirtschaft großen Wohlstand gebracht. In den kommenden Jahrzehnten stehen wir jedoch vor neuen Herausforderungen. Die Demographie verändert sich stark. Auf aktive Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen immer mehr Pensionsberechtigte. Innovation ist Voraussetzung für die Finanzierung der wachsenden Sozialausgaben. Ein starker Kapitalmarkt bietet dafür Lösungen und macht unsere Gesellschaft nachhaltig zukunftsfit: Bürgerinnen und Bürger steigern durch direkte Beteiligung ihren Wohlstand, Unternehmen finanzieren Innovation und die Volkswirtschaft erzielt höhere Wachstumsraten. Ein wachsender Rücklagen-Polster auf den Wertpapierdepots lässt die Bevölkerung hoffnungsvoller in die Zukunft blicken, davon bin ich überzeugt. Investieren ist die aktive Form des Mitbestimmens und der Teilhabe in einer modernen sozialen Marktwirtschaft.