Landesbanken

Die Helaba vereinfacht ihre Systeme

Die Helaba stellt ihre IT und weite Teile ihrer Betriebsprozesse bis 2027 auf neue Füße. Der Börsen-Zeitung erklärt Chief Operating Officer Christian Rhino, wie der Umbau abläuft und was sich die Bank davon verspricht.

Die Helaba vereinfacht ihre Systeme

Von Bernd Neubacher und

Tobias Fischer, Frankfurt

Weitgehend abseits des Radars der Öffentlichkeit hat sich die Helaba darangemacht, ihre IT sowie weite Teile ihrer Betriebsabläufe auf neue Füße zu stellen. „Die Pandemie hat es uns leichter gemacht, dieses Thema zu beschleunigen“, erklärt Christian Rhino, der für diesen Wandel der nach Bilanzsumme drittgrößten deutschen Landesbank zuständig ist. Vor einem Jahr ist er als Bereichsvorstand der Commerzbank ins Amt des Chief Information Officer und Chief Operating Officer der Helaba gewechselt sowie in deren Vorstand eingezogen.

Nach einer Analyse der IT-Systeme sowie von Organisation, Einkauf und Betriebsabläufen in Middle und Back Office sowie auch einem Austausch mit anderen Landesbanken und dem sparkasseneigenen IT-Dienstleister Finanz Informatik wird nun unter dem Namen „Atlas“ umgebaut. Dieser Umbau hat drei Phasen (siehe Grafik) und dürfte noch bis 2027 andauern, wie Rhino in seinem ersten Interview seit Amtsantritt erläutert. Entstanden sei ein „Best-of-Breed-Modell“, welches das Beste aus allen Welten vereine.

Jederzeit kooperationsfähig

Das bedeutet nicht zuletzt: Technisch wäre eine Konsolidierung unter Landesbanken nunmehr grundsätzlich möglich – wäre das Thema im Verbund durch die Pandemie nicht ohnehin schon auf die hintere Herdplatte gerückt. „Wir haben jetzt die Weichen gestellt, dass unsere neue IT-Architektur so gewählt wurde, dass wir mögliche Synergien bei Landes- und Depotbanken grundsätzlich realisieren können“, sagt der Manager. „Aber auch unabhängig davon schaffen wir eine Plattform, die eigenständig voll wettbewerbsfähig ist im Markt. Die Vorgabe für unsere neue IT-Architektur sieht daher vor, sie möglichst so offen zu gestalten, dass wir jederzeit kooperieren können, unsere Individualität aber etwa im Zahlungsverkehr dennoch be­wahrt bleibt.“

Die IT-Verantwortlichen deutscher Banken tauschen sich schon seit längerem auch über die Säulen der Kreditwirtschaft hinweg aus. Die Szene ist überschaubar und Rhino, der vor Helaba und Commerzbank für die Deutsche Bank tätig war, ist dort bestens vernetzt, wie im Markt zu hören ist.

Kapitel mit Vergangenheit

Die Helaba und ihre IT – das ist ein Kapitel mit Vergangenheit. Vor Jahren bereits hatte das Institut die Einführung eines neuen Kernbankensystems von SAP in Angriff vorgenommen, das die in ihren Ursprüngen aus den späten siebziger und frühen achtziger Jahren datierende Eigenentwicklung des Hauses ablösen sollte. Nachdem aber eine branchenweite Prüfung der Banken-IT durch die EZB auch im Hause Helaba eine Reihe aufsichtlicher Feststellungen zutage gefördert hatte, revidierte das Institut seine Prioritäten und stoppte das in der Projektarbeit schon recht weit fortgeschrittene Vorhaben. Bei Beobachtern war seinerzeit zugleich von einem durchaus ausbaufähigen Projektmanagement die Rede.

Dies soll nicht noch einmal passieren: In der Bank nimmt das Programm Atlas derzeit rund die Hälfte aller Manntage und Projektvolumina in Anspruch, die Rhino zur Verfügung stehen. Die andere Hälfte ist für Fortentwicklungen, etwa in Sachen Machine Learning, für Un­wägbarkeiten wie anorganisches Wachstum, aber natürlich auch für ESG-Maßnahmen reserviert. „Wir wollen eine nachhaltige und grüne Bank werden“, erklärt der Chief Operating Officer.

Auf Phase eins kommt es an

Der Plan sieht aus wie folgt: Phase eins dreht sich um Plattformen, Integration und um die Kernbank – da will die Bank Hauptkomponenten ihrer IT abbauen, modernisieren und erneuern. Phase zwei gilt dem Zahlungsverkehr, der Integration des Auslandsgeschäfts sowie etwaigen Nacharbeiten. In Phase drei schließlich steht die Ablösung der Host-Architektur auf dem Programm.

„Die erste Phase von Atlas ist die wichtigste“, sagt Rhino. Bis 2023 hat der Verwaltungsrat die Umbauten be­reits genehmigt. Insgesamt lässt sich die Bank den Umbau einen dreistelligen Millionenbetrag kosten, wie Vorstandschef Thomas Groß im vorvergangenen Jahr im Interview der Börsen-Zeitung sagte. Als teuer will Rhino dies im Vergleich zu ähnlichen Projekten nicht bezeichnen: „Wir bauen die Bank sehr schlank und kosteneffizient um.“

Im Schnelldurchlauf gibt Rhino einen Überblick über das Arbeitsprogramm, in dessen Folge die Bank die Zahl ihrer Kernhauptsysteme von derzeit über 400 um 30 bis 40% reduzieren will. So bringt die Bank ihren Auslandszahlungsverkehr auf die von ihr, auf Basis der Standardsoftware Java, entwickelte Zahlungsverkehrsplattform Jets. Diese Plattform hat im vergangenen Jahr 8,5 Milliarden Transaktionen verarbeitet, ausgelegt ist sie auf das Zwei- bis Dreifache dieses Volumens.

Man plane, das Auslandszahlungsverkehrssystem im Rahmen des Programms Atlas auf Jets zu migrieren, „um die System-Komplexität zu vereinfachen und Kosten zu sparen“, erläutert der Manager. Als eine der ersten Neuerungen legt die Helaba ihre beiden Handelssysteme der Anbieter Front Arena und Murex zu­sammen und stellt zugleich auf die neuere Murex-Version um, welche nach einer Verzögerung im März in Betrieb gehen soll (siehe Text auf dieser Seite).

Zwei sind eins zu viel

„Es macht wenig Sinn, zwei Systeme zu unterhalten“, sagt Rhino. Zudem löst eine Standard-Software das nach wie vor auf einem Mainframe-System laufende Kreditgeschäft ab. Dies soll eine Reduktion der Komplexität ermöglichen: Das momentane Mainframe-System hat rund 22000 Schnittstellen, wie Rhino vorrechnet – ab 2026 plant er mit nur mehr einem Zehntel davon. Auch will die Helaba ihre Datenbestände in einem sogenannten Data Lake zu­sammenführen, um den internen Zu­griff zu erleichtern. Ferner nimmt die Bank ein Schnittstellen-Modell in An­griff, um etwa Fintechs oder der Finanz Informatik (FI), dem IT-Dienst­leister der Sparkassenfinanzgruppe, die Anbindung zu erleichtern.

Immobilienplattform geplant

IT im Sparkassensektor ist grundsätzlich ein Fall für den verbundeigenen Dienstleister. Der kümmert sich denn auch um die Informationstechnik der Helaba-Tochter Frankfurter Sparkasse, während seine Tochter FI-TS primär die Landesbanken be­dient. FI hat aber keine Systeme für den Auslandshandel, das Auslandsclearing oder für den Großkunden-Zahlungsverkehr im Angebot. Dies übernehmen die Landesbanken. So dockt die Helaba ihre Produkte bei der FI an, damit die Sparkassen diese nutzen können.  

Rhino betrachtet das Programm „Atlas“ mit seinen vielen Veränderungen nur als den Pflichtteil des Umbaus. „Nach der Pflicht besteht die Kür darin, dass wir die Datenqualität und die Datenbestände massiv verbessern wollen“, erklärt er. So will die Bank im Zahlungsverkehr- sowie im Sanktionsscreening verstärkt Künstliche Intelligenz einsetzen. Zudem stehen Sales and Business Analytics auf dem Programm. „Mehrere Mehrwert-Dienste wollen wir Kunden direkt anbieten“, kündigt Rhino an.

So habe die Bank vor, eine eigene oder mit dem Sparkassensektor ge­meinsam eine Plattform zu bauen, welche die komplette Wertschöpfungskette in der Immobilienwirtschaft abbildet und von der Baufinanzierung bis zum Projektabschluss sämtliche Dienstleistungen anbietet, von der Planung, der Realisierung und Dokumentierung bis hin zur Vermarktung und dem Betrieb einer Immobilie: „Viele Wertschöpfungsketten sind heute noch nicht automatisiert beziehungsweise teilautomatisiert.“ Dass sich die Helaba als einer der großen Immobilienfinanzierer als prädestiniert dazu sieht, in diese Marktlücke zu stoßen, kann nicht verwundern. „Wir als Helaba decken bereits 60 bis 80% dieser Wertschöpfungskette ab. Für Immobilienentwickler aber wird es interessant, wenn die Helaba sämtliche Dienstleistungen erbringt oder vermittelt, bis hin zur Verbriefung von Forderungen.“

Für das Massengeschäft gibt es be­reits ähnliche Portale. Rhino geht davon aus, dass der erwartete Trend der Digitalisierung bald auch im Corporate Banking sowie im Treasury Einzug hält.

Der Gesetzgeber ist gefordert

Potenzial misst Rhino auch Cloud-Diensten bei. „Wir benutzen heute schon Cloud-Dienste. Um diese Dienste umfangreicher zu nutzen, muss der Gesetzgeber aber einige Dinge noch zusätzlich regulieren“, macht er deutlich.

„Der Umgang mit personengebundenen Daten in Produktionssystemen bei Hyperscalern muss wie in der EU-Datenschutzverordnung ge­regelt werden, damit die Banken ihre Daten nicht unversehens in Palo Alto wiederfinden.“ Derzeit bedient sich die Bank Cloud-Diensten allein für die Verarbeitung von nicht personengebundenen Daten. „Wir brauchen Regeln, die es uns ermöglichen, nicht nur in der Entwicklung und in Testfällen, sondern auch in der echten Produktion mit personengebundenen Kundendaten in von Hyperscalern betriebene Cloud weltweit zu arbeiten“, fordert er.  

Kostenanstieg gestoppt

Während im Zuge des Umbaus auf der einen Seite der Aufwand steigt, rechnet sich der Manager infolge der Reduktion von Komplexität zugleich zunehmende Einsparungen etwa in­folge sinkender Kosten für technische Unterstützung aus. Nicht zu­letzt ist Rhino in seiner Funktion als Chief Operating Officer auch im Be­schaffungswesen aktiv geworden und hat zuletzt alle Dienstleistungen neu ausschreiben lassen.

Mit T-Systems hat die Helaba einen zweiten Outsourcing-Dienstleister neben der FI-Tochter FI-TS mandatiert. Büroflächen wurden reduziert. So will die Bank pro Vollzeitstelle künftig nur mehr 0,6 bis 0,7 Arbeitsplätze vorhalten.

All diese Maßnahmen haben, im Verein mit den Auswirkungen des 2019 angekündigten Restrukturierungsprogramms Scope, die Kosten eingedämmt: „Dank Scope und eines strikten Kostenmanagements haben wir den Kostenanstieg in den vergangenen beiden Jahren stoppen können.“ Auch in diesem und im kommenden Jahr soll sich diese Verschlankung finanziell bemerkbar machen.

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