Immobilienmärkte

Eine Marktbelebung in Etappen ist wahrscheinlich

Die äußerst dynamischen Zinsanstiege haben dafür gesorgt, dass Investoren eine zögerliche Haltung eingenommen haben – unter anderem, weil eine Preisbildung sehr stark erschwert wurde.

Eine Marktbelebung in Etappen ist wahrscheinlich

In der zweiten Jahreshälfte 2022 ist es auf den deutschen Immobilientransaktionsmärkten deutlich ruhiger geworden – auch verglichen mit dem Corona-Jahr 2020. Daten von MSCI Real Capital Analytics zeigen (Stand 4. Januar) für 2022 ein Investmentvolumen von rund 48,3 Mrd. Euro, im Vergleich zu 107 Mrd. (2021) und 71 Mrd. (2020).

Investoren zögern

Die äußerst dynamischen Zinsanstiege haben dafür gesorgt, dass Investoren eine zögerliche Haltung eingenommen haben – unter anderem, weil eine Preisbildung sehr stark erschwert wurde. Es fehlten vor allem Beispieltransaktionen als Grundlage. Hinzu kam noch, dass sich die Finanzierungskonditionen im Vorfeld einer Transaktion deutlich ändern konnten (und noch immer können). All dies hat für einen Rückgang der Transaktionsaktivität gesorgt, die aktuell auch noch teilweise anhält. Wenn zurzeit Verkäufe stattfinden, dann häufig aus Liquiditätsengpässen heraus – hierbei handelt es sich jedoch um wenig repräsentative Einzelfälle.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Marktteilnehmer nun untätig bleiben oder ausschließlich nach anderen Assetklassen wie Aktien oder Anleihen Ausschau halten. Im Hintergrund finden zahlreiche Gespräche statt, wir befinden uns also eher in einer Phase des Sondierens und Austarierens. Im Unterschied zum Jahresbeginn 2022 zeigt sich jedoch inzwischen, dass die verhandelten Preise um 20 bis 30% rückläufig sein können. Ob das nun Preise sind, die tatsächlich als neue Benchmarks gelten können, ist noch unklar. Generell erleben wir eine schrittweise Annäherung zwischen Käufern und Verkäufern, die in diesem Jahr zu einer Wiederaufnahme der Transaktionsdynamik führen dürfte.

Zudem stehen den sinkenden Preisen weitgehend stabile Vermietungsmärkte mit nach wie vor historisch niedrigen Leerständen gegenüber. JLL ermittelte im Bürosektor für die ersten drei Quartale 2022 einen Flächenumsatz von 2,8 Mill. m² und einen Leerstand von im Schnitt etwa 5% in den sieben größten deutschen Bürostandorten. Berlin, Hamburg, Köln und Stuttgart bewegen sich dabei nach wie vor unterhalb der Fluktuationsreserve. In den anderen gewerblichen Nutzungsarten zeigen sich ähnliche Tendenzen – wobei in der Praxis die Inflationsindexierung in den Mietverträgen (also die An­passung an die Inflationsrate) in vielen Fällen zumindest einmal durchgesetzt werden kann. Was den Wohnungsmarkt betrifft, trägt vor allem der Flächenmangel in den Großstädten dazu bei, dass auch dort die Mietpreisentwicklung nach oben zeigt.

Schwere Prognose

Wann genau die Transaktionsmärkte wieder Fahrt aufnehmen werden, lässt sich aktuell nur schwer prognostizieren. Der maßgebliche Faktor wird die weitere Entwicklung der Zinspolitik von Federal Reserve und EZB sein. Mitte Dezember 2022 hoben beide Zentralbanken den Zins um jeweils 50 Basispunkte an. Was jedoch für Beunruhigung an den Börsen sorgte, war die Aussage von Fed-Chairman Jerome Powell, das Inflationsziel weiterhin bei 2% zu belassen. Hier liegt das Potenzial für weitere Zinserhöhungen.

Für die Immobilienmärkte wird es wahrscheinlich noch ein wenig dauern, bis tatsächlich „Zinssicherheit“ einkehrt. Entscheidend ist dabei, dass die Dynamik der Zinsschritte nachlässt, denn auch ein längeres Verharren auf höheren Niveaus dürfte für Klarheit und Sicherheit sorgen.

Wahrscheinlich ist vor diesem Hintergrund eine stufenweise Wiederaufnahme der Transaktionstätigkeit. Im ersten Schritt werden zu den eigenkapitalstarken oder auf Wertschöpfung orientierten Investorengruppen weitere Akteure hinzukommen, die darauf spekulieren, dass die Zinsentwicklung so eintritt, wie sie aktuell von den meisten Experten antizipiert wird. Typischerweise ge­hören Family Offices und internationale Investmenthäuser zu diesen Vorreitern. Zu stark lässt sich eine solche Aussage jedoch nicht generalisieren, da neben dem Investorenprofil und der Eigenkapitaldecke auch die bisherigen Immobilienquoten, Regulierungsthemen und zahlreiche weitere Faktoren eine Rolle spielen.

Ein zweiter Schritt könnte sich zum Ende des Frühjahrs 2023 ergeben – wobei dieser Zeitrahmen sehr vage ist und zudem durch unerwartete positive oder auch negative Nachrichten nach vorn bzw. hinten verlegt werden könnte. Möglicher Ausgangspunkt für diesen Schritt könnte sein, dass erstens zwischen Zinsen und Renditen wieder ein nennenswerter Spread liegt, zweitens die aktuelle Zurückhaltung der Finanzierer abnimmt und drittens eine positive Änderung der wirtschaftlichen Ausgangssituation (bei einem oder mehreren der allzu bekannten Faktoren Corona, Geopolitik und Inflation) eintritt.

Bessere Bedingungen

Sofern sich die Bedingungen wie erwähnt verbessern, dürfte sich der Wiedereintritt der professionellen Immobilieninvestoren in die Märkte ziemlich dynamisch vollziehen. Denn die Transaktionsmärkte sind in den vergangenen 15 Jahren deutlich schneller geworden, weil während der Haussephase eine hohe Ge­schwindigkeit nötig war, um überhaupt ankaufen zu können. Diese optimierten Prozesse dürften für schnelle Akquisitionen sorgen, sobald sich die Marktsituation klar ins Positive wendet und die Chancen deutlich überwiegen.

Damit verbunden könnte ein weiterer Effekt sein: Während aktuell vor allem diejenigen Akteure verkaufen, die Liquidität freisetzen müssen oder aus einem anderen Grund einen höheren Verkaufsdruck verspüren, könnten während dieser zweiten Phase auch wieder diejenigen Verkäufer aktiv werden, deren Immobilien am Ende des Investmentzyklus stehen und sich bereits stark entwickelt haben. Für diese Akteure kann der Verkauf von morgen das eigenkapitalstarke Neu-Investment von übermorgen bedeuten.

Megatrends setzen sich durch

Langfristig jedoch werden die gesellschaftlichen Megatrends dafür sorgen, dass die Assetklasse Immobilie weiterhin als Portfoliobestandteil relevant bleibt – besonders moderne, flexible Objekte an attraktiven Standorten. Es mag angesichts der aktuellen Debatte sonderbar klingen, doch selbst ein mehrjähriger Zins- oder Inflationszyklus ist verglichen mit den oft sehr langen Haltedauern (und vor allem verglichen mit den Lebenszyklen der Immobilien selbst) ein eher kurzfristiges Phänomen. Die Zukunft der kollaborativen Arbeit im Team, die Alterung der Gesellschaft und der Trend zum E-Commerce sorgen dafür, dass dazu passende Immobilienkonzepte in den Segmenten Büro, betreutes Wohnen oder Logistik langfristig stabile Cashflows erzeugen werden.

Eine Unterscheidung, welche Nutzungsart im Jahr 2023 die Nase vorn haben wird oder welche Produkte zum Anfang der Marktbelebung verstärkt gehandelt werden, erscheint daher wenig sinnvoll. Selbst in der allgegenwärtigen Energiefrage ist es wichtig, zwischen kurz- und langlaufenden Trends zu unterscheiden: Die tagesaktuellen Energiepreise und auch die nächste Nebenkostenabrechnung sind viel weniger aussagekräftig als die Taxonomiekonformität und der Vergleich mit den Pariser Klimazielen für das Jahr 2050.

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