Nachhaltigkeit

ESG-Fonds wachsen rasant

Die Anleger suchen verstärkt nach nachhaltigen Fonds und treiben das verwaltete Vermögen in diesen Produkten immer schneller nach oben. Die Debatten um übertriebene Darstellungen über das Ausmaß der Nachhaltigkeit in den Fonds (Greenwashing) sorgen bislang nicht für Bremsspuren.

ESG-Fonds wachsen rasant

sto Frankfurt

Ungeachtet aller Diskussionen über mögliche Grünwäsche bei Fonds wächst das verwaltete Vermögen in Produkten, die ökologische, ethische oder soziale Aspekte bei Investmententscheidungen mitberücksichtigen, im rasanten Tempo. Wie eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Datendienstleisters Morningstar gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft ZEB festhält, stiegen per Ende 2021 in Europa die Assets under Management in den sogenannten ESG-Fonds (Environment, Social, Governance) auf 1,97 Bill. Euro – binnen Jahresfrist ein Plus von 71 %. Europa hat bei den grünen Fonds weltweit die Nase vorn. 83 % des verwalteten Vermögens entfallen auf diese Region.

Gemessen am gesamten Nettovermögen der in Europa domizilierten Fonds sind mittlerweile 16 % nachhaltig. Andersherum betrachtet zählt die Studie 4 400 (i.V.: 3 200) nachhaltige Fonds von insgesamt 33 200.

Angesichts der Dominanz von Luxemburg als mit Abstand größtem Standort für die Fondsauflage ist es nicht überraschend, dass das Land auch bei den ESG-Fonds führend ist: Etwa ein Drittel der von nachhaltigen Fonds in Europa verwalteten Vermögenswerte ist dort domiziliert (663 Mrd. Euro). So sind auch viele in Deutschland angebotene Fonds im Großherzogtum aufgelegt, was wiederum den Anteil der „deutschen“ nachhaltigen Fonds in Deutschland in dieser Statistik drückt (siehe Grafik). Die prozentual hohen Anteilswerte oberhalb des europäischen Durchschnitts in Frankreich, Schweden, Niederlande und Belgien sind der Studie zufolge darauf zurückzuführen, dass diese Länder frühzeitiger mit nachhaltigen Fonds angefangen haben, auch getrieben durch die Verwurzelung von Pensionsfonds in diesen Ländern als Treiber nachhaltiger Investments.

Deutlich aktienlastiger

Die nachhaltigen Produkte in Europa sind dabei noch aktienlastiger als „normale“ Fonds: Der Anteil dieser Anlageklasse beträgt 64 % im Vergleich zu 48 %. Hintergrund ist, dass die Aktienanlage etwa über die Stimmrechte bei den Hauptversammlungen sowie durch direkte Gespräche mit Unternehmen eine größere Möglichkeit bietet, das Verhalten der Unternehmensleitung in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu beeinflussen, als dies Investments per Anleihen ermöglichen.

Allerdings kann man einschränkend dazu festhalten, dass der Anteil der passiven Fonds im nachhaltigen Segment mit 27 % höher ist als der Anteil von 21 % im konventionellen Bereich. Da passive Ansätze Börsenindizes kopieren, ist die Einflussnahme auf Unternehmen damit gering, da keine aktive Entscheidung gegen einen Titel wegen mangelhafter Nachhaltigkeit getroffen werden kann. Die Studie hält hierzu aber auch fest, dass die passiven Strategien im nachhaltigen Segment enorm zugelegt haben, und zwar um von 280 % auf rund 139 Mrd. Euro, während das passive Segment bei konventionellen Fonds nur um 25 % wuchs. Dies deute darauf hin, dass das passive Management den Wandel von Plain-Vanilla-Ansätzen zu Nachhaltigkeit vollziehe, hieß es.

Ein grundsätzlicher Trend in der Assetmanagementbranche – die Verteilung eines Gros des verwalteten Vermögens auf wenige große Anbieter – ist im nachhaltigen Segment noch viel stärker erkennbar. 51 % des Nettovermögens stammen von den 20 größten Anbietern. Bei konventionellen Fonds sind es nur 43 %.

Mit Blick nach vorn rechnet die Studie mit einem weiter schnellen Wachstumstempo bei nachhaltigen Fonds. Die stetig wachsende Nachfrage der Gesellschaft und der Anbieter selbst sowie die Lenkungswirkung durch zunehmende Regulierung in diesem Bereich werde den Marktanteil weiter hochtreiben. Langfristig werde der nachhaltige Fonds von der Ausnahme zur Regel.

Wie Marc-André Bechet, stellvertretender Generaldirektor des Lu­xem­burger Fondsverbands Alfi, hervorhob, werde die in den nächsten Jahren verpflichtende nachhaltige Berichterstattung von Unternehmen den nachhaltigen Fonds noch einmal Rückenwind verleihen. Die Luxemburger sind Auftraggeber der Studie, die 2021 erstmals erschienen war. Hortense Bioy, Global Director of Sustainability bei Morningstar, wiederum verwies auf die im August in Kraft tretenden Änderungen der Mifid II, die Finanzberater verpflichten, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden bei der Anlageberatung zu berücksichtigen. Dies hätte das Potenzial, die Akzeptanz nachhaltiger Anlagen bei Privatanlegern weiter zu beschleunigen.

Das volle Potenzial der Fondsbranche zur Unterstützung der Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit sei noch lange nicht ausgeschöpft, betonte Carsten Wittrock, Partner bei ZEB. Auch er geht von einem ungebrochenen Wachstumstrend bei nachhaltigen Fonds aus ungeachtet der Debatte um mögliches Greenwashing. Konkret gibt es einen entsprechenden Verdacht bei der DWS. Er wies zudem auf die noch ausstehenden Definitionen der nachhaltigen Investments im Rahmen der EU-Regulierung hin und den Rückschlag bei der Bekämpfung des Klimawandels durch den Ukraine-Krieg.

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