Nachhaltige Kapitalanlage

ESG-Modelle haben noch Luft nach oben

Die Fondsbranche steht bei der Ermittlung von Nachhaltigkeitsrisiken oft noch am Anfang, wie eine Umfrage des Verbands BVI zeigt. Vor allem an komplexere Verfahren haben sich viele Adressen noch nicht herangewagt.

ESG-Modelle haben noch Luft nach oben

jsc Frankfurt

Die deutsche Fondsbranche hat das Potenzial von Nachhaltigkeitsanalysen nach Einschätzung des Branchenverbands BVI bisher nicht voll ausgeschöpft: Während Fondsgesellschaften heute eher einfache ESG-Ansätze wie den Ausschluss umstrittener Unternehmen in der Regel bereits beherrschten, bestehe bei komplexeren Methoden zur Risikoermittlung noch Aufwärtspotenzial, wie eine Analyse festhält.

Das gilt demnach etwa für Stresstests, also Szenariorechnungen mit Nachhaltigkeitsrisiken, sowie für Faktormodelle, also die statistische Auswertung von ESG-Faktoren im Zusammenspiel mit anderen Kenngrößen, um den Einfluss auf das Risiko­ abschätzen zu können. Während 51 der 61 befragten Fonds­gesellschaften im Rahmen einer nachhaltigen Kapitalanlage bereits umstrittene Unternehmen und Branchen ausschließen und eine Mehrheit auch entlang positiver ESG-Kriterien eine Auswahl trifft, wenden nur 12 Gesellschaften Stresstests an und 13 „individuelle Methoden“, wozu beispielhaft Faktormodelle aufgeführt werden. Der Verband hat die Gesellschaften im August zum Stand der Nachhaltigkeit befragt.

Auch in der Selbstwahrnehmung sind die meisten Fondsgesellschaften noch nicht am Ziel: Gut die Hälfte betrachtet die Integration von ESG-Kriterien als fortlaufend, ein Drittel sieht sich noch am Anfang (siehe Grafik). Ein Mangel an Standards für Nachhaltigkeit, die Verfügbarkeit und die Qualität der Daten sowie die Bewertungsverfahren selbst zählen jeweils aus Sicht der meisten Fondsgesellschaften zu den größten Hürden. Nur jede dritte Adresse nennt in diesem Zusammenhang die Regulierung oder einen Mangel an Ressourcen. Das Vertrauen in die eigene Belegschaft ist hingegen groß. Fast niemand zählt mangelnde Expertise im eigenen Haus zu den größten Heraus­forderungen.

Ob das Aufspüren von Nachhaltigkeitsrisiken schwierig ist, hängt aus Sicht der Befragten stark von der Anlageklasse ab. Bei großen Aktien­titeln (Large Caps) sieht fast niemand Schwierigkeiten, entsprechende Risiken zu erkennen. Angesichts einer Fülle an Ratingagenturen mangelt es hier nicht an Analysen, die Fondsgesellschaften extern beziehen können, und in der Tat greifen die meisten Gesellschaften laut Umfrage auch auf ESG-Ratings zurück. Ganz anders sieht es bei kleinen Aktien­titeln (Small Caps) sowie bei Derivaten aus, wo 32 bzw. 30 der insgesamt 61 Befragten Schwierigkeiten sehen. Diverse Sachwerte wiederum bereiten jeweils rund einem Drittel der Befragten Kopfzerbrechen, etwa Wohnimmobilien und Private Equity (jeweils 23) oder Infrastruktur (20).

Wertberichtigt Seite 6