Quartalszahlen

Evergrande juckt Chinas Banken kaum

Chinas staatliche Bankenriesen zeigen sich trotz konjunktureller Entschleunigung und zunehmender Ausfallrisiken bei pleitegefährdeten Immobilienentwicklern wie Evergrande in erstaunlich guter Form.

Evergrande juckt Chinas Banken kaum

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Die Verschuldungs- und Liquiditätskrise rund um China Evergrande Group und andere bonitätsschwache chinesische Immobilienentwickler scheint die Profitabilität der Großbanken im Reich der Mitte nicht sonderlich anzugreifen. Den fünf größten Kreditinstituten sind jeweils prozentual zweistellige Gewinnzuwächse gelungen, wie die am Freitag vorgelegten Abschlüsse von Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), China Construction Bank (CCB), Agricultural Bank of China (ABC), Bank of China (BOC) sowie Bank of Communications (BoCom) zeigen. Chinas Branchenführer ICBC verzeichnet gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg des Gewinns nach Steuern um 10,5% auf 88,3 Mrd. Yuan (11,8 Mrd. Euro) und profitiert dabei von einem flotten Kreditwachstum bei weitgehend stabilen Nettozinsmargen. Gleichzeitig hat sich das Verhältnis der notleidenden Kredite zu den gesamten Ausreichungen geringfügig ermäßigt. Wie auch bei den anderen führenden Instituten des Landes ist der befürchtete Schub an Non-Performing Loans (NPL) im Zuge einer forcierten Kreditvergabeaktivität und von Engagements bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die unter den konjunkturellen Pandemiefolgen leiden, ausgeblieben.

Kleine Institute unter Druck

Die Pekinger Regierung hatte im Verbund mit den Finanzregulatoren einigen Druck auf die Branche ausgeübt, um die Neukreditvergabe gegenüber tendenziell bonitätsschwächeren Unternehmen hoch zu halten und damit die konjunkturelle Erholung von der Corona-Pandemie aktiv zu begleiten. Chinesische Bankexperten gehen allerdings davon aus, dass Regionalbanken und kleinere Kreditinstitute im Reich der Mitte stärker unter einer Bonitätseintrübung im KMU-Sektor und vor allem im Lager der chinesischen Immobilienentwickler leiden dürften und in manchen Fällen auf Engpässe bei der Eigenkapitalabdeckung ihrer Risikopositionen stoßen werden.

Aus den Ergebnissen der einzelnen Institute lässt sich nicht erkennen, inwieweit größere Abschreibungsposten auf Engagements bei Evergrande oder anderen angeschlagen wirkenden Immobilienentwicklern vorliegen. Bei der ABC, die nach Einschätzung von Analysten zusammen mit der China Minsheng Bank das höchste Exposure gegenüber Evergrande aufweist, sieht man einen flotten Gewinnanstieg um 14% auf 64,4 Mrd. Yuan, während bei der im heimischen Realkreditgeschäft führenden CCB die Erträge um knapp 16% auf 78,9 Mrd. Yuan kletterten.

Seit Herbst vergangenen Jahres waren die Banken dazu angehalten worden, ihre Engagements im Immobiliensektor zurückzufahren und auch die Hypothekenkreditvergabe an Private zu drosseln, um latenten Finanzstabilitätsrisiken Rechnung zu tragen. Im September hatten die immer offensichtlicheren Existenznöte von Evergrande Schockwellen an Chinas Finanzmärkten ausgelöst. Dabei wuchs die Angst vor systemischen Ansteckungsgefahren und einer Vertrauenskrise im Bankensektor.

Chinas Zentralbank ist es mit Geldmarktinterventionen bzw. Liquiditätseinschüssen gelungen, eine Panik zu verhindern und stabile Refinanzierungskonditionen am Interbankmarkt zu gewährleisten. Auch in der letzten Oktoberwoche hat die Zentralbank mit auffallend üppiger Liquiditätsversorgung Spannungen am Geldmarkt entgegengewirkt.

Bericht Seite 9