Kehrtwende

Fidelity International wirft Direct-Lending-Pläne über Bord

Fidelity International gibt sein Direct-Lending-Geschäft auf, bevor es überhaupt erst richtig startet. Für das 20-köpfige Team ist die strategische Kehrtwende eine Katastrophe. Doch Fidelity ist nicht der einzige Assetmanager, der einen Rückzieher macht.

Fidelity International wirft Direct-Lending-Pläne über Bord

Fidelity wirft Direct-Lending-Pläne über Bord

Neu angeworbene Mitarbeiter stehen vor dem Aus – Globales Private Debt Fundraising unter Druck – Keine Chance für Newcomer

phh Frankfurt
Von Philipp Habdank, Frankfurt

Fidelity International gibt sein Direct-Lending-Geschäft auf, bevor es überhaupt erst richtig gestartet ist. Für das eigens dafür eingestellte 20-köpfige Team ist die strategische Kehrtwende eine Katastrophe. Fidelity ist nicht der einzige Assetmanager, der einen Rückzieher macht. Debütanten haben es aktuell so schwer wie nie.

Fidelity International (Fidelity) gibt nach nur einem Jahr seine Direct-Lending-Ambitionen wieder auf. Darunter wird die direkte Kreditvergabe von Finanzinvestoren an Unternehmen verstanden, die sich überwiegend im Besitz von Private Equity befinden. Wie ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage bestätigt, hat der Finanzdienstleister seine europäischen Aktivitäten gestoppt. Bloomberg hatte zuerst darüber berichtet.

Notbremse, bevor es losgeht

Das Geschäft habe sich dem Sprecher zufolge noch in der Aufbauphase befunden. Der Assetmanager hatte erst im vergangenen Jahr das Fundraising für seinen Direct-Lending-Debütfonds gestartet. Aus Finanzkreisen war zu hören, dass das Zielvolumen bei 600 Mill. Euro gelegen haben soll. Um das Direktkreditgeschäft in Deutschland aufzubauen, wurde zum 1. Juni 2023 Nadine Henker vom Finanzdienstleister LGT abgeworben. Direct Lending sollte eine weitere Säule in den Private-Market-Aktivitäten werden, wo der Assetmanager bereits im Immobiliengeschäft aktiv ist.

Das seit 2006 bestehende und 2,4 Mrd. Dollar schwere Immobiliengeschäft will Fidelity weiterführen. Ebenso das Geschäft mit Collateralized Loan Obligations (CLOs). Das sind forderungsbesicherte Wertpapiere, die von einer Zweckgesellschaft emittiert werden und bei der Fremdfinanzierung von Private-Equity-Deals (Leveraged Finance) eine wichtige Rolle spielen. Die Zweckgesellschaften sind eine der Investorengruppen, an die Banken ihre originierten Leveraged-Finance-Kredite syndizieren. 2021 hatte Fidelity den ersten eigenen CLO aufgelegt und verwaltet in diesem Geschäft inzwischen nach eigenen Angaben rund 2 Mrd. Dollar.

Direktgeschäft aufgeben

Direct Lending will Fidelity auch nicht grundsätzlich aufgeben, wohl aber das Direktgeschäft. „Wir werden in Zukunft mit externen Partnern zusammenarbeiten, um den Bedürfnissen unserer Kunden in diesem Bereich gerecht zu werden. Leider werden einige Funktionen von dieser Entscheidung betroffen sein“, heißt es in der Stellungnahme.

Laut Bloomberg hat Fidelity Mitglieder des 70-köpfigen Private-Market-Teams vor die Tür gesetzt. Fidelity wollte dies nicht kommentieren. Doch wer eins und eins zusammenzählt, der landet schnell bei dem 20-köpfigen Direct-Lending-Team, das in London von Raphael Charon geleitet wird. Charon warb Fidelity vor rund zwei Jahren von der Bank of Ireland ab, um die nötigen Strukturen für ein Direct-Lending-Geschäft zu schaffen. Auch Nadine Henker ist (oder war) Teil dieses Teams.

Fidelity und Robeco streichen die Segel

Die Rückzugsentscheidung ist laut Bloomberg nach dem Rücktritt von Fidelitys Co-Investmentchef Andrew McCaffery gefallen. McCaffery war für die Bereiche Fixed Income, Multi Assets sowie Private Assets verantwortlich und soll ein Befürworter der Direct-Lending-Strategie gewesen sein. Ähnlich verhielt es sich zuvor schon bei dem niederländischen Assetmanager Robeco, der 180,6 Mrd. Euro an verwaltetem Vermögen auf die Waage bringt.

Auch bei Robeco gab es einen Wechsel in der Zentrale auf dem Chief-Investment-Officer-Posten. Anschließend wurde die Direct-Lending-Bremse gezogen. Wie Fidelity war auch Robeco dabei, Gelder für einen europäischen Private-Debt-Fund einzusammeln. Das Zielvolumen soll mit 1 bis 1,5 Mrd. Euro sogar noch größer gewesen sein als bei Fidelity.

Sowohl Robeco als auch Fidelity begründeten ihren Private-Debt-Rückzug offiziell mit der Marktentwicklung. Robeco sprach von „Feedback der Kunden“ und einer „gründlichen Analyse der Marktbedingungen“. Fidelity führte die „Reife des Marktes“ und „für den langfristigen Erfolg notwendige Skaleneffekte“ als Argumente für den strategischen Rückzug ins Feld.

Veränderte Rahmenbedingungen

Beide Assetmanager kommen eigentlich aus der liquiden Ecke des Kapitalmarkts. Der Entschluss, stärker in den privaten Fremdkapitalmarkt vorzustoßen, dürfte wohl rund um das Jahr 2021 gefallen sein. Dieses war nach dem Corona-Jahr 2020 bis dato das absolute Rekordjahr – sowohl für Private Debt als auch Private Equity. Gleichzeitig waren die Renditen liquider Kapitalmarktprodukte durch die jahrelange Nullzinspolitik stark unter Druck.

Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen für privates Fremdkapital stark verändert. Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine, dem anschließenden Inflationsanstieg und der danach vollzogenen Zinswende ist der für das Direct-Lending-Geschäft essenziell wichtige M&A-Markt stark eingebrochen. Gleichzeitig lässt sich mit liquiden Kapitalmarktprodukten, wie beispielsweise Anleihen, wieder mehr Geld verdienen.

Volumen schrumpft

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Fundraising-Markt wider. Sammelten dem Datenanbieter Pitchbook zufolge im Rekordjahr 2021 weltweit insgesamt 491 Private Debt Funds zusammen 302,1 Mrd. Dollar ein, ging das Fundraising-Volumen bis Ende 2023 um gut ein Drittel auf 197,5 Mrd. Dollar zurück. Im ersten Quartal dieses Jahres sammelten lediglich 25 Fonds zusammen 30,4 Mrd. Dollar ein. Der Anteil der Mega-Fonds mit Volumina zwischen 1 und 5 Mrd. Dollar stieg dabei auf über 90% an.

Frische Gelder fließen im aktuellen Marktumfeld fast nur noch großen Fonds zu. Gleichzeitig sind die Markteintrittsbarrieren für Debütanten so hoch wie nie. Im Rekordjahr debütierten laut Pitchbook weltweit noch 77 neue Debt Funds und warben zusammen 12,4 Mrd. Euro ein. Ein Jahr später schafften es nur noch 43 Fonds an den Markt, im vergangenen Jahr gar nur noch 30. Im ersten Quartal dieses Jahres gelang keinem einzigen Debütanten ein Fundraising.

Kommentar Seite 2
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.