IPOs

Finanzinvestoren als Börsen­schule

Finanzinvestoren folgen bei der Auswahl ihrer Unternehmensbeteiligungen nicht der gerade herrschenden Sektor-Mode. Das macht die Börsengänge aus ihren Portfolios im Vergleich zum Durchschnitt erfolgreicher. Die Private-Equity-Häuser entwickeln sich zur Vorschule für Unternehmen, die an die Börse streben.

Finanzinvestoren als Börsen­schule

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Rund um die Welt haben Unternehmen in diesem Jahr bei Börsengängen so viel frisches Eigenkapital eingesammelt wie niemals zuvor. Rund 1 Bill. Dollar Emissionserlös dürften bei IPOs inklusive Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) bis zum Ende des Jahres 2021 beschafft worden sein. Bereits 20 deutsche Unternehmen inklusive vier Spac-Börsenmänteln wagten seit Jahresbeginn den Schritt aufs Frankfurter Parkett. Sie spielten addiert rund 10 Mrd. Euro an Emissionserlösen ein. Das ist so viel wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr, als der Dotcom-Boom bald darauf mit einem großen Crash endete. Allerdings hat sich der Boom der Börsengänge zuletzt bereits etwas abgekühlt.

Sicherlich gibt es Parallelen zum Jahr 2000. Die Bewertungen haben mit oftmals dem 20-Fachen des Gewinns schon ähnliche Höhen erklommen. Es gibt jedoch auch Unterschiede: Damals waren die Start-ups sehr jung und hatten oft nicht mehr zu bieten als geschönte Klickzahlen. Dieses Mal sind sie oft zehn Jahre alt und machen Umsatz, oft auch Gewinn. Viele Unternehmen nehmen sich heute länger Zeit, bis sie an die Börse gehen. Amazon wurde 1994 gegründet und startete 1997 an der Börse. Aber Spotify wurde 2006 gegründet und landete erst zwölf Jahre später im Jahr 2018 an der Börse – mit gleich 27 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung.

5 Prozent Outperformance

Auf die Börse vorbereitet werden die heutigen Jungunternehmen immer öfter unter der Ägide erfahrener Finanzinvestoren. Mehr als die Hälfte der 20 Börsengänge in Deutschland in diesem Jahr stammte aus den Portfolios von Private-Equity-Häusern, die beim IPO oder aber danach Kasse machen. Beispiele unter den größeren Neuemissionen­ sind der Linux-Softwareanbieter Suse (EQT), der Berliner Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 (Technologieinvestor Softbank), der bisher gefloppte Berliner Online-Optiker Mister Spex (Goldman Sachs, DN Capital, Scottish Equity Partners und XAnge) oder die Laborkette Synlab (Cinven, dänischer Investor Novo und kanadischer Pensionsfonds OTPP). Ein weiteres Beispiel aus dem Vorjahr war der auf Tarnkappen-Enttarnung spezialisierte Rüstungskonzern Hensoldt, den Airbus 2017 an KKR verkauft hatte. Carlyle brachte den Berliner Spezialchemiekonzern Atotech in New York an die Börse.

Finanzinvestoren haben sich zu einer Art Vorschule für Börsenkandidaten entwickelt – noch vor der Erstnotierung organisieren sie die Unternehmen effizienter und sorgen für Transparenz in der Rechnungslegung. Auch für die Investoren beim IPO zahlt sich das aus, weil sich die Kurse der Private-Equity-geführten Börsenneulinge besser als der Durchschnitt entwickeln, wie die Analysten von Allianz Research ermittelt haben: „Von Private Equity geführte IPOs haben sich besser entwickelt als der Durchschnitt der Börsengänge. Die Outperformance in den ersten zwölf Monaten nach der Erstnotiz liegt bei 5,2%“, stellt Allianz-Analyst Jordi Basco Carrera fest. Besonders im Segment Small-Cap-IPOs mit Emissionserlösen von weniger als 500 Mill. Euro seien sie erfolgreicher – mit einer Outperformance von 8%.

Insbesondere bei Börsengängen aus den Sektoren Technologie, Konsum, Immobilien und kleinere Finanzwerte seien die Private-Equity-geführten Börsengänge erfolgreicher. „Wie erklärt sich der erhebliche Renditeunterschied zwischen IPOs und Private-Equity-unterstützten IPOs auf aggregierter Basis?“, fragt Allianz-Analyst Carrera – und gibt die Antwort: „Der Schlüssel liegt in der Tatsache, dass Finanzinvestoren dem Gesamtverhalten des IPO-Marktes nicht vollständig folgen mit ihrer sorgfältigen Unternehmensauswahl, die zu erheblichen Unterschieden in der Sektorallokation führt.“

So verzichteten Private-Equity-Häuser auf die Übergewichtung von Finanzwerten in den Jahren 2006 und 2008 vor der Finanzkrise, während sie in den Jahren 2014/15 Finanzwerte übergewichteten. Ebenso folgten sie nicht dem Technologietrend für 2020, während sie den Sektor 2021 im Durchschnitt übergewichteten. „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Finanzinvestoren schon eine Vorauswahl getroffen haben, bei der sie verstanden haben, was das Unternehmen von Wettbewerbern unterscheidet, anstatt einfach nur auf eine Branche zu setzen, die gerade im Trend liegt.“

Private-Equity-Fonds in Deutschland werden auch in der nächsten Zeit häufiger den Börsengang als Weg zum Ausstieg aus einigen milliardenschweren Unternehmensbeteiligungen wählen. „Einige der Übernahmen aus den Jahren 2015 bis 2017, die jetzt reif für den Exit werden, sind oft so groß, dass sie nicht allesamt für einen Weiterverkauf an einen einzelnen Finanzinvestor in Frage kommen“, sagte Christian Wagner, Managing Director der Investmentbank Morgan Stanley, Anfang 2020 voraus. Zumal die Unternehmen seit der Übernahme häufig ihren Wert verdoppelt haben.

Pipeline weiter voll

Die Pipeline für IPO-Kandidaten aus Private-Equity-Besitz ist voll. Die Parfümeriekette Douglas gilt als Kandidat aus dem Portfolio des britischen Beteiligungsfonds CVC unter Deutschlandchef Alexander Dibelius. Auch der von der Familie des Unternehmers Hans Georg Näder beherrschte Orthopädietechnikspezialist Ottobock, an dem sich 2017 die schwedische Private-Equity-Gesellschaft EQT für geschätzte 600 Mill. Euro mit 20% beteiligte, steht vor der Börsenreife mit einer Bewertung von bis zu 6 Mrd. Euro.

Manchmal kommt es dann doch noch anders: Als sicherer IPO-Kandidat galt der Wissenschaftsverlag Springer Nature aus dem Portfolio des Finanzinvestors BC Partners. Dann wurde das Unternehmen entgegen den ursprünglichen Plänen von BC Partners an einen neuen Fonds im eigenen Haus weitergereicht. Ebenfalls aus dem BC-Partners-Portfolio stammt der 2017 für 2,6 Mrd. Euro erworbene Keramikspezialist Ceramtec. Hier beteiligte sich – anstatt eines IPO – der Pensionsfonds Canada Pension Plan Investment Board (CPPIB) mit der Hälfte. Gleichzeitig vollzog Bain Capital den Teil-Exit beim Aufzugskomponentenhersteller Wittur durch den Verkauf von 32% der Anteile an den kanadischen Pensionsfonds PSP. Nicht immer steht am Ende der Schulzeit eine Karriere an der Börse.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.