Christian Storck und Florian Reul

Fintech-Bewertungen bröckeln

Noch befinden sich Kapital suchende Tech-Gründer in einem Land aus Milch und Honig. Aber angesichts allgemein strafferer Finanzierungsbedingungen werden sinkende Bewertungen in laufenden Runden schon eingepreist, sagen die Kapitalmarktspezialisten von Linklaters.

Fintech-Bewertungen bröckeln

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Die Fintech-Branche boomt mit steigenden Bewertungen. Häufig erweitern Start-ups ihre Finanzierungsrunden aufgrund hoher Nachfrage, da so viel Geld im Markt ist und nach Anlagemöglichkeit sucht. Doch so langsam regen sich Zweifel, ob diese paradiesischen Zustände anhalten werden. „Im Moment ist es noch so, dass Fintech-Gründer (zumindest in den ‚heißen‘ Bereichen) mit Geld zugeworfen werden und sich der Flut an Investorenanrufen erwehren müssen“, sagt Florian Reul als Head of Fintech Germany bei Linklaters im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Allerdings seien einige Investoren bereits der Ansicht, dass der Sektor in privaten Finanzierungsrunden überbewertet und Geschäftsmodelle momentane Bewertungen noch nicht ausreichend rechtfertigen würden.

Die mit dem Kurswechsel der Notenbanken verbundene Straffung der Finanzierungsbedingungen werde bei laufenden Runden schon eingepreist, ergänzt Kapitalmarktrecht-Spezialist und Global Co-Head of Innovation Christian Storck. Zudem seien die großen Retail-Institute inzwischen dazu übergegangen, selbst Fintech-Module einzusetzen und auf der eigenen Kundschaft zu skalieren. Sich da mit ausreichender Innovationshöhe durchzusetzen, werde immer schwieriger für die Fintechs, argumentieren die beiden Experten.

Außerdem sei zu beobachten, dass die Regulierung auch bei den Fintechs zunehmend genauer hinsehe und teilweise auch Geschäftsmodelle hinterfrage. So wird zum Beispiel bei den Neobrokern ein Verbot des Modells Payment For Order Flow (PFOF), das die derzeitige Grundlage für die geringen Ordergebühren darstellt, diskutiert. Systeme und Governance der Fintechs müssten sowieso der wachsenden Größe entsprechend angepasst werden, das habe die BaFin bei Neobanken und Banking-as-a-Service (BaaS) schon so angeordnet. Bei N26 wird die komplette Holding überwacht und nicht allein die Banktochter, bei N26 und der Solarisbank kontrollieren Sonderbeauftragte die Umsetzung von Anordnungen.

BaaS auf dem Kieker

„Die BaFin legt einen Schwerpunkt auf Geldwäschekontrolle, IT-Risiken und Auslagerungen. Hier wurde auch über das FISG (Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität) und das letzte Marisk-Update (Mindestanforderungen an das Risikomanagement) nachgeschärft, was dann auch BaaS betrifft,“ erklärt Reul. Hintergrund: Die Aufsicht habe nach Wirecard insbesondere IT getriebene Auslagerungsmodelle stärker in den Fokus gestellt und schaut sich auch die Rolle von Service-Dienstleistern bzw. nicht-regulierten Einheiten in den Wertschöpfungsketten genauer an. In Deutschland bestehe hierbei grundsätzlich eine recht hohe Kooperationsbereitschaft, den Anforderungen und Anfragen der BaFin nachzukommen.

Als „exorbitant spannend“ be­zeich­net Reul das sich in Abstimmung befindende europäische Regelwerk Micar (Markets in Crypto Assets Regulation). „Dieser Gesetzestext wird heiß erwartet im Markt, da Europa sich hier einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den USA verschaffen könnte.“ Es sei ja schon in Deutschland zu sehen, dass die Vorschriften zum elektronischen Wertpapier (eWpG) und zur Kryptoverwahrung gut von der Branche angenommen würden. „Allerdings vermissen viele Wertpapierfirmen die Passport-Fähigkeit dieser Dienstleistungen – was erst mit Micar gegeben wäre“, sagt Storck. In der Branche werde auf die Zusagen des BMF (Bundesministerium der Finanzen) vertraut, dass die deutschen Vorschriften zur Dematerialisierung des Wertpapierrechts aufwärtskompatibel in Richtung Europa seien. Dies ist auch zumindest ansatzweise bisher in der Micar so angelegt.

DLT-Pilotregime steht bald

Beim Micar-Unterkapitel Stablecoins, aber auch bei der Nutzung von DLT als Infrastruktur für kontobasierte Dienstleistungen, der Verwahrung oder Wertpapierabwicklung, sowie bei CBDCs seien alle großen Häuser dran und würden ihre Chancen eruieren, so Storck. Kooperationen mit Blockchain-Spezialisten würden häufig Sinn ergeben, der Proof-of-Concept sei da und alle Marktteilnehmer hätten begriffen, dass damit in Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäft grundsätzlich Intermediäre rausgenommen würden, so Storck. Das (vom Europaparlament initiierte) Pilotregime für Distributed Ledger Technology (DLT) im Wertpapiergeschäft solle schon vor Ende 2022 gelten und das stimme optimistisch, dass für Micar zumindest eine politische Einigung bis Ende des Jahres stehe, sagt Reul.

Konturen der E-Aktie

Beim elektronischen Wertpapier erwarten die beiden Experten, dass es bei der geplanten Erweiterung auf weitere Anlageklassen schon Ende 2022 einen Referentenentwurf geben könnte, der vielleicht auch die E-Aktie definiert. Allerdings gebe es da noch keine konkreten Signale aus den Ministerien; zudem seien Änderungen am Aktienrecht ein wenig komplexer als die bislang erfassten Gegenstände, führt Storck aus. Nach dem eWpG können bislang nur auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen, Pfandbriefe und bestimmte Anteile an Sondervermögen rein elektronisch begeben werden.

Storck kann sich vorstellen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der allgemeinen Digitalisierung der Finanzwirtschaft generelle Aufräumarbeiten im Aktienrecht durchführt. Anlass und Ansatzpunkte gebe es bei der digitalen Hauptversammlung, den Registergerichten sowie beim Notariat.

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