Finanzstabilitätsbericht

Handelskonflikte gefährden Finanzstabilität im Euroraum

Globale Handelskonflikte belasten zunehmend die Finanzstabilität im Euroraum. Die EZB warnt in ihrem aktuellen Bericht vor realwirtschaftlichen Folgen und empfiehlt Banken, sich gezielt gegen geopolitische Risiken abzusichern.

Handelskonflikte gefährden Finanzstabilität im Euroraum

EZB sieht Banken unter Druck

wbr Frankfurt

Globale Handelskonflikte stellen eine wachsende Bedrohung für die Stabilität im Euroraum dar. Laut dem am Mittwoch vorgelegten neuen Finanzstabilitätsbericht der Europäischen Zentralbank (EZB) wirken sich sowohl politische Unsicherheiten als auch konkrete Maßnahmen wie Zölle zunehmend negativ auf Konjunktur, Finanzmärkte und Banken aus.

Protektionismus belastet

Die internationale Handelsverflechtung sei weitgehend ins Stocken geraten. Vor allem seit 2021 verzeichneten G20-Staaten einen Anstieg protektionistischer Maßnahmen. Für den stark exportorientierten Euroraum – mit den USA als wichtigstem außereuropäischen Handelspartner – birgt dies erhebliche Risiken.

Handelsunsicherheiten dämpfen Investitionen und Konsum: Unternehmen zögern mit Investitionen, wenn Absatzmärkte unsicher erscheinen, Haushalte reagieren mit Zurückhaltung. Die Folge sind höhere Risikoprämien, volatile Kapitalmärkte und erschwerte Finanzierungsbedingungen. Laut EZB kann ein typischer Unsicherheitsschock das BIP-Wachstum im Euroraum binnen eines Jahres um bis zu 0,75 Prozentpunkte senken.

Kreditrisikoprämien steigen

Besonders stark betroffen sei aus Sicht der EZB der Bankensektor. Studien zeigten: Nach einem handelsbezogenen Unsicherheitsschock würden Bankaktien im Schnitt über 10% an Wert verlieren. Gleichzeitig stiegen Kreditrisikoprämien und Refinanzierungskosten, während Rentabilität und Kreditvergabe zurückgehen würden. Am stärksten gefährdet seien Banken mit einem hohen Engagement in exportorientierten Branchen wie Industrie, Technologie und Konsumgüter.

Auch die Aktienmärkte reagierten empfindlich: Neue US-Zölle auf EU-Produkte im Jahr 2025 führten europaweit zu deutlichen Kursverlusten, besonders in den Sektoren Auto, IT, Konsumgüter und Finanzdienstleistungen. Hinzu kämen indirekte Effekte: Unterbrochene Lieferketten und gestörte Produktionsnetzwerke verstärken die Unsicherheit weiter.

Die EZB empfiehlt daher, Handelsrisiken systematisch in Risikoanalysen einzubeziehen. Für Banken bedeute das: stärkere Kapitalpuffer, Diversifizierung der Kreditportfolios und regelmäßige Stresstests. Finanzinstitute mit solider Kapitalbasis sind laut EZB deutlich widerstandsfähiger gegenüber externen Schocks.

Angesichts zunehmender globaler Fragmentierung betont die Zentralbank die Bedeutung einer vorausschauenden Risikopolitik. Die Fähigkeit, mit geopolitischer Unsicherheit umzugehen, werde zunehmend zum entscheidenden Faktor für die Resilienz des europäischen Finanzsystems.

Sorgen nehmen zu

Bereits im Finanzstabilitätsbericht vom November 2024 hatte die EZB vor den zunehmenden Risiken durch geopolitische Spannungen und wachsenden Protektionismus gewarnt. Besonders im Fokus standen damals die wirtschaftspolitischen Unsicherheiten rund um den Wahlsieg von Donald Trump und mögliche neue US-Zölle. Zwar bescheinigte die EZB dem Bankensystem eine gewisse Widerstandsfähigkeit, doch verwies sie auf erhöhte Verwundbarkeiten durch überzogene Bewertungen an den Märkten, schwaches Wachstum und hohe Staatsverschuldung.

Im aktuellen Bericht rückt die EZB diese Risiken nun stärker in einen konkreten Zusammenhang mit spürbaren Belastungen für Banken, Märkte und die wirtschaftliche Entwicklung – ein Hinweis darauf, dass sich die Sorge um globale Handelskonflikte in realwirtschaftliche Effekte zu übersetzen beginnt.

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