„Ich fürchte, das Ziel wird nicht erreicht“
Im Gespräch: Dennis Heuer
„Ich fürchte, das Ziel wird nicht erreicht“
Der Kapitalmarkrecht-Experte über die Vorschläge der EU-Kommission zur Revitalisierung des Verbriefungsmarkts in Europa
Die EU-Kommission hat für Dennis Heuer, Partner bei White & Case, zwar „sorgfältig durchdachte Änderungsvorschläge“ für die Verbriefungsregeln vorgelegt. Dennoch ist er skeptisch, dass die neuen Anreize ausreichen, damit Banken und andere Investoren in fremde Kreditverbriefungen investieren werden.
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
Grundsätzlich zollt Dennis Heuer, Partner der internationalen Kanzlei White & Case, der EU-Kommission für die Mitte Juni vorgelegten legislativen Vorschläge für eine Revitalisierung des Verbriefungsmarkts durchaus Respekt. Man müsse anerkennen, dass die EU-Kommission den politischen Auftrag aufgenommen und sorgfältig durchdachte Änderungsvorschläge für die Verbriefungs-Verordnung und die Kapital-Verordnung CRR (Capital Requirements Regulation) unterbreitet habe, betont der Rechtsexperte. „Das ist nicht nur ein Quick Fix.“
Kritische Inhalte
Zugleich sieht er einige inhaltliche Elemente überaus kritisch, insbesondere in Bezug auf den zentralen Punkt, nämlich die Kapitalanforderungen. Schließlich entschieden die Erleichterungen bei den Kapitalanforderungen „maßgeblich darüber, ob sich Banken tatsächlich stärker am Verbriefungsmarkt als Investoren und Originatoren engagieren.“
Das politische Ziel sei es, mit dem Instrument der Verbriefung die Brücke zwischen Kredit und Kapitalmarkt zu bauen, damit es im bankenbasierten System in der EU gelinge, der Wirtschaft mehr finanzielle Mittel zu Verfügung zu stellen. Banken sollten das Instrument nutzen können, um Liquidität aufzunehmen und ihr Eigenkapital zu entlasten. Andere europäische Banken und Kapitalmarktinvestoren sollten das ermöglichen. Heuers Einschätzung lautet: „Ich fürchte, das Ziel wird nicht erreicht.“ Der Anwalt moniert, dass im Vorschlag der EU-Kommission die Kapitalanforderungen nicht ausreichend angepasst worden seien, „um für Banken und später auch andere regulierte Investoren genug Anreize zu bieten, in fremde Kreditverbriefungen zu investieren.“
„Nur das Allersicherste“
Die EU-Kommission mache in ihrer Vorlage explizit klar: Sie möchte, dass Banken ausschließlich vorrangige Positionen in STS-Verbriefungen eingehen – und sonst nichts. Im Gesetzestext selbst erkläre die EU-Kommission, Investitionen von Banken in „Non-Senior Positions“ von Verbriefungen seien nicht wünschenswert und sollten nicht unterstützt werden. „Also: Keine Investments der Banken in die Non-Senior-Tranchen von STS-Transaktionen erwünscht. Und auch keine Investments der Banken in Senior Non-STS-Transaktionen erwünscht", fasst Heuer zusammen und fügt an: „In anderen Worten: Brüssel billigt Banken für die neuen Erleichterungen nur das allersicherste zu.“
Überzogener Eingriff
Diese „holzschnittartige, nicht fallbasierte Differenzierung und damit faktische Beschränkung“ halte er für falsch. Schließlich sei es ist nicht die Aufgabe des Gesetzgebers, „hier derart überzogen ordnungspolitisch einzugreifen.“ Das sei vielmehr eine Frage von Ratings und Preisgestaltung. Die Entscheidung, wie viel Risiko sie eingehen und damit verbunden wie viel Rendite sie anstreben, sollte den Banken überlassen bleiben, argumentiert der Kapitalmarktrecht-Experte.
Eher skeptisch fällt auch seine Beurteilung der neu eingeführten Kategorie „resilienter“ Verbriefungen aus. Er erwarte, dass diese neue Kategorie wenig Auswirkungen haben werde. Heuer gibt zu bedenken: Um die Bedingungen einer resilienten Verbriefung zu erfüllen, müsse der Puffer unter der privilegierten Seniortranche dicker werden. Das werde für den Originator teuer, denn er müsse sie, um anfänglich als auch kontinuierlich eine resiliente Tranche zu erhalten, wahrscheinlich „mit größeren Mezzanine-Tranchen unterbauen“ – und das mit einem teureren Kupon bezahlen. „Ob da im Gesamtmix eine Entlastung herauskommt, ist schwer zu sagen. Und vor allem ist das schwer zu kalkulieren, auch aufgrund von Volatilität – und das wird viele abhalten“, so die Schlussfolgerung des Rechtsexperten, der anfügt: „Oder es wird sogar die Verbriefung schlechterer Forderungen gefördert, sicherlich kein erwünschter Effekt.“
„Da fehlt etwas“
Der P-Faktor sorge bekanntermaßen dafür, dass die Kapitalanforderung an eine Verbriefung höher ist als die Summe der Kapitalanforderungen an die Vermögenswerte, die der Verbriefung zu Grunde liegen. Der P-Faktor solle im Grunde das Agency-Risiko abdecken, also die Informations-Asymmetrie zwischen Originator und Investor. „Ich kann nachvollziehen, dass die Politik den P-Faktor nicht einfach abschaffen kann“, sagt Heuer. Aber wenn die jetzt vorgeschlagenen Erleichterungen nur für einen sehr, sehr geringen Teil der Verbriefungen gelten sollen, werde die angestrebte Revitalisierung des Markts kaum gelingen. „Da fehlt etwas – und zwar an der entscheidenden Stelle.“