Cum-ex

„Ich kann das moralisch-ethisch nicht verantworten“

Im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden distanziert sich ein Zeuge aus moralisch-ethischen Gründen von solchen Geschäften. Eine zweite Zeugin will nur nach Vorgaben gehandelt haben.

„Ich kann das moralisch-ethisch nicht verantworten“

Von Thomas List, zzt. Wiesbaden

Der Cum-Ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden ist gestern deutlich anders gelaufen als am Vortag. Zwei Zeugen waren geladen, erschienen auch und machten umfangreiche Aussagen. Fraglich war allerdings, inwieweit sie zur Erhellung des Tatvorwurfs beitra­gen konnten (Az.: 6 KLs-1111 Js 18753/21).

113 Mill. Euro

Zur Erinnerung: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft Ber­ger vor, von 2006 bis 2008 bei komplexen Aktiengeschäften Bescheinigungen über gut 113 Mill. Euro nie gezahlter Steuern erlangt zu haben. Bei Ge­schäften (mit dem inzwischen verstorbenen Immobilieninvestor Rafael Roth) seien zusammen mit früheren Beschäftigten der HypoVereinsbank in München und London Dax-Aktien im Wert von 15,8 Mrd. Euro gehandelt worden. Die Gewinne habe man aufgeteilt. Die Generalstaatsanwaltschaft sprach nach Angaben des Branchendienstes Juve (online) zum Prozessauftakt am 2. Juni 2022 von mehrstufigen Geschäften „ohne wirtschaftlichen Zweck“, die allein der Verschleierung gedient hätten.

Der erste Zeuge Dieter L. kannte Berger noch aus der gemeinsamen Zeit bei der hessischen Finanzverwaltung. Ab Ende der 1990er Jahre arbeitete L. dann bei verschiedenen Anwaltskanzleien als Steuerberater und traf dann 2005 bei der 2012 Pleite gegangenen US-Anwaltskanzlei Dewey & LeBoeuf wieder auf Berger, der dort Managing Partner war. L. profilierte sich als Experte für das Investmentsteuerrecht. Von Cum-ex will er erstmals 2008 gehört haben, als es um den Ersatz von GmbH-Strukturen durch Fondskonstrukte gegangen sei. Für L. sei allerdings klar gewesen: „Ich kann das (Cum-ex-Geschäfte) moralisch-ethisch nicht verantworten.“ Hier werde „dem Staat in die Tasche gegriffen“. Strafrechtlich habe er das aber nicht beurteilen können, betonte er.

Strafrechtler in der Kanzlei Dewey hätten ihm aber versichert, dass „da nix kritisch sei“. Diese seine Überzeugung sei einer der Gründe gewesen, warum er 2010 Berger nicht zur neu gegründeten Kanzlei Berger Steck und Kollegen gefolgt sei. Denn es sei von Anfang an klar gewesen, dass dort vor allem „mit Cum-ex Geld verdient“ werden sollte. Mit Rechtsberatung lasse sich nicht genug Geld verdienen, hätten ihm Berger oder Kai-Uwe Steck gesagt, zitiert L. in seiner Zeugenaussage vor dem LG Wies­baden.

Ins Zwielicht geriet die Glaubwürdigkeit des Zeugen L. allerdings, als ein Richter ihn mit einer schriftlich ausgearbeiteten Präsentation zu „Marktineffizienzen bei dem Handel von Aktien über den Hauptversammlungs-Stichtag“ konfrontierte – heute unstrittig Cum-ex genannt. Als einer von zwei Autoren ist dort L. genannt. „Ich habe nach meiner Erinnerung diese Präsentation weder gehalten noch sie erstellt“, sagte L. dazu.

Nach Entlassung des Zeugen war Berger wieder dran. Da ging es dann erneut um den wirtschaftlichen und zivilrechtlichen Eigentumserwerb, aber es gab auch bemerkenswerte Einsichten hinsichtlich der Kapitalertragsteuer – zuerst: „Es kommt zu einer Übererstattung“, dann „Es mag Übererstattungen gegeben haben“. Und (dem Staat) „in die Tasche greifen ist nicht der Maßstab“. Und überhaupt: Keiner könne heute sagen, welcher Schaden dem Fiskus (aus Cum-ex) entstanden sei. Auch die in einem seiner Schriftstücke formulierte Absicht, den Gesetzgeber hinsichtlich eines Jahressteuergesetzes im Sinne der Kanzlei beeinflussen zu wollen, bügelte Berger ab. Das sei bis heute gängige Praxis auch bei Verbänden.

Nur wenig Erhellendes

Die zweite Zeugin des Tages, Britta K., konnte als Steuerberaterin in einer Berliner Kanzlei nur wenig Erhellendes beitragen. Sie habe für die vermögensverwaltende Gesellschaft von Roth die Finanzbuchhaltung gemacht sowie Jahresabschlüsse und Steuererklärungen erstellt. Dabei sei sie nur nach Vorgaben tätig geworden. Fragen zu den Steuererstattungen in Millionenhöhe habe sie sich nicht gestellt. Da sie nur Zahlen nach Vorgaben eingebe, sei es letztlich egal, wie viele Stellen diese hätten. Der Prozess wird am 16. und am 23. Dezember fortgesetzt. Dann ist bis 12. Januar Pause.

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