ING aktiviert Wero in der App
Im Gespräch: Christian Böhrer
ING aktiviert Wero in der App
lee Frankfurt
Nach Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie der Deutschen Bank bietet nun auch die ING Diba ihren Kunden Zugang zum europäischen Zahlungssystem Wero. Die deutsche Tochter des niederländischen Finanzkonzerns integriert die Lösung in ihrer App.
Die European Payment Initiative (EPI) gewinnt an Unterstützung – zumindest seitens der Banken. Von heute an können auch die rund 10 Millionen Kunden der ING Deutschland die Echtzeit-Zahlungslösung nutzen. „Um sich bei Wero registrieren zu können, müssen unsere Kundinnen und Kunden ihre Banking-App aktualisieren. Das läuft bei den meisten ohnehin automatisch", sagt Christian Böhrer, Tribe Lead Payments der Direktbank, der Börsen-Zeitung. "Aus früheren Projekten wissen wir, dass nach wenigen Tagen nahezu alle Kunden auf dem neuesten Stand sind.“ Danach sei eine vollständig digitale Registrierung in der App möglich. Zeitaufwand: wenige Minuten.
Peer-to-Peer als Einstieg
Um den Zahlungsdienst zu nutzen, reicht es, die Telefonnummern auszutauschen. Und bei der ING hofft man offenbar, die Kunden schnell an das neue Angebot zu gewöhnen, auch wenn es zunächst nur im Privaten zum Einsatz kommen kann. „Zahlungen zwischen Privatpersonen sind ein guter Einstieg, um einen Dienst wie Wero bekannt zu machen", sagt Böhrer. Da Kunden von Sparkassen, Genossenschaften, Revolut und der Postbank ebenfalls Zugang haben, sei die Reichweite sehr hoch. "Es ist daher eine sehr attraktive und zugleich sichere Alternative, um Geld im Freundeskreis, innerhalb der Familie oder in anderen privaten Zusammenhängen zu transferieren“, findet der Payment-Experte.
Wie alle Kreditinstitute, die Wero mittragen, will die ING die Integration des Paypal-Herausforderers auch als Bekenntnis zur technologischen Souveränität des europäischen Zahlungsraums verstanden wissen. „Angesichts der geopolitischen Entwicklung wächst nicht nur bei den Banken, sondern auch bei den Kunden der Wunsch nach europäischen Lösungen", betont Böhrer. Daher komme Wero genau im richtigen Moment. Dank einer offenen Infrastruktur und dem gemeinschaftlichen Betrieb der beteiligten europäischen Banken markiere der Zahlungsdienst einen strategischen Meilenstein auf dem Weg zu einem souveränen Zahlungsverkehr.
Übermächtige US-Konkurrenz
Der US-Konkurrent Paypal ist allerdings noch übermächtig. Seinen rund 35 Millionen aktiven Konten in Deutschland stehen laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bislang nur 1,8 Millionen registrierte Wero-Nutzer in Deutschland gegenüber. Der Löwenanteil davon entfällt auf die Sparkassen, die vor einigen Wochen verkündeten, dass sich ein Jahr nach der Einführung rund 1 Million Kunden bei Wero registriert haben. Bei den Volks- und Raiffeisenbanken ist von rund 600.000 Registrierungen die Rede. Die Deutsche Bank, die den Dienst nicht in der eigenen App integriert hat, sondern ihre Kunden per Link auf Wero weiterleitet, macht dazu auf Anfrage der Börsen-Zeitung keine Angaben.
Frust über Paydirekt sitzt tief
Keine Anstalten, sich dem Zahlungssystem der European Payment Initiative (EPI) anzuschließen, hat bislang die Commerzbank gemacht, und auch andere Anbieter wie die DKB halten sich zurück. Die Frustration über eine teure IT-Integration, die bei Händlern und Kunden durchfällt, steckt den Marktteilnehmern tief in den Knochen. So kam das im europäischen Vergleich mit großer zeitlicher Verspätung säulenübergreifend angeschobene Projekt Giropay am Ende gerade mal auf 4% des deutschen Zahlungsverkehrs. Und das trotz breiter Beteiligung, denn insgesamt hatten sich rund 1.500 Institute angeschlossen. Doch die Kunden hatten sich vor allem auf der Online-Plattform Ebay daran gewöhnt, per Paypal zu zahlen. Wer nicht ohnehin Vorbehalte gegen mobile Zahlungen hatte, sah keinen Grund, sich durch den vergleichsweise bürokratischen Anmeldeprozess zu quälen. Schließlich wurde das Vorhaben Ende 2024 eingestampft.
Grenzüberschreitendes Projekt
Aus Böhrers Sicht hinkt der Vergleich mit Paydirekt jedoch, und zwar nicht nur, weil inzwischen auch die streng regulierten deutschen Banken eine rein digitale Anmeldestrecke anbieten können. „Bei Giropay/Paydirekt hat es sich ja eben nicht um eine paneuropäische Lösung gehandelt“, gibt er zu bedenken. "Der Clou an Wero ist ja, dass es grenzüberschreitend funktioniert – und das sogar in Echtzeit.“ In den bereits angeschlossenen europäischen Märkten Frankreich, Deutschland und Belgien zählt der Zahlungsdienst der EPI denn auch schon mehr als 40 Millionen Nutzer. Nutzen können sie den Dienst bislang allerdings ausschließlich für Zahlungen zwischen Privatpersonen. Folgen soll der Einstieg in den E-Commerce zunächst in Deutschland, dann in Belgien und Frankreich.
Sondersituation in Deutschland
Böhrer weist daraufhin, dass Deutschland der einzige europäische Markt ist, in dem Paypal eine derart starke Position hat. „Die Situation stellt sich in vielen anderen Märkten grundlegend anders dar“, betont er. Denn vielerorts gelang es den Banken rechtzeitig, eine eigene Lösung an den Start zu bringen. „In den Niederlanden etwa ist iDeal weit verbreitet, sowohl für den E-Commerce als auch für die Abwicklung von Peer-to-Peer-Zahlungen über Tikkie“, sagt Böhrer. Dort trete Wero daher gar nicht als Herausforderer an, sondern quasi als Nachfolger von iDeal. Ähnliches gilt für Frankreich und Belgien. Das vergleichsweise mühsame Wachstum auf dem deutschen Markt lässt sich daher nicht einfach für den Rest Europas hochrechnen.
„Die Integration von Wero in unsere App hat ein bisschen Zeit in Anspruch genommen, weil sie auf der Plattform unserer niederländischen Mutter läuft", sagt Böhrer. Wie viele Projektstunden das in Anspruch genommen hat, möchte er nicht sagen. Dass sich der ING-Konzern auch in seinem Heimatmarkt auf die Umstellung von iDeal auf Wero vorbereitet, dürfte daher maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Kunden der deutschen Direktbanktochter in den Genuss des Angebots kommen. "Das war in diesem Fall ein bisschen zeitaufwendiger, doch es bedeutet auch, dass die Anwendung auch für andere europäische ING-Länder zur Verfügung steht“, streicht Böhrer heraus.