Für Banken ist Kundenbindung wichtiger als neue Produkte
Kundenbindung schlägt Produktneuheiten
Horváth-Studie: Banken setzen auf Stabilität, Kundenfokus und KI-Potenzial
wbr Frankfurt
Hohe Zinserträge, digitale Umbrüche und geopolitische Unsicherheiten – die Rahmenbedingungen für Banken und Finanzdienstleister sind 2025 komplexer denn je. Während Neobanken mit schlanken Strukturen und digitaler Schlagkraft Marktanteile gewinnen, setzen etablierte Institute auf ihr Kerngeschäft: enge Kundenbeziehungen, solides Risikomanagement und Effizienz in den Prozessen. Die neue Horváth-Studie „Banken und Finanzdienstleister 2025“ zeigt, wie sich die Branche neu positioniert.
Kundennähe als Vorteil
Statt auf Produktneuentwicklungen setzen die Institute eher auf die Ausschöpfung bestehender Marktpotenziale. Es geht um die Durchdringung vorhandener Märkte und Kundenbeziehungen. Der Gedanke dahinter: In einem von digitalen Angeboten geprägten Umfeld können traditionelle Häuser durch datenbasierte und persönliche Kundenansprache punkten. „Wer so agiert, schafft einen Wettbewerbsvorteil, den Neobanken nur schwer kopieren können“, betont Horváth-Partner Frank Schindera.
Umsetzungshürde bei KI
Obwohl KI strategisch hoch eingeschätzt wird, fehlt oft der Schritt aus der Pilotphase in den produktiven Betrieb. 91% der Befragten sehen den Business Case ihrer bisherigen KI-Initiativen noch nicht erfüllt. Im Bereich datenbasierter Entscheidungen auf Managementebene haben 50% der Banken bislang gar nicht begonnen. Die größten Produktivitätschancen werden in IT, Digitalisierung und operativen Prozessen gesehen. Schindera mahnt: „Banken haben das Potenzial von KI erkannt, aber der Weg aus der Pilotphase in den umfassenden, produktiven Einsatz ist länger als gedacht.“
Mehr digitale Effizienz
Personalkosten sollen 2025 um 3% steigen, gleichzeitig wird ein Rückgang der Cost-Income-Ratio um einen Prozentpunkt erwartet – ein Indiz für wirksame Effizienzmaßnahmen. Neueinstellungen bleiben die Ausnahme, der Fokus liegt auf der Sicherung zentraler Kompetenzen in IT, Compliance und Beratung. Der demografische Wandel verschärft den Druck: 70% der Institute sehen Automatisierung und digitale Prozesse als alternativlos, um sinkende Belegschaften auszugleichen.
Die vergangenen Jahre haben vielen Banken dank gestiegener Zinsen komfortable Ertragslagen beschert. Dennoch zeigt sich die Branche zurückhaltend. Statt durch aggressive Einlagenstrategien oder risikoreiche Kreditvergaben auf kurzfristiges Wachstum zu setzen, fokussieren sich viele Institute auf Stabilität und Planbarkeit.
Kein Wachstum um jeden Preis
Diese Vorsicht spiegelt sich in den Plänen für die Risikovorsorge wider: Für 2025 kalkulieren die Banken mit einem Anstieg um 8% – deutlich mehr als die 6,4% im Vorjahr. Ausschlaggebend sind geopolitische Spannungen, eine schwächelnde Investitionsbereitschaft sowie Unsicherheiten im globalen Handel. Viele Häuser erhöhen gezielt ihre Eigenkapitalquoten und überprüfen bestehende Kreditportfolios auf potenzielle Ausfallrisiken. Statt Wachstum um jeden Preis lautet die Devise, mögliche Schocks abzufedern und das Geschäftsmodell gegen externe Turbulenzen abzusichern.
ESG verliert an Priorität
Ökologische Nachhaltigkeit hat an strategischer Bedeutung eingebüßt. Zwei Drittel der Institute peilen ihre Net-Zero-Ziele erst zwischen 2035 und 2039 an. Zwar haben sich 79% formell zu Klimazielen bekannt, doch oft fehlen konkrete Umsetzungspläne. Horváth sieht dennoch strategische Chancen: Glaubwürdige ESG-Strategien könnten künftig entscheidend für Investorenvertrauen und Kapitalzugang werden. Besonders die Reduzierung von Scope-3-Emissionen – also den durch Finanzierungen verursachten Treibhausgasen – bleibt eine komplexe Aufgabe.