Cum-ex-Prozess

Lost in Translation

Im Strafprozess gegen die Manager der Maple Bank treffen Welten aufeinander, als der frühere Chef vor der 24. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt aussagt.

Lost in Translation

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Die Beweisaufnahme im Prozess gegen das frühere Management der Frankfurter Maple Bank gerät zunehmend zu einem Sittenbild der Finanzbranche der Jahre vor der Bankenkrise. Wie stark dies auch von kulturellen Unterschieden geprägt war, wurde am Montag bei der Zeugenaussage des aus London angereisten früheren Chefs von Maple Security (MSUK) deutlich. MSUK ist die britische Schwester, mit deren Hilfe die Maple Bank einen Teil der Cum-ex-Transaktionen zulasten der Steuerkasse abwickelte (Az.: 5/24 KLs 17/19).

Die Bereitschaft von Hugo W., auszusagen, ist keine Selbstverständlichkeit. Gegen den Manager, der 13 Jahre lang für die Maple-Gruppe tätig war, wird ebenfalls wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt. Daher hätte der 60-jährige, der heute als Compliance-Fachmann im Wealth Management tätig ist, auch von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen können, wie der Vorsitzender Richter der 24. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt, Werner Gröschel, betonte.

Doch Hugo W., der sich zugutehalten kann, dass er bereits 2006 ethische Bedenken gegen die Cum-ex-Strategie artikulierte, wollte reden – und war bereit, im Anschluss an die Befragung durch das Gericht auch die Fragen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zu beantworten. Unterstützt wurde der Brite dabei von einer Übersetzerin, die ihre liebe Not hatte, zwischen den beiden Welten zu vermitteln.

Dies lag nur zum Teil an den englischen Fachbegriffen, für die es kein eindeutiges Pendant in der deutschen Sprache gibt. Auch der Luftreiniger, der mit anhaltendem Surren die Virenlast im Gerichtssaal geringhalten soll, mag eine Rolle gespielt haben. Vor allem aber schienen sich die Frager und der Befragte in völlig anderen Sphären zu bewegen – was sich in wiederholten Nachfragen manifestierte, worauf die andere Seite denn nun eigentlich hinauswolle.

Sichtbar wurde das schon ganz zu Anfang, als der Vorsitzende Hugo W. nach seinem aktuellen Beruf fragte. „I’m an accountant“, antwortete er im feinsten britischen Tonfall und brachte damit die Übersetzerin ins Rotieren, die zwischen „Steuerberater“, „Buchhalter“ und dem schließlich favorisierten „Wirtschaftsprüfer“ schwankte, was in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung mehr als nur eine semantische Feinheit darstellt.

Hugo W., der 1993 zu der kanadischen Bank stieß, half zunächst, das Londoner Büro, später die deutsche Maple Bank und anschließend das US-Geschäft aufzubauen. 2001 kehrte er als CEO der MSUK nach London zurück, vier Jahre später stieg er zusätzlich zum Global Head of Trading auf, eine Managementfunktion, die nach seinen Angaben die Betreuung der Handelstische in London, Frankfurt, Mailand, New Jersey und Toronto bei ihren Aktivitäten beinhaltete. Daher landete die mutmaßlich strafbare Cum-ex-Strategie auf seinem Tisch.

Die vielfältigen Eigenhandelsaktivitäten der Maple Bank unterteilten sich W. zufolge in Strategien mit quantitativen und fiskalischen Elementen, oftmals hätten sie beides beinhaltet. „Wenn jemand eine Idee für eine Strategie hatte, mit der man Geld machen könnte, musste ein ‚Approval Request‘ erstellt werden, an dem alle Fachabteilungen beteiligt wurden“, sagte er. Wessen Idee es war, die Gesetzeslücke in der deutschen Steuergesetzgebung im Rahmen der intern als „German Pair“ bekannten Strategie auszunutzen, weiß er nicht mehr. Aber sie missfiel ihm, was er in einer E-Mail an den angeklagten Vorstandschef der Maple Bank, Wolfgang Schuck, auch zum Ausdruck brachte.

Schuck, der am Montag in einer von seiner Verteidigung vorgetragenen Erklärung klarstellte, dass er von Anfang an wusste, dass der Profit aus den Cum-ex-Geschäften ausschließlich aus der Erstattung zuvor nicht gezahlter Steuern stammte, arrangierte daraufhin eine Telefonkonferenz mit Freshfields-Partner Ulf Johannemann, auf dessen rechtliche Einschätzung sich die Maple Bank bei der Entwicklung ihrer Cum-ex-Strategie verließ. Auch er ist angeklagt, das Verfahren ist jedoch abgetrennt. Die Maple Bank habe über keine Rechts- oder Steuerabteilung verfügt, sondern sich stets auf externe Rechtseinschätzungen verlassen.

Was genau besprochen wurde, vermochte Hugo W. 15 Jahre später nicht mehr zu sagen. Beeindruckt sei er jedenfalls von Johannemanns Überzeugungskraft gewesen, dem er ein „tiefes Verständnis des deutschen Steuersystems“ zuschrieb. Nach der Telefonkonferenz habe er die Geschäfte zwar immer noch nicht gemocht, aber zumindest nicht mehr für illegal gehalten.

Gegenpartei der Strategie

Die mehrfach auf verschiedene Weise vorgetragene Frage des Gerichts, ob MSUK bei den Transaktionen als Gegenpartei der Maple Bank agierte, verneinte der Zeuge schließlich. Sie sei vielmehr die „Gegenpartei der Strategie“ gewesen, die bewusst über die Börse abgewickelt worden sei, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Denn wie der Mitangeklagte Paul H. bereits im Sommer zu seiner Verteidigung betont hatte, tritt bei Leerverkäufen, die über die Handelsplattform Eurex abgewickelt werden, die Eurex Clearing AG als schuldrechtliche Kontrahentin auf (BZ vom 9.7.).

Das habe sich mit dem Ziel gedeckt, möglichst gruppenweit alle Preise marktgerecht zu stellen. Die Höhe der Gewinnbeteiligung der Händler und Manager bei den Cum-ex-Transaktionen orientierte sich indes nicht an den Börsengeschäften, sondern an den außerbörslich (Over the Counter, OTC) getätigten Absicherungsgeschäften. Auch den Grund dafür verschwieg Hugo W. nicht: „Bei OTC-Geschäften Preise zu stellen, ist eher eine Kunst als eine Wissenschaft.“ Bei den meist telefonisch abgewickelten OTC-Geschäften könne man bei der einen Bank einen völlig anderen Preis bekommen als bei der nächsten Adresse.

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