KommentarFinanzregulierung in Großbritannien

Der goldene Hammer

Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Der Finanzstabilitätsrat fordert von Nichtbanken, mehr Liquidität vorzuhalten.

Der goldene Hammer

Finanzregulierung

Der goldene Hammer

Von Andreas Hippin

Für Finanzaufseher gibt es offenbar nur eine Lösung: mehr Cash.

Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Das vielerorts Mark Twain zugeschriebene Zitat beschreibt in anschaulicher Weise das Vorgehen der globalen Finanzaufsicht. In ihrem Bestreben, eine Wiederholung der Finanzkrise von 2008 zu verhindern, haben die Regulierer eine Menge erreicht. Doch war von Anfang an nicht davon auszugehen, dass sich exakt dasselbe noch einmal abspielen würde.

Unerwartete Nebenwirkungen

Was der Finanzstabilitätsrat nun für Nichtbanken vorschreiben will, ähnelt dem, was Banken nach der Krise abverlangt wurde. Dabei gingen die jüngsten Verwerfungen an den Finanzmärkten oft auf Maßnahmen zurück, die von den Finanzaufsehern nach 2008 ergriffen wurden. Dazu gehört die Verlagerung eines wesentlichen Teils des Derivategeschäfts an regulierte Handelsplätze. Zentrale Gegenparteien sichern Marktteilnehmer gegen Ausfallrisiken ab. Dafür verlangen sie Sicherheiten. Eigentlich eine gute Idee. Doch als sich das Sars-CoV-2-Virus Anfang 2020 ausbreitete, sorgte die damit einhergehende Volatilität für enorme Nachschussforderungen der Handelsplatzbetreiber, die ihrerseits eine Gefahr für die Finanzstabilität darstellten.

Ob Nickel oder Gilts

Zu dieser unerwarteten Nebenwirkung der Regulierung kam es nicht nur einmal. Eine schiefgegangene Wette des chinesischen Milliardärs Xiang Guangda, die ihn zur Auflösung einer Short-Position zwang, trieb den Nickelpreis im März 2022 derart stark nach oben, dass die London Metal Exchange den Handel aussetzen musste. Marktteilnehmer sahen sich prompt mit Margin Calls in existenzbedrohender Höhe konfrontiert. Im Herbst 2022 sorgte ein nicht gegenfinanzierter Wachstumshaushalt der Regierung von Liz Truss für Spekulationen gegen das britische Pfund und britische Staatsanleihen (Gilts), deren Renditen durch die Decke gingen. Nachschussforderungen in Milliardenhöhe drohten Pensionskassen, die riskante Derivategeschäfte getätigt hatten, in den Ruin zu treiben.

Mehr Liquidität gefordert

Die Regulierer empfehlen den Nichtbanken nicht nur Stresstests, sondern auch mehr Liquidität vorzuhalten, um solchen Margin Calls nachkommen zu können. Banken müssen bereits hohe Kapitalanforderungen erfüllen. Die Aufsicht qualifiziert sich damit für den goldenen Hammer, den noch zu schaffenden Preis für Ideenlosigkeit in der Finanzregulierung. Selbstkritik fällt Aufsehern offenbar so schwer wie Notenbankern. Rechenschaftspflichtig ist der Finanzstabilitätsrat niemandem. Die Zeche zahlen diejenigen, die auf eine private Altersversorgung setzen oder in Fonds investieren. Ihre Rendite schrumpft, wenn die Vorgaben in die Tat umgesetzt werden.

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