IM INTERVIEW: THOMAS BOOK, EUREX

"Mifid II bietet uns Chancen"

CEO: Wir haben den Anspruch, die führende Derivatebörse für globale Indizes zu werden

"Mifid II bietet uns Chancen"

– Herr Book, wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung Ihres Geschäfts im bisherigen Jahresverlauf?Unsere Handelsumsätze haben sich im ersten Quartal in etwa auf Vorjahresniveau gehalten. Das ist angesichts des überaus starken Vorjahresquartals ein gutes Ergebnis. Das zweite Quartal hat sich bisher sehr positiv entwickelt. Unsicherheiten über die weitere Zinsentwicklung, aber auch politische Ereignisse wie die Wahl in Frankreich schaffen erhöhten Absicherungsbedarf für Anleger.- Wie haben sich die einzelnen Produktkategorien entwickelt?Unser Geschäft ist zum Teil zyklisch, aber wir sehen auch strukturelle Wachstumstreiber für den Börsenhandel von Derivaten. In den ersten Monaten haben die Umsätze der Anleihederivate begonnen, sich zu erholen. Besonders stark haben sich die Futures auf französische Staatsanleihen entwickelt. Hier gab es vor den Präsidentschaftswahlen hohen Absicherungsbedarf. Wir sehen gerade bei Zinsderivaten erhebliches zyklisches Potenzial. Wir befinden uns nach wie vor in einem Niedrigzinsumfeld, aber die Diskussion über ein Ende der Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank hat begonnen. Zudem ist die Volatilität an den Aktienmärkten derzeit niedrig.- Wo sehen Sie strukturelles Potenzial für Ihr Geschäft?Wir sehen steigende Umsätze von institutionellen Anlegern wie Fonds und Pensionskassen. So wachsen zurzeit die Umsätze der MSCI-Indexprodukte an der Eurex besonders stark. Die MSCI-Indexfamilie wird aufgrund ihrer globalen Abdeckung von institutionellen Anlegern als Benchmarks genutzt. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Trend zu passiven Investments in Form von ETF auch an der Eurex als Derivatebörse positiv widerspiegelt.- Wie schlagen Sie sich mit diesen Produkten im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?MSCI-Futures sind derzeit an vier Börsen gelistet, neben Eurex auf den Plattformen der Intercontinental Exchange in den USA und London sowie an der Singapore Exchange. Anfang 2015 hatten wir noch einen Anteil von 6 % am globalen MSCI-Futures-Geschäft bezogen auf die offenen Kontrakte (Open Interest). Dieser Anteil ist mittlerweile auf 30 % gestiegen. Erfreulicherweise wachsen wir somit auch deutlich stärker als unsere Wettbewerber. Im ersten Quartal hat der Umsatz unserer MSCI-Futures bereits um rund 170 % auf über 2,2 Millionen gehandelte Kontrakte im Jahresvergleich zugelegt. Nachdem zunächst nationale, dann europäische Indizes wie die Stoxx-Indexfamilie der Deutschen Börse als Derivate großen Erfolg hatten, steigt nun der Absicherungsbedarf bei globalen, breiten Indizes. Wir haben den Anspruch, die führende Derivatebörse für globale Indizes zu werden.- Wie viele MSCI-Produkte haben Sie, und wie wollen Sie dieses Geschäft weiterentwickeln?Derzeit bieten wir 76 Futures- und 15 Optionskontrakte auf MSCI-Indizes an, das größte Angebot weltweit und eine fast vollständige globale Abdeckung aller wichtigen Aktienmärkte. Wir planen bereits weitere Produkterweiterungen wie Total-Return-Futures für MSCI Indizes. Diese Produkte replizieren sogenannte Total Return Swaps, ein wichtiges Segment im weiterhin bedeutenden außerbörslichen Aktienderivatemarkt. Damit ziehen wir OTC-Volumen an, das bisher vollständig an Börsen und Clearinghäusern vorbei bilateral gehandelt wird. Vor einigen Jahren haben wir so bereits sehr erfolgreich den Handel von Dividenden-Swaps auf die Börse als regulierten Markt überführt.- Sie setzen also auf den Trend weg vom außerbörslichen hin zum börslichen Handel.Das ist ein wichtiger struktureller Trend, der regulatorisch gewollt ist. Die G 20 haben bereits 2009 als Lehre der Finanzkrise beschlossen, den Handel standardisierter OTC-Derivate auf Börsen und Clearinghäuser zu überführen. Die Reformen zielen darauf ab, Risikomanagement und Transparenz im Derivatehandel zu stärken. Dabei können wir als Eurex einen großen Beitrag leisten. Wir betreiben auf unserem System einen der global führenden Derivatemärkte mit transparenter Preisfindung und höchster Zuverlässigkeit. Die Eurex Clearing setzt weltweit Standards in Bezug auf Risikomanagement. Und unsere Kunden, beispielsweise Banken, sparen durch den Handel über zentrale Kontrahenten aufgrund der zentralen Verrechnung Sicherheitsleistungen und Kapitalanforderungen. Das wird verstärkt OTC-Geschäft an die Börsen bringen.- Welche weiteren Chancen bietet Ihnen die Regulierung?In den vergangenen Jahren wurden grundlegende Reformen der außerbörslichen Derivatemärkte auf den Weg gebracht, die teilweise noch immer in der Umsetzung sind. Nach der Emir-Regulierung tritt zum 3. Januar 2018 in Europa die Überarbeitung der Mifid, auch Mifid II, in Kraft, die den Handel in Finanzinstrumenten reguliert und nun auf Derivate ausgeweitet wird. Mifid II bietet uns Chancen, nämlich die Möglichkeit, neue Dienstleistungen anzubieten. Zum Schutz von Investoren wird etwa die Best-Execution-Anforderung im kommenden Jahr auf alle Derivate ausgeweitet. Eine Chance, unsere Stärke, höchste Liquidität und Transparenz zu bieten, einzusetzen. Potenzial bietet auch der sehr starke Trend weg vom telefonischen Geschäftsabschluss hin zu elektronischen Handelsplattformen, eine Kernkompetenz der Deutschen Börse. Die Eurex stand von Beginn an für Innovationsführerschaft. Das werden wir mit unseren Kunden fortsetzen. Strukturelle Umbrüche sind die beste Gelegenheit dazu.- Wie entwickeln sich die Volatilitätsprodukte?Auch das ist ein Segment, das auf zunehmendes Interesse der Marktteilnehmer stößt. Die Umsätze in unseren VStoxx-Kontrakten sind im ersten Quartal im Vorjahresvergleich um 100 % gestiegen. Das Volumen aller Volatilitätsprodukte der Eurex betrug 6,4 nach 3,2 Millionen Kontrakten im ersten Quartal 2016.- Wie wichtig sind für Sie die asiatischen Märkte?Die Eurex ist schon heute global aufgestellt. Nur noch 5,3 % unserer Umsätze kommen aus Deutschland, während die Bedeutung der asiatischen Märkte und der USA für uns kontinuierlich steigt. Anders als in Europa ist die Wachstumsdynamik in vielen asiatischen Ländern ungebrochen, und die Nachfrage nach unseren Produkten steigt. Daher zählt die Anbindung neuer Handels- und Clearingteilnehmer in Asien, aber auch den USA zu unseren Prioritäten. In den USA arbeiten wir insbesondere daran, weitere Teilnehmer als General Clearing Member zu gewinnen. In Asien wollen wir weitere direkte Handelsteilnehmer anschließen. Die Singapurer UOB ist als General Clearing Member angebunden, und die über sie laufenden Umsätze sind stark gewachsen.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.