GastbeitragEuropäische Krypto-Regulierung

Neue Regeln im Wilden Westen

Die europäische MiCA-Verordnung bringt Ordnung in den Kryptomarkt und schafft Rechtssicherheit für Anleger und Unternehmen. Mit einheitlichen Standards und klaren Regeln wird die Kryptowelt transparenter, schreibt Gastautor Bernd Oppold.

Neue Regeln im Wilden Westen

Neue Regeln im Wilden Westen

Bisher gleicht der internationale Kryptomarkt dem Wilden Westen: eine weite Prärie-Landschaft unzähliger digitaler Finanzprodukte ohne einheitliche Vorgaben, nur fragmentarisch unterbrochen von der Gesetzgebung einzelner Countys in Gestalt einiger Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mit dem Inkrafttreten der europäischen MiCa-Verordnung (Markets in Crypto Assets) wird sich das ändern: Das Gesetz hält Einzug in die Kryptowüste.

Stufenweise MiCA-Einführung

Durch die Regulierung des Kryptomarktes entsteht eine moderne rechtliche Infrastruktur, die Anleger und Unternehmen gleichermaßen absichert. Am 30. Juni treten zunächst die Titel III und IV der MiCA in Kraft, die vermögenswertreferenzierte und E-Geld-Token betreffen. Am 30. Dezember 2024 wird die MiCA vollständig rechtsverbindlich.

Unter nationaler Aufsicht

Grundsätzlich werden dann die nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten dafür verantwortlich sein, Emittenten sowie Dienstleister im Kryptouniversum, sogenannte Crypto Asset Service Provider (CASPs) zu beaufsichtigen. Die European Banking Authority (EBA) wird Emittenten „signifikanter“ vermögenswertreferenzierter Token und „signifikanter“ E-Geld-Token regulieren.

Standardisierte Produktbeschreibungen

MiCA verpflichtet Emittenten aller Kryptowerte in der Europäischen Union dazu, ihr Produkt lizenzieren zu lassen und standardisierte Produktbeschreibungen zu veröffentlichen. Diese sogenannten Whitepaper müssen in der Regel die zuständigen Bankenaufsichtsbehörden genehmigen. Haben sie diesen Prozess durchlaufen, gilt die Lizenz in der gesamten EU.

Zur Person

Bernd Oppold ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG. Er berät seine Kunden bei Wachstumsstrategien, strategischen Neuausrichtungen, Effizienzsteigerungs- und Digitalisierungsprojekten, Digital Assets sowie Reorganisation und Change Management in Transformationsprogrammen sowie Post-Merger-Integrationsprojekten.

Dienstleister, die etwa Kryptoassets handeln, tauschen oder verwahren, beantragen bei den nationalen Aufsichtsbehörden eine Lizenz nach MiCA-Standards, um ihre Leistungen am Markt anbieten zu dürfen. Eine erhaltene Lizenz kann durch Passporting zur Erschließung des europäischen Marktes genutzt werden.

Chance für Marktteilnehmer

Der Vorteil der Regulierung des Kryptomarktes liegt insbesondere im Verbraucherschutz: Allein die europaweit einheitliche Klassifizierung von Kryptowerten sorgt für Übersichtlichkeit und erleichtert die Orientierung maßgeblich. Die Whitepaper-Pflicht ermöglicht es Verbrauchern, die komplexe Welt der Kryptowerte besser zu verstehen.

Lizenzierte CASPs erlauben Anlegern die Nutzung regulierter Dienstleistungen im Kryptoumfeld. Zudem profitieren Anleger von einheitlichen Qualitätsstandards, klaren Zuständigkeiten und der Bankenaufsicht als Ansprechpartner im Beschwerdefall.

Rechtssicherheit für Anbieter

Trotz gesteigertem administrativem Aufwand blicken auch Emittenten von Kryptowerten und CASPs erwartungsvoll auf die europäische Regulierung des Kryptomarkts: Der Standard verschafft ihrem Geschäftsmodell Rechtssicherheit und garantiert europaweit die Legalität ihrer Produkte – wiederum einer der wichtigsten Faktoren für Investoren, die innovative junge Kryptounternehmen dringend brauchen. Bürokratische Hürden im Genehmigungsprozess werden durch die neue EU-Verordnung niedriger.

Offizielle Lizenzanträge von CASPs müssen gemäß den Vorgaben der MiCA von den Behörden innerhalb von 25 Arbeitstagen auf Vollständigkeit geprüft werden – die inhaltliche Prüfung eines vollständigen Antrags muss binnen 40 Tagen erfolgen. Für Firmen, die heute bereits auf der Basis nationaler Kryptorichtlinien auf den nationalen Märkten aktiv sind, gilt zudem eine Übergangsfrist bis 1. Juli 2026. In diesem Zeitraum können sie ihre bestehende nationale Lizenz in eine EU-weite Lizenz umwandeln, ohne in der Übergangsphase Geschäftsausfälle befürchten zu müssen.

Deutschland bleibt attraktiv

Was bedeutet die MiCA für klassische Institute? Banken sollten Kryptowerte in ihre Geschäftsstrategie einbinden und langfristig vorausplanen: Will ich mich um eine CASP-Lizenz bewerben? Welches Angebotsportfolio passt zu meinem Kerngeschäft und Kundenstamm? Will ich mich an Privat-, Geschäftskunden oder beide Zielgruppen wenden? Sind diese Fragen beantwortet, ist Deutschland auch nach der MiCA weiterhin ein attraktiver Markt für Kryptounternehmen.

Per Marktstandard in die Mitte der Gesellschaft

Der aktuelle Referentenentwurf des Gesetzes über die Digitalisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktdigitalisierungsgesetz, FinmadiG) berücksichtigt hierzulande das „qualifizierte Kryptoverwahrgeschäft“ – dieses umfasst auch sämtliche kryptografischen Instrumente, die aktuell gemäß KWG darunter fallen und in Zukunft nicht von der MiCA erfasst werden, einschließlich Security Token und anlageorientierten NFTs, die keine Serien/Sammlungen sind.

Durch die regulatorische Trennung von Kryptowerten (MiCA) und Wertpapieren (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID II) sowie Rechtssicherheit, Transparenz und Qualitätsstandards hat die Europäische Union derzeit global eine Vorreiterrolle. Gegenüber unregulierten Märkten wie etwa den USA bietet sie echte Standortvorteile für Marktteilnehmer im Kryptouniversum. Auch wenn an der Wall Street jüngst der erste Krypto-ETF zum Handel zugelassen wurde, werden Kryptowerte erst durch Marktstandards wie die MiCA in der Mitte der Gesellschaft ankommen.

Bernd Oppold

Partner im Bereich Financial Services bei KPMG