Robinhood räubert bei der Konkurrenz
Robinhood räubert bei der Konkurrenz
Aggressive Werbetaktik bringt Broker Milliarden-Kontotransfers ein – Zweifel an Stabilität der Zuflüsse
Der amerikanische Brokermarkt steckt nach mehreren Übernahmen und angesichts der restriktiven Geldpolitik im Umbruch. Nun wirbt die Trading-Plattform Robinhood aggressiver um Kunden etablierter Broker. Doch am langfristigen Erfolg der Werbetaktiken des jungen US-Unternehmens herrschen Zweifel.
xaw New York
Der US-Broker Robinhood wirbt der Konkurrenz die vermögenden Kunden ab. Zwischen dem 23. Oktober und der vergangenen Woche flossen der Trading-App 1,1 Mrd. Dollar durch Kontotransfers zu, wie aus Unternehmensveröffentlichungen hervorgeht. Bereits im zweiten und dritten Quartal hätten Kunden anderer Broker 350 und 375 Mill. Dollar zu Robinhood verschoben. Dass die Zuströme nun an Fahrt gewinnen, ist laut Analysten auf neue Promotionstaktiken der Plattform zurückzuführen.
Denn Robinhood gewährt seit Ende Oktober einen Bonus von 1% auf Kontotransfers. Wer also 1 Mill. Dollar von seinem Account bei Charles Schwab an die Trading-App leitet, erhält von dieser zusätzlich 10.000 Dollar. Aus Sicht vieler wohlhabender Marktteilnehmer stellt dies offenbar einen lohnenswerten Deal dar, sind viele der Neukundenkonten bei Robinhood doch deutlich schwerer als der bisherige Durchschnittsaccount. Über 150 Transfers überschritten nach Unternehmensangaben in den vergangenen acht Wochen die Millionenmarke.
Das vom bulgarisch-amerikanischen Unternehmer Vlad Tenev geführte Unternehmen wirbt in einer Phase aggressiv um Kunden, in der Amerikas Brokermarkt in einem Umbruch steckt. Mit Deals wie der Übernahme von TD Ameritrade durch Schwab und der Akquisition von E-Trade durch Morgan Stanley hat sich die Branche konsolidiert. Infolge der restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve und der angespannten Liquiditätssituation an den Finanzmärkten ist der Kampf um Kundenmittel zugleich intensiver geworden.
Schwab widerspricht
Schwab vermeldete im Zuge der Integration von TD Ameritrade über den Sommer einen "erwarteten" Abgang von Kunden. Allerdings widerspricht der führende US-Broker der Darstellung, er verliere "bedeutende" Mittel an Robinhood. Der Großteil der Neukunden des Herausforderers sei jünger als 40 Jahre – eine Sprecherin betonte, Nutzer schlössen sich mit zunehmendem Alter eher wieder etablierten Adressen im Markt an. Schwab hatte Ende November Mittel im Volumen von 8,2 Bill. Dollar in Verwahrung, die Wealth-Management-Sparte von Morgan Stanley verwaltete zum Abschluss der dritten Quartals insgesamt immerhin 4,8 Bill. Dollar an Kundenassets.
Robinhood kommt dagegen lediglich auf 94 Mrd. Dollar – will sich aber über den Status als Broker für Markteinsteiger hinaus entwickeln. Denn die monatlichen Handelserlöse auf der Plattform haben sich seit der Hochphase der Corona-Pandemie ungefähr halbiert. Zudem droht eine von der US-Börsenaufsicht SEC geplante Reform die Erlöse von Robinhood massiv zu beeinträchtigen. Denn die Behörde will die Praxis des Payment for Orderflow – in deren Rahmen Börsen und Handelsdienstleister Rückvergütungen an Broker zahlen, um Trades ausführen zu dürfen – einschränken.
Angesichts dieser Herausforderungen setzt Robinhood auf neue Produkte. So hat der Broker im laufenden Jahr Sparpläne für die Altersvorsorge eingeführt und ein Kreditkarten-Start-up übernommen. Auch die Zinsen auf Kundenmittel sind gestiegen. Zudem startete Robinhood im Mai ein Angebot, in dessen Rahmen Anleger ausgewählte Exchange-Traded Funds und Aktien an fünf Tagen die Woche rund um die Uhr handeln können. Investorenschützer kritisieren dies, da Privatanleger in der Regel schlecht gerüstet seien, um mit der Volatilität im außerbörslichen Handel umzugehen.
Promotion verlängert
Seit dem Start der neuen Promotionstaktik sind Robinhood nach Unternehmensangaben mehr Mittel zu- als abgeflossen, die Zahl der Konten habe sich per saldo erhöht. Genaue Zahlen zu Transfers von der Plattform zu Wettbewerbern legte der Broker aber nicht vor. Im zweiten und dritten Quartal standen noch Nettoabflüsse zu Buche. Das Ende des Bonusprogramms hat Robinhood vom 8. Dezember auf den 31. Januar verschoben. Kunden müssen ihre Mittel für zwei Jahre auf der Plattform belassen, um den Zuschlag von 1% realisieren zu können.