Deutsche Banken

Unmittelbar begrenzt, potenziell unbegrenzt

Obwohl deutsche Banken, mit Ausnahmen, ihre Exposures in Russland und der Ukraine in den vergangenen Jahren auf ein geringes Maß reduziert haben, sehen sie sich mit der Invasion Russlands in der Ukraine letztlich ungewissen Risiken ausgesetzt.

Unmittelbar begrenzt, potenziell unbegrenzt

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

 Unmittelbar sehr begrenzt, mittelbar potenziell unbegrenzt: So lassen sich die Risiken zumindest für die deutschen Finanzinstitute zu Beginn des Krieges in der Ukraine beschreiben. Seit Jahren hat die deutsche Kreditwirtschaft ihr Exposure, offenbar im Kielwasser der Annexion der Krim, in Russland und in der Ukraine reduziert. Laut Barkow Consulting summierte es sich im Dezember 2021 noch auf 6 Mrd. Euro oder 1% des Eigenkapitals; das war nicht einmal mehr ein Viertel des Volumens zur Zeit der Finanzkrise. In der Ukraine liegen beide Werte bei jeweils einem Zehntel davon.

Im Falle der beiden größten deutschen Institute Deutsche Bank und Commerzbank entfielen Ende Juni vergangenen Jahres laut DBRS Morningstar gerade einmal 0,2 % bzw. 0,3 % der Risikoaktiva auf Russland. Der Offenlegungsbericht der Deutschen Bank weist per Ende 2020 für die Ukraine eine Ausfallkredithöhe von netto 269 Mill. Euro aus und für Russland ein Exposure at Default von 1,041 Mrd. Euro. In der Commerzbank, die ihre Aktivitäten in Russland und in der Ukraine in der 135 Beschäftigte zählenden Tochter Commerzbank Eurasia zusammengefasst hat, entfielen 2020 noch 0,47 % des Gesamtexposures oder 2,7 Mrd. Euro auf Russland; Ende 2021 dürfte sich die Bank Richtung 2 Mrd. Euro bewegt haben. Im europäischen Maßstab sind beide Institute damit kleine Fische (siehe Grafik). Die Förderbank KfW teilte gestern auf Anfrage mit, das Russlandgeschäft sei „seit 2014 stark rückläufig, nicht sehr hoch und gut besichert“.

Unter den kleineren Häusern finden sich indes auch Gegenbeispiele. So lagen bei der vor allem in Südost- und Osteuropa aktiven Procredit Ende September 13% des gesamten Kreditportfolios oder rund 755 Mill. Euro in der Ukraine, wie das Frankfurter Institut auf Anfrage mitteilt. Das Eigenkapital der Gruppe betrug derweil 856 Mill. Euro. „Die Sicherheit unserer 328 Kolleginnen in der Ukraine steht in der jetzigen Lage für uns an oberster Stelle“, teilte das Haus mit. Sie seien gebeten worden, zu Hause zu bleiben und falls möglich von dort aus zu arbeiten.

„Unter Beobachtung“

Die BaFin hatte auf Anfrage schon vor gut zwei Wochen erklärt, sie beobachte „die Entwicklungen zwischen Russland und der Ukraine aus bankaufsichtlicher Perspektive“. Beispielsweise stünden „Kreditbeziehungen zu russischen Kreditnehmern unter Beobachtung“.

Fest dürfte stehen: Unabhängig vom Ausmaß ihres Exposures vergewissern sich zumindest alle größeren Institute derzeit ihrer Notfallplanung, zu welcher sie schon aufsichtlich angehalten sind. Deutsche Bank und Commerzbank erklärten am Donnerstag denn auch unisono, sie seien „für verschiedene Szenarien vorbereitet“.  Die für die direkte Beaufsichtigung der Großbanken zuständige EZB ist ebenfalls alarmiert. Wie Bloomberg zur Wochenmitte meldete, haben die Aufseher von in Russland tätigen Banken Einschätzungen zu den Risiken einer Eskalation in der Ukraine angefordert. Die Aufseher arbeiteten mit den Banken an der Einschätzung von Risiken für Liquidität, Kreditbücher, Handels- und Devisenpositionen sowie ihrer Fähigkeit, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, hieß es. Die modellierten Szenarien umfassten auch die Folgen einer Invasion.

Zu den potenziellen Weiterungen des Konflikts zählen neben den Folgen von Sanktionen etwa ein Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift, ebenso aber auch Cyberangriffe von russischer Seite auf Kreditinstitute in Europa. Mittelbar hätte eine Ausweitung des Krieges ebenfalls einschneidende Folgen. Dabei geht es vor allem um den Schutz von Beschäftigten. So betreibt die Deutsche Bank in der Ukraine seit 2009 eine Tochtergesellschaft mit knapp 40 Leuten, die Corporate-Banking-Dienste anbieten. In Russland zählt sie zugleich nicht weniger als 1700 Mitarbeiter, die in Moskau und St. Petersburg technische Lösungen und Software entwickeln. „Unsere Gedanken sind nun zuallererst bei den Menschen in der Ukraine, bei unseren Kollegen und Kunden“, teilte die Bank gestern mit. Zur Zukunft der Tochter in der Ukraine wollte sich ein Sprecher der Bank nicht äußern. Zugleich erklärte ihr Chef Christian Sewing in seiner Eigenschaft als Bankenpräsident für die Deutsche Kreditwirtschaft: „Die deutsche Kreditwirtschaft verurteilt in aller Schärfe den Angriff Russlands auf die Ukraine.“ 

Anleger flüchten aus RBI

Neben den Großbanken trieb der Beginn eines Krieges am Donnerstag alle anderen Akteure des Finanzsektors um. Bei einem Vermögensverwalter etwa war zu hören, es liege auf der Hand, dass diese Ereignisse sich über Börse und Wirtschaft auf das Vermögensverwaltungsgeschäft auswirken werden. Die Aktienquote sei daher reduziert worden.

Europaweit weisen die zypriotische RCB Bank, bis 2013 bekannt als Russian Commercial Bank (Cyprus), Raiffeisen Bank International (RBI), Ungarns OTP Bank, Unicredit, Société Générale, Intesa Sanpaolo und ING die höchsten Russland-Risiken aus, gemessen an den Risikoaktiva. So kommt RBI auf ein Exposure von 22,9 Mrd. Euro gegenüber dem russischen Staat bzw. Unternehmen oder Banken des Landes. Im Abschluss für 2021 hatte die Bank jüngst entsprechende Rückstellungen gebildet und seine Fremdwährungsabsicherung in Rubel erhöht. Der Aktienkurs des österreichischen Instituts  brach gestern um 24% ein.

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