Cum-ex

Berger nutzt Zeugenstand als Bühne

Knapp zwei Wochen vor dem Auftakt seines eigenen Prozesses am Landgericht Wiesbaden hat Steuerberater Hanno Berger im Zeugenstand Platz genommen. Beim Beantworten von Fragen belässt er es dabei nicht.

Berger nutzt Zeugenstand als Bühne

Von Anna Sleegers,

zzt. Wiesbaden

Die Frage, die ihm am wichtigsten ist, stellt Hanno Berger gleich am Anfang. „Wie viel Zeit habe ich“, fragt der einst renommierte Steuerberater, nachdem ihm die 6. große Strafkammer am Landgericht Wiesbaden zugestanden hat, zunächst seine Sicht auf die Dinge zu schildern. Es geht um die Cum-ex-Geschäfte der HypoVereinsbank (HVB) im Auftrag seines damaligen Mandanten Rafael Roth vor mehr als einem Jahrzehnt. Das Ende sei für den späten Nachmittag angesetzt, erwidert die Kammervorsitzende Kathleen Mittelsdorf. Dass sich der vollständig für seine Aussage reservierte Verhandlungstag leicht verkürzt, geht auf Bergers Konto. Bevor er den Zeugenstand am Morgen betritt, bedingt er sich mehrfach ein paar Minuten zusätzliche Vorbereitungszeit aus.

Auf der Anklagebank sitzen dort wegen des Verdachts der Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung seit mehr als einem Jahr die Kundenberater Andreas B. und Michael G. (Az. 6 KLs – 1111 Js 27125/12). Bergers Verfahren wurde abgetrennt, weil er nicht zur Eröffnung erschien. Nach der Auslieferung durch die Schweizer Justiz in diesem Frühjahr muss er sich voraussichtlich vom 2. Juni an dort ebenfalls verantworten – parallel zu dem bereits laufenden Prozess am Landgericht Bonn.

Berger, der gegenwärtig in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf in Untersuchungshaft sitzt, unterstreicht die große Belastung, der er ausgesetzt sei. Obwohl der 71-Jährige sich nach eigenen Angaben gerade erst von einer Corona-Infektion er­holte hat, sei er gezwungen worden, an der Verhandlung am Landgericht Bonn teilzunehmen. Daher habe es ihm an Zeit gefehlt, sich für die Zeugenaussage in Wiesbaden an­ge­messen vorzubereiten.

Vortrag gerät grundsätzlich

Daran, in seinem Vortrag grundsätzlich zu werden, hindert es ihn ebenso wenig wie die Ermahnung der Vorsitzenden, sich auf die für das Verfahren gegen die beiden Berater relevanten Aussagen zu beschränken. „Steuerrecht ist nichts für Moralisten“, doziert er leicht gönnerhaft. Es unterscheide nun mal nur zwischen legal und illegal. Und er, Berger, sei ein Wortlautfetischist. Als Steuerberater könne er daher seinem Mandanten nicht davon abraten, ein Geschäft zu machen, das der Gesetzestext erlaubt. Auch dann nicht, wenn es dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich widerspricht: „Das wäre ja Bevormundung.“

Wie schon in Bonn greift er lieber auf seine eigenen Unterlagen zurück als auf die allen zugänglichen Prozessakten. Die dafür eigens installierte Textkamera funktioniert mehr schlecht als recht, was ihm nicht weiter aufzufallen scheint. Vordergründig gibt er sich kooperativ, fragt immer wieder nach, ob er zu schnell spreche oder seine Ausführungen zu fachlich seien. „Ich glaube, wir haben uns alle mit dem Thema schon be­schäftigt“, versucht Mittelsdorf diese Sorge auszuräumen.

Sein verbindlicher Ton kann und soll wohl auch gar nicht über die Verachtung hinwegtäuschen, die Berger für „die Medien“, den handwerklich schlampigen Gesetzgeber und den aus seiner Sicht dysfunktionalen Rechtsstaat hegt. Folgt man seiner Darstellung, hat der ehemalige Regierungsdirektor die Frankfurter Finanzverwaltung nicht des Geldes wegen verlassen. Sondern weil er die dilettantische Steuergesetzgebung nicht mehr ertrug.

Inzwischen hätten die Medien die Oberhoheit über den Cum-ex-Komplex gewonnen, sagt Berger: „Leider auch mithilfe der Staatsanwaltschaft.“ In den vergangenen Jahren waren immer wieder vertrauliche Dokumente der Presse zugespielt worden, die unter anderem aus der Anklageschrift zitiert hatte. „Gehen Sie bitte nicht davon aus, dass stimmt, was in den Medien steht“, sagt Berger das geradezu beschwörend.

Anders als die bisherigen Zeugen beschränkt sich Berger nicht auf das, was er zum Tatzeitpunkt wusste. Ihm geht es vielmehr explizit darum, das Gericht an seinem „gewachsenen Wissen“ teilhaben zu lassen und Details zu erläutern, von denen er damals nichts wusste. Dabei zielt er offensichtlich darauf ab, Ankläger und Mitglieder der Kammer zwischen den Zeilen klein erscheinen zu lassen. Etwa, indem er einen Partner einer internationalen Kanzlei zitiert und süffisant darauf verweist, dass dieser einem der anklagenden Staatsanwälte als dessen früherer Vorgesetzter ja bestens bekannt sein müsste. Oder indem er sich damit brüstet, dass Monika Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof (BFH), ihn in einem Fachaufsatz zitiert.