LeitartikelEnergiewende

Stromnetzausbau bei Tennet in Gefahr

Tennet steht nach dem geplatzten Milliardendeal ohne die Bundesregierung da. Private Investoren für die Finanzierung der Stromautobahnen zu finden, wird wegen der niedrigen Eigenkapitalverzinsung der Bundesnetzagentur schwierig.

Stromnetzausbau bei Tennet in Gefahr

Tennet-Deal

Stromnetzausbau in Gefahr

Tennet steht nun ohne die Bundesregierung da. Private Investoren für die Stromautobahnen zu finden, wird schwierig.

Von Christoph Ruhkamp

Die Energiewende braucht Stromautobahnen von den Windrädern im Norden zu den Fabriken im Süden. Daran gibt es keinen Zweifel. Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, dem der Löwenanteil dieser Aufgabe zukommt, muss das Geld dafür nach dem gescheiterten Deal mit der Bundesregierung nun bei privaten Investoren auftreiben. Das wird nicht gerade einfach werden. Eigentlich wollte der Bund über die Staatsbank KfW für 22 Mrd. Euro den deutschen Teil von Tennet übernehmen. Dann hätte auch der Netzausbau beschleunigt vorangetrieben werden können. Bisher kommt der Ausbau auch deshalb schleppend voran, weil der niederländische Staat als weiterhin alleiniger Anteilseigner von Tennet verständlicherweise kein gesteigertes Interesse daran hat, die deutsche Energiewende vorzufinanzieren. Der Netzausbau von Tennet, sowohl an Land als auch auf See, erfordert Investitionen in bisher nicht dagewesenem Umfang. Allein der kürzlich angekündigte Zehn-Jahres-Investitionsplan des Konzerns für den Zeitraum bis 2033 beläuft sich auf 160 Mrd. Euro. Die gigantische Summe wird natürlich in erster Linie durch Fremdkapital über Anleihen und Kredite aufgebracht. Aber ein bedeutender Teil muss auch durch Eigenkapital finanziert werden – und genau hier liegt das Problem.

Als mögliche Lösung für den Eigenkapitalbedarf des deutschen Teils von Tennet hat der Stromnetzkonzern zwei Jahre lang die Möglichkeit eines vollständigen Verkaufs seiner deutschen Aktivitäten an die KfW geprüft und darüber verhandelt. Auf deutscher Seite agierte die Citigroup als Berater, auf niederländischer Seite waren ABN Amro und die Deutsche Bank engagiert. Eine Einigung kam (bisher) nicht zustande. Erst hatte das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Klimafonds die finanziellen Möglichkeiten der Bundesregierung beschränkt. Inzwischen ist auch dazugekommen, dass im nächsten Haushalt 20 Mrd. Euro eingespart werden müssen. Ausgerechnet ungefähr die Summe, die man für die Übernahme des deutschen Teils von Tennet bräuchte. Der Bund ist über Weisungsgeschäfte der KfW bereits an den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz und Transnet BW mit 20% bzw. 24,9% beteiligt. Somit wäre der Nukleus für eine etwaige staatliche Deutsche Netz AG schon vorhanden. Das grüne Wirtschaftsministerium hätte das Geld für den Tennet-Deal wohl auftreiben wollen. Doch der FDP-Finanzminister und der SPD-Kanzler sehen darin keine Priorität.

Verzinsung gilt als unattraktiv

Tennet beabsichtigt daher neuerdings, „auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlichen oder privaten Kapitalmarktes zu prüfen, um den Eigenkapitalbedarf für das deutsche Geschäft zu decken“. Es sollen also private Investoren den Netzausbau finanzieren. Auch Finanzinvestoren wie Macquarie, Brookfield oder KKR kämen somit infrage. Doch die strömen zurzeit nicht gerade in Scharen herbei, wenn es um die Finanzierung deutscher Übertragungsnetze geht. Der Grund: Die nahezu risikolos erzielbare Rendite auf US-Staatsanleihen hat in den vergangenen zwei Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen im Vergleich zur Eigenkapitalverzinsung für Stromnetze, die von der Bundesnetzagentur gewährt wird.

Der Eigenkapitalzinssatz für Neuinvestitionen soll sich künftig aus einem jährlich variablen Basiszins zuzüglich eines konstanten Wagniszuschlags von aktuell rund 3% ergeben. Bislang wurde für den Basiszins der Zehnjahresdurchschnitt der Umlaufrendite herangezogen. So würde der Eigenkapitalzinssatz im Kapitalkostenabgleich aufgrund der Prognose im vergangenen Sommer laut Bundesnetzagentur etwa 7,09%, inklusive Gewerbesteuer etwa 8,1% betragen. Für Investoren scheint das nicht übermäßig attraktiv zu klingen. Bei Amprion jedenfalls verabschiedeten sich im Januar zwei der Anteilseigner aus dem Kreis der Miteigentümer – deutsche, langfristig orientierte institutionelle Investoren. Die Pensionskasse Degussa und der Schweizer Lebensversicherer Swiss Life stellten Anteile an dem Unternehmen mit Sitz in Dortmund zum Verkauf. Das zeigt: Es steht zu befürchten, dass es bei Tennet und den übrigen drei Übertragungsnetzbetreibern ohne die Übernahme durch den Staat und bei gleichbleibend niedriger Eigenkapitalverzinsung nur noch zu einem gebremsten Netzausbau kommt.