Stahlindustrie

Thyssenkrupp steckt im Umbau

Wie weit ist der Konzernumbau von Thyssenkrupp gediehen? Um diese Frage geht es, wenn der Traditionskonzern am kommenden Donnerstag Bilanz über das im September abgelaufene Geschäftsjahr 2020/21 zieht.

Thyssenkrupp steckt im Umbau

ab Düsseldorf

Wie weit ist der Konzernumbau von Thyssenkrupp gediehen? Um diese Frage geht es, wenn der Traditionskonzern am kommenden Donnerstag Bilanz über das im September abgelaufene Geschäftsjahr 2020/21 zieht. Operativ, so viel steht fest, ist 2020/21 deutlich besser gelaufen als das Coronajahr, das einen operativen Verlust von 1,6 Mrd. Euro beschert hatte. Schon nach neun Monaten hatten die Essener ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 564 Mill. Euro eingefahren, und seither hat die konjunkturelle Dynamik ja keineswegs nachgelassen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass Thyssenkrupp unverändert mitten im Umbau steckt. Zwar wurden bei der Portfoliobereinigung im abgelaufenen Turnus große Fortschritte erzielt. Vollständig abgearbeitet ist die Verkaufsliste der in Multi Tracks gebündelten Geschäfte jedoch nicht. Neben zwei kleineren Automotive-Einheiten steht der Chemieanlagenbau mit Ausnahme des Geschäfts zur Wasserelektrolyse – neben der Suche nach einem Partner hatten die Essener hier zuletzt sogar einen Börsengang ins Spiel gebracht – zur Disposition. Gleiches gilt für den Zementanlagenbau, für den der Verkaufsprozess mangels attraktiver Gebote allerdings auf Eis gelegt wurde.

Auf die aus Investorensicht viel entscheidendere Frage, wie es mit der Stahlsparte weitergeht, wird es aber auch in der kommenden Woche keine zufriedenstellende Antwort geben. Zwar beschäftigt sich der Vorstand seit geraumer Zeit mit der Frage, ob die Sparte via Spin-off aus dem Konzern herausgelöst wird. Für die Entscheidung will man sich in Essen jedoch bis ins Frühjahr Zeit nehmen.

Dessen ungeachtet dürfte die Stahlsparte in der nächsten Woche einmal mehr im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Nicht nur, weil dort ein Viertel der Konzernbelegschaft zu Hause ist, sondern auch weil das Stahlgeschäft maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg des Konzerns entscheidet. Zwar hat sich auch Steel Europe nach dem schweren Rückschlag im vorigen Jahr wieder in die schwarzen Zahlen zurückgekämpft, auf Augenhöhe mit Wettbewerbern operiert die Stahlsparte jedoch noch lange nicht.

Während sich die Konkurrenz aufgrund der Knappheiten bei dem Werkstoff seit Sommer einen Wettlauf im Anheben der Prognosen liefert, ist Thyssenkrupp in langlaufenden Lieferverträgen gefangen und kann dadurch erst mit Zeitverzug von den gestiegenen Absatzpreisen profitieren. Um welche Zeiträume es dabei geht, könnte sich kommende Woche zeigen. Die gestiegenen Rohstoffpreise schlagen sich dagegen auch bei Thyssenkrupp direkt im Working Capital nieder und belasten den Cash-flow. Noch gut in Erinnerung ist, wie groß die Enttäuschung im Sommer war, als Thyssenkrupp die Prognose für den freien Cash-flow eindampfte. Statt des annoncierten Mittelabflusses in der Größenordnung von 1 Mrd. Euro könnten es bis zu –1,5 Mrd. Euro werden. Damit gerät die Hoffnung auf eine Dividendenausschüttung weiter außer Sichtweite. Es wäre der dritte Dividendenausfall in Folge.

Doch selbst wenn es Thyssenkrupp gelänge, den Mittelabfluss zu stoppen, wäre damit nicht zwangsläufig die Rückkehr zu Dividendenzahlungen verbunden. Denn am Umbau der Stahlindustrie hin zu klimaschonender Produktion führt kein Weg vorbei, zumal die Rufe der Abnehmerindustrien nach grünem Stahl immer lauter werden. Thyssenkrupp muss aufpassen, nicht noch weiter ins Hintertreffen zu geraten. Für die Transformation sind Milliarden an Investitionen nötig. Dass diese, wie von Stahlindustrie und Gewerkschaft gewünscht, zu einem guten Teil aus dem Staatssäckel kommen, ist eine gewagte Wette.

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