Finom will den KMU-Banking-Markt aufrollen

Mitte Oktober ist das B2B-Fintech Finom in Deutschland gestartet. Es offeriert Services für Buchhaltung, Rechnungsstellung, Steuererklärung, Finanzmanagement und Banking für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) sowie Freiberufler und Kleinunternehmer. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert Mitgründer Konstantin Stiskin die Ausrichtung, Ziele und Perspektiven des Start-ups.

Finom will den KMU-Banking-Markt aufrollen

Von Franz Công Bùi, Frankfurt

Der Bereich der All-in-one-Finanzverwaltungs- und Bankdienstleistungslösungen für Selbständige und KMUs gilt als noch nicht so digitalisiert wie das Privatkundengeschäft. Zudem liegt die Bereitschaft bei Firmenkunden, Kontogebühren zu zahlen, höher als bei Retailkunden. Mitte Oktober ist das in Amsterdam domizilierende B2B-Fintech Finom in Deutschland in diesem Marktsegment gestartet und offeriert Services für Buchhaltung, Rechnungsstellung, Steuererklärung, Finanzmanagement und Banking für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) sowie Freiberufler und Kleinunternehmer.

Hart umkämpfte Nische

Doch mit seinen Diensten tummelt sich Finom in einer hart umkämpften Nische, die bereits von Anbietern wie Penta, Qonto, Kontist, Holvi, Tide oder Vanta besetzt ist. Auch etablierte Institute wie zum Beispiel die Deutsche Bank mit Fyrst entwickeln digitale Firmenkundenbanken. Und manche Neobanken wie die britische Starling zielen sowohl auf Privat- als auch auf Geschäftskunden ab.

Eine Sättigung dieses Bereichs sowie eine Marktbereinigung sind mittelfristig absehbar. Zudem ist es trotz des europäischen Binnenmarktes kein triviales Unterfangen, ein grenzüberschreitendes Banking-Angebot für Unternehmer zu erschaffen. So hat beispielsweise der Penta-Chef Marko Wenthin im Juli mit Verweis auf die Besonderheiten und Komplexität der nationalen Steuergesetze die Italien-Expansion für gescheitert erklärt und den Rückzug aus diesem Markt angekündigt.

Europa im Visier

Finom-Mitgründer Konstantin Stiskin zeigt sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung dennoch überzeugt, dass der Markteintritt hier und in weiteren europäischen Ländern gelingen wird. Der KMU-Banking-Markt in der EU verfüge über ein Volumen von mehr als 100 Mrd. Euro.

Und einer McKinsey-Studie zufolge würden europäische Gründer 74% ihrer Zeit mit Aktivitäten verbringen, die nicht zu den Kerntätigkeiten eines Gründers zählen. Obendrein würden sie für teure und unbequeme Produkte bezahlen, führt Stiskin aus.

Es gebe 5500 Banken in Europa, doch lediglich etwa 30 Neobanken. Die brächten jedoch beim Ansatz, sich in den Alltag der Kunden zu integrieren, viele Vorteile mit, zum Beispiel niedrigere Transaktionskosten, geringere Operational Costs und technologische Effizienz.

Open- und Multibanking

Bei Finom können Unternehmen und Selbständige in wenigen Schritten online ein Geschäftskonto einrichten und umgehend mit der Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung beginnen. Das funktioniert sowohl über eine Desktop-Anwendung als auch mit einer mobilen App. Hierzu bietet das 2019 gegründete Start-up wie die Konkurrenz auch ein intelligentes Dashboard mit Open-Banking-Funktionalitäten und Multibanking an.

Über das Modul „Team“ lassen sich für ein Firmenkonto mehrere Benutzer mit unterschiedlichen Rollen und Rechten bestimmen, so dass ein Buchhalter etwa Zugang zum Konto erhält, damit er mit der Bank interagieren kann. Eine Transaktion könne so in das Buchhaltungssystem geladen und dann bei der Bank angestoßen werden. Gleiches gelte zum Beispiel für die Anweisung der Steuerzahlung oder für den Materialkauf. Der Antrag werde vom Mitarbeiter online eingereicht, so dass der Geschäftsführer das im Browser oder in der App sehen, bestätigen und dann den Geldtransfer einleiten kann.

Haupt- und Unterkonten

Damit habe der Geschäftsführer die totale Kontrolle über den Geldfluss. Für die Haupt- und Unterkonten für Mitarbeiter (Wallets) operiert Finom mit deutschen IBANs. Zudem gibt es virtuelle Business-Debitkarten von Visa, die an die Mitarbeiter vergeben werden können. Physische Karten kämen optional dazu.

Auch elektronische Rechnungen ließen sich Stiskin zufolge mit dem System rasch erstellen. Das integrierte Abstimmungssystem gleiche anschließend den Zahlungseingang mit den erstellten Rechnungen in Echtzeit ab. Und bei säumigen Schuldnern ließen sich automatisierte Mahnungen für fällige Zahlungen einrichten. Mit diesem Invoicing-Service sei es zudem möglich, eingehende Ratenzahlungen automatisch abzugleichen, die sonst manuell überprüft werden müssten. Das reduziere die Zeit, die ein Gründer damit zubringen muss, administrative Tätigkeiten zu erledigen, anstatt sich um Vertriebliches oder Kundenkommunikation zu kümmern.

„Wir wollen eine Basis für KMUs und ihr alltägliches Geschäft bilden und Banking, Buchhaltung sowie Finanzmanagement mit einem einzigen Produkt abdecken“, erklärt Stiskin. Im Moment würden die Kunden unter all den bürokratischen Anforderungen, den Finanzmanagementanforderungen und noch vielem mehr leiden. Bei einer „One-Man-Show“ müsse man sich aber auf Vertriebliches fokussieren und habe keine Zeit, sich um den Papierkram oder um das Regulatorische, die Bürokratie, zu kümmern. Doch auch das müsse erledigt werden.

Gestartet ist das Fintech im April mit einem E-Invoicing-Service zur Rechnungsstellung in Italien. Parallel zum Start in Deutschland ist Finom im Oktober in Frankreich an den Markt gegangen, in Zusammenarbeit mit dem französischen Ban­king-as-a-Service-Start-up Treezor.

Technologie der Solarisbank

In Deutschland setzt Finom auf die Banking-Technologie und Lizenz der Berliner Solarisbank. Daneben be­stehen Kooperationen mit der kanadisch-britischen Salt Edge für Open-Banking-Lösungen und Iubenda aus Mailand für digitale Compliance-Dienstleistungen für KMUs.

In der mittleren Frist stehen Länder wie die Niederlande, Polen, Spanien, Österreich und die Schweiz auf der Expansionsliste. Aktuell zähle Finom ungefähr 60 bis 70 Mitarbeiter, verstreut in der ganzen Welt, denn im Corona-Umfeld sei entschieden worden, keine Büros zu betreiben. In Deutschland gebe es derzeit fünf Mitarbeiter, unter anderem einen Head of Product, der in Berlin sitzt.

Laut Stiskin ist es das Ziel, das Leben von rund 36 Millionen europäischen Unternehmern und Freelancern zu verändern, die sich von traditionellen Akteuren unterversorgt fühlen. Binnen fünf Jahren sollen demnach über eine Million Geschäftskunden in ganz Europa erreicht werden.

16,8 Mill. Euro eingeworben

Darauf angesprochen, warum der avisierte Marktanteil von 3% so bescheiden ausfällt, entgegnet Stiskin: „Bei Fintechs, die auf das Geschäft mit Verbrauchern abzielen, geht es natürlich darum, so schnell wie möglich viele Kunden zu gewinnen. Aber wenn man im Business-Segment operiert, kommt es eher darauf an, eine nachhaltige Infrastruktur aufzubauen. Im Finanzbereich findet eine Evolution statt, die viele Jahre dauern wird. Das, was wir in den ersten fünf Jahren aufbauen und erschaffen, ist bloß der Anfang. Wir sind also nicht bescheiden, sondern vorsichtig beim Umsetzen von vernünftigem und nachhaltigem Wachstum.“ Das Unternehmen hat in zwei Pre-Series-A-Finanzierungsrunden im April und September bislang 16,8 Mill. Euro an Investorengeldern eingesammelt.

51% davon stammen von deutschen Geldgebern, darunter Target Global, Avala Capital und den Gründern der Berliner Zinsplattform Raisin (Weltsparen), Tamaz Georgadze, Frank Freund und Michael Stephan. Weitere Hauptinvestoren sind unter anderem Cogito Capital (Polen), Entree Capital (Israel), Tal Capital (USA) und Adfirst Ventures (Zypern) sowie der US-Fonds General Catalyst, der auch am Insurtech Lemonade und dem Payment-Anbieter Stripe beteiligt ist. Derzeit seien indes keine weiteren Finanzierungsrunden ge­plant, denn es gehe nicht um den Aufbau eines Hypergrowth-Start-ups, sondern um eine sehr nachhaltige Basis, wie Stiskin erläutert: „Wir haben keine Roadmap, was Finanzierungsrunden angeht. Und wenn wir Kapital einwerben, dann nur, wenn wir wissen, was wir mit dem Geld anfangen wollen. Die erste Runde diente der Produktentwicklung und dem Markteintritt. Die zweite Runde war für Lizenzen und andere Aufgaben, die wir erreichen wollten.“ Und jedes Produkt werde so entwickelt, dass es nicht in den nächsten drei oder fünf Jahren neu gebaut oder grundlegend nachgerüstet werden muss.

Das Geschäftsmodell umfasst mehrere Teile. Eines davon beruht auf Subskriptionsbasis, ein anderer Teil auf Interchange-Gebühren, von denen ein Anteil an Finom fließt, wenn deren Kunden die Karten einsetzen. Die ersten 1000 Kunden pro Markt erhalten ihr Finom-Konto für immer kostenlos, für die anderen werden je nach Leistungsumfang monatlich 7 bis 130 Euro fällig.

Darlehen keine Priorität

Kredite möchte Finom derweil zumindest in naher Zukunft nicht vergeben, auch wenn Stiskin konzediert, dass das Kreditgeschäft für KMUs und Freiberufler, besonders im aktuellen wirtschaftlichen Um­feld, eine große Bedeutung hat: „In der Tat sagen uns Kunden, dass sie Darlehen etc. benötigen. Ich denke aber nicht, dass wir das selbst zeitnah anbieten werden. Und wenn, dann wahrscheinlich mit einem Partner und frühestens Mitte nächsten Jahres. Das hat für uns keine hohe Priorität.“ Darlehen seien in diesem Umfeld, bei den Zinsen und wegen der Pandemie, nicht sonderlich profitabel.

Mittelfristig Banklizenz

Eine eigene Banklizenz in einem EU-Land zu beantragen, ist ebenfalls eher ein Mittelfristziel: „Wir hätten durchaus gerne eine europäische Banklizenz, die wir dann in allen EU-Staaten nutzen können, aber das ist ein langer und sehr teurer Prozess. Ich gehe davon aus, dass wir erst in zwei oder drei Jahren eine Lizenz haben werden“, so Stiskin.

Derzeit liegt der Fokus auf der Gewinnung von Kunden. Dazu gebe es einige weitere Programme wie zum Beispiel, dass Kunden, wann immer sie ihre Finom-Karte verwenden, ein Cash-back erhalten, mit dem sie machen können, was sie wollen.

Angesprochen auf die durch die Covid-19-Pandemie erschwerten Rahmenbedingungen, räumt Stiskin ein, dass aufgrund der Coronakrise die Zielgruppe durchaus andere Sorgen habe, als einen neuen Anbieter für ihre Bankgeschäfte auszuprobieren: „Auf der einen Seite leiden derzeit viele kleine Unternehmen, und Freischaffende und müssen sich um viele Dinge kümmern. Auf der anderen Seite jedoch besteht kaum noch Bereitschaft, physisch zur Bank zu gehen, eher soll jeglicher physischer Kontakt vermieden werden. Das macht unsere Services attraktiver für diese Zielgruppe.“

Überdies gehe er davon aus, dass es auch gerade in großen Firmen sehr wahrscheinlich zu einem Stellenabbau kommen wird. Und manche der Betroffenen würden in naher Zukunft entweder Freiberufler oder Gründer von kleinen Unternehmen werden. „Und die wollen wir abholen. Daher denke ich, dass sich in der mittleren Frist mehr positive als negative Aspekte für uns daraus ergeben werden.“

Modulbank-Gründer an Bord

Stiskin hat Finom zusammen mit Oleg Laguta, Yakov Novikov und Andrey Petrov ins Leben gerufen. Die drei hatten bereits die Modulbank gegründet, eine ebenfalls auf kleine und mittlere Unternehmen spezialisierte Neobank, die 2014 in Russland entstanden ist. Stiskin betont: „Wir sind kein Fintech, weil es Mode ist, sondern wir, die Gründer, sind bereits seit mehr als zehn Jahren auf verschiedene Weise in Fintechs involviert.“

Stiskin selbst habe viel in Fintechs investiert und bei manchen auch im Board gearbeitet. Seine Partner seien mehr als zehn Jahre in Banken tätig gewesen und hätten dann selbst eine gegründet.

Profitabilität nicht Hauptziel

Den Angaben zufolge hat die Modulbank in Russland mehr als 255000 Kunden und arbeitet profitabel. Demnach machte sie im vergangenen Jahr etwa 60 Mill. Dollar Umsatz bei einem Gewinn von mehr als 10 Mill. Dollar. Nach dem Verkauf ihrer Anteile im vergangenen Jahr wollen die drei Gründer nun gemeinsam mit Stiskin in Zentraleuropa reüssieren. Er unterstreicht hierbei, dass der komplette Neustart mit Finom losgelöst von der Modulbank wichtig sei, um den europäischen Regulierungsbehörden klarzumachen, dass Finom ein zu „100% europäisches Start-up“ ist. Ein Break-even wie bei der Modulbank ist dem Gründer zufolge zwar relativ zeitnah möglich, habe aber nicht die höchste Priorität: „Wir könnten in den nächsten zwei bis drei Jahren profitabel sein, aber Profitabilität ist nicht das Hauptziel.“ Die Finanzen würden mit Umsicht gemanagt, damit das Verhältnis zwischen Burn Rate und schnellstmöglichem Wachstum ausgeglichen ist.

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