Sebastian Mack

Green Finance: Transparenz allein rettet uns nicht

An Green Finance kommt derzeit niemand vorbei. Fondsanbieter werfen einen Nachhaltigkeitsfonds nach dem anderen auf den Markt, Banken wollen bei der Klimaschutzfinanzierung groß mitmischen und sogar die EU gibt bald grüne Anleihen aus. Dass die...

Green Finance: Transparenz allein rettet uns nicht

An Green Finance kommt derzeit niemand vorbei. Fondsanbieter werfen einen Nachhaltigkeitsfonds nach dem anderen auf den Markt, Banken wollen bei der Klimaschutzfinanzierung groß mitmischen und sogar die EU gibt bald grüne Anleihen aus. Dass die Klimawende nicht ohne den Finanzsektor gelingt, hat auch die europäische Politik erkannt. Neue Gesetze sollen Umweltrisiken transparent machen und Investoren vor Etikettenschwindel schützen.

Das ist wichtig. Unseren Planeten retten wird es aber nicht. Wenn es die Politik ernst meint mit Green Finance, dann muss sie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds zwingen, die finanziellen Risiken aus dem Klimawandel einzupreisen. Das Geschäft mit umweltschädlichen Aktivitäten wäre dann weniger rentabel. Das wird einigen Branchen wehtun, ist aber wie die Bepreisung von CO2 eine Notwendigkeit für die Klimawende – und den Finanzsektor selbst.

Es ist verheerend, dass trotz des Booms nachhaltiger Geldanlagen das Gros des Kapitals immer noch in klimaschädlichen Projekten steckt. Das liegt vor allem daran, dass die Finanzbranche Klimarisiken systematisch unterschätzt. Um die Gefahr finanzieller Verluste möglichst klein zu halten, verwenden Finanzunternehmen Risikomodelle. Sie schlagen Alarm, wenn Risiken zu groß werden und zwingen die Unternehmen zum Gegensteuern. Die Risiken aus dem Klimawandel erfassen diese Risikomodelle bisher aber nur unzureichend. Obwohl wetterbedingte Naturkatastrophen wie Stürme und Überschwemmungen große Sachschäden anrichten und den Warenhandel abrupt lahmlegen können. Und obwohl der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft einen Großteil der fossilen Brennstoffe und der damit verbundenen Geschäftsmodelle wertlos machen wird. In den Risikomodellen kommt all das nicht vor, denn der Klimawandel vollzieht sich jenseits von Konjunktur- und Kreditzyklen. Niemand kann vorhersagen, wann die Verluste eintreten und in welcher Höhe. Bekannt ist nur, dass sie dramatisch sein werden, wenn jetzt nichts passiert.

Mit dem Ziel, Klimarisiken im Finanzsektor sichtbar zu machen, arbeiten Politik und Regulierungsbehörden weltweit an Maßnahmen für mehr Transparenz. Die EU hat ein System auf den Weg gebracht, mit dem Aktivitäten als nachhaltig klassifiziert werden können. Die sogenannte grüne Taxonomie soll dem weit verbreiteten Etikettenschwindel einen Riegel vorschieben: Grün dürfen sich dann nur noch solche Unternehmen und Finanzprodukte nennen, die auch wirklich nachhaltig sind. Transparenz soll aber nicht nur Kleinanlegern helfen, sich im Nachhaltigkeitsdschungel zu orientieren. Unternehmen innerhalb und außerhalb des Finanzsektors müssen in naher Zukunft ihre Umweltrisiken nach einheitlichen Regeln bewerten und offenlegen. Das soll alle Marktteilnehmer für den Klimawandel sensibilisieren und sie zu nachhaltigen Investitionsentscheidungen ermutigen.

Das ist ein gutes und wichtiges Unterfangen. Aber mehr Transparenz über Nachhaltigkeit reicht nicht aus, um die Investitionen zu tätigen, die zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad nötig sind. In einer Marktwirtschaft entscheidet in erster Linie die Rendite darüber, welches Projekt finanziert wird.

Die wichtigste Stellschraube, um klimaschädliche Investitionen finanziell unattraktiver zu machen, ist eine ambitionierte und gleichzeitig verlässliche Klimapolitik. Doch die ist die Politik bislang schuldig geblieben. Bis 2050 will die Europäische Union klimaneutral sein. Aber wie hoch wird der CO2-Preis im Jahr 2035 sein und wie viel CO2 dürfen neue Autos dann noch ausstoßen? Ohne klare Ansage in der Klimapolitik haben Unternehmen keine Planungssicherheit und dem Finanzsektor fehlen wichtige Daten, mit denen er seine Risikomodelle füttern kann.

Damit der ökologische Umbau der Wirtschaft gelingt und die Finanzbranche ihre Risiken aus dem Klimawandel reduziert, sollte die Politik aber auch in der Finanzmarktregulierung alle Register ziehen: indem sie Finanzunternehmen verpflichtet, Klimarisiken mit Eigenkapital zu hinterlegen. Dann werden Bankkredite für nicht nachhaltige Projekte teurer. Und die Finanzierungskosten von Pensionsfonds und Versicherungen, die das Geld ihrer Versicherten in umweltzerstörende Sektoren pumpen, steigen.

In den Kinderschuhen

Noch stecken Gesetze zur Bepreisung von Klimarisiken im Finanzsystem in den Kinderschuhen. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) wird Mitte des Jahres berichten, wie Klimarisiken in die Praxis von Bankaufsehern integriert werden können. Verpflichtend werden die Empfehlungen der EBA aber erst, nachdem sie die langwierige europäische Gesetzgebungsmaschine durchlaufen haben.

Bei Versicherungen und Pensionsfonds gibt es für eine verbindliche Regulierung von Umweltrisiken derzeit noch nicht einmal einen Fahrplan. Klimarisiken länger auszublenden ist aber keine Option: weder für den Erhalt unseres Planeten, noch für den Fortbestand der Finanzindustrie selbst.

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