Aus Gold ist die Luft noch nicht raus
Im Interview: Guy Wagner
„Aus Gold ist die Luft noch nicht raus“
CIO der BLI über die glänzenden Aussichten des Edelmetalls, gute Perspektiven für japanische Aktien und einen gefährlichen US-Aktienmarkt
Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) der Banque de Luxembourg Investments (BLI), hält einen Goldpreis von mehr als 4.000 Dollar für realistisch. Optimistisch gestimmt ist er auch für japanische Aktien. Und er rät Anlegern zu Inflationsbonds.
Herr Wagner, Sie sind Anfang dieses Jahres bullish gestimmt gewesen für den Goldpreis. Seitdem hat der Preis fast 30% zugelegt. Aktuell ist er auf Rekordniveau. Ist die Luft nun raus, oder treiben unter anderem handelspolitische Faktoren den Preis womöglich noch weiter nach oben?
Aus Gold ist die Luft noch nicht raus. Das ganze Umfeld aus handelspolitischen Unsicherheiten, geopolitischen Faktoren und Inflationssorgen spricht weiterhin für Gold. Aber das geht über diese Aspekte auch hinaus. Es geht dabei auch viel um den allgemeinen Vertrauensverlust in Institutionen, um den Vertrauensverlust ins Papiergeld und das vom US-Dollar dominierte Finanzsystem. Das führt mittel- und langfristig zu einem weiter steigenden Goldpreis. Zuletzt hat der Preis etwas konsolidiert, und nach einem so starken Anstieg, wie wir ihn jüngst gesehen haben, könnte es auch mal eine Korrektur geben. Man sollte aber nicht versuchen, das zu timen, sondern lieber darauf setzen, in der Assetklasse vertreten zu sein, und zwar langfristig. Von taktisch motivierten, kurzfristigen Ein- und Ausstiegen rate ich Anlegern ab.
Auch Zentralbanken gehören zu den großen Gold-Käufern, und zwar schon mehrere Jahre. Welche Treiber stehen hinter den Käufen der Notenbanken?
Das ist eine der wesentlichen Triebfedern, insbesondere über die vergangenen drei Jahre. Die russische Invasion in der Ukraine und das anschließende Einfrieren russischer Geldreserven hat viele Zentralbanken, insbesondere in östlichen Ländern, stark geprägt. Diese Zentralbanken versuchen nun, ihre Abhängigkeit vom Dollar zu verringern und Devisenreserven in einem Vermögenswert zu investieren, der kein Gegenparteirisiko birgt und auch nicht von einer ausländischen Gerichtsbarkeit beschlagnahmt werden kann. Das führte dazu, dass die Goldkäufe der Zentralbanken aus dem Osten in den vorigen drei Jahren kräftig zugelegt haben. Viele Zentralbanken wollen die Dollarabhängigkeit reduzieren und Gelder lieber in einem neutralen Asset parken.
Wie wirkt sich die Rückkehr der Finanznachfrage, unter anderem über die ETF-Industrie, und die Aussicht auf eine Lockerung der Zinspolitik in den USA auf Goldminenwerte aus?
Von Mitte 2022 bis Mitte 2024 war der Goldpreisanstieg fast ausschließlich auf die physische Nachfrage zurückzuführen, vor allem seitens der Zentralbanken. Ab Mitte 2024 kam auch die Finanznachfrage zurück, die jetzt zudem stimuliert wird durch die Aussicht auf Zinssenkungen in den USA. In Europa und in anderen Ländern wurden die Zinsen ja schon gesenkt. Nun hat auch Fed-Chef Powell die Tür für Zinssenkungen schon ab September aufgemacht. Das führt dazu, dass jetzt auch die Finanznachfrage zurückkommt. In der Zeit, als die Finanznachfrage nicht vorhanden war, sind Goldminenaktien trotz eines höheren Goldpreises nicht sehr stark gestiegen. Es war keine Anlegernachfrage für die Werte da. Das hat sich jetzt geändert. Das Umfeld für die Werte ist jetzt extrem positiv: Der Goldpreis steigt, und die Kosten, vor allem Energiekosten, sind nicht mehr so hoch. Das sorgt für geradezu explodierende Cashflows der Goldminengesellschaften.
Halten Sie Preise von 4.000 Dollar oder sogar noch mehr für eine Feinunze Gold für realistisch?
Ohne Frage sind 4.000 Dollar realistisch. Aber ich halte auch noch bedeutend höhere Goldpreise auf mittel- bis langfristige Sicht für realistisch. Denn wenn man zum Beispiel die Entwicklung des Goldpreises über die vergangenen Jahre in Relation zur Entwicklung der Geldmenge setzt, etwa in den USA oder auch weltweit, dann ist Gold noch immer sehr niedrig bewertet. Das spricht mittelfristig für höhere Preise.
Asiatische Währungen haben gegenüber dem Dollar trotz höherer langfristiger US-Bondrenditen aufgewertet. Worauf führen Sie das zurück?
Wir haben es mit einem erheblichen Vertrauensverlust weiter Anlegerkreise in den Dollar zu tun. Zudem hat die Trump-Administration auch nicht gerade einen Hehl daraus gemacht, dass sie an einem schwächeren Dollar interessiert ist. Viele asiatische Währungen sind aber auch in der Vergangenheit extrem unterbewertet gewesen und sind das auch weiterhin. Das Aufwertungspotenzial dieser Währungen gegenüber dem Dollar, aber auch gegenüber dem Euro, ist deshalb ohne Zweifel relativ hoch einzuschätzen.
Dabei hat allerdings der Yen gegenüber dem Euro in diesem Jahr an Wert verloren. Was steckt dahinter, und wie beurteilen Sie die Perspektiven des Yen auch gegenüber dem Dollar?
Der Euro hat dieses Jahr davon profitiert, dass das Vertrauen in die wirtschaftlichen Perspektiven der Eurozone nach den Wahlen in Deutschland zugenommen hat. Dies hat zu einer Aufwertung des Euro gegenüber den meisten Währungen geführt, trotz der Leitzinssenkung der EZB. Und deshalb ist der Euro auch nochmal gegenüber dem Yen gestiegen, obwohl die japanische Zentralbank ihre Zinsen leicht erhöht hat. Die Bank of Japan macht allerdings nicht den Eindruck, dass sie die Zinsen noch deutlicher erhöhen will. Trotzdem dürfte die Zinsdifferenz allmählich weniger negativ für den Yen werden. Zudem ist die japanische Währung extrem unterbewertet. Ein Beweis dafür ist zum Beispiel der starke Anstieg des Tourismus in Japan. Der Yen sollte so langsam einen Boden gefunden haben gegenüber Euro und auch Dollar. Er besitzt wie die meisten asiatischen Währungen ein relativ hohes Aufwertungspotenzial über die kommenden Jahre.
Wie stufen Sie die Bewertung und die Aussichten der japanischen Aktien ein, für die Sie in der Vergangenheit ja optimistisch waren?
Die mittel- und langfristigen Perspektiven japanischer Aktien sind weiterhin ausgezeichnet. Der entscheidende Aspekt neben dem Ende der Deflation ist hierbei die Verbesserung der Unternehmensführung. Der Druck auf die Unternehmen, die Aktionärsinteressen stärker zu berücksichtigen und die Eigenkapitalrendite zu verbessern, kommt von allen Seiten: von der Politik, von der Börse und von institutionellen sowie privaten Investoren. Und dieser Druck ist hoch. In Sachen Shareholder Value war Japan in den vergangenen 40 oder 50 Jahren so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was wir in den USA vorgefunden haben. Und das ist im Begriff, sich zu ändern. Es gibt in dieser Hinsicht sicher noch viel zu tun, und dies ist der Hauptpunkt, der mich für Japan auf mittlere und lange Sicht optimistisch stimmt. Zudem gibt es in Japan viele interessante Unternehmen, etwa aus den Bereichen Robotik oder Halbleiter. Japan ist vielleicht sogar der interessanteste Aktienmarkt überhaupt in den kommenden Jahren.
Der US-Aktienmarkt hat in den vergangenen Jahren eine Outperformance gezeigt. Ist der Markt mittlerweile heiß gelaufen?
Der US-Aktienmarkt ist sehr teuer geworden. US-Aktien machen fast 70% des Weltaktienmarktes aus, obwohl die US-Wirtschaft nur einen Anteil von 20% an der Weltwirtschaft hat. Daran sieht man, dass die Outperformance des US-Marktes vielleicht übertrieben ist. Es erscheint verständlich, dass die großen US-Techwerte eine gewisse Bewertungsprämie gegenüber dem Gesamtmarkt aufweisen, aber diese Prämie ist derzeit doch recht hoch. Außerdem wird der amerikanische Markt stark von ausländischen Investoren gehalten. Das ist ein potenzieller Risikofaktor, wenn der Vertrauensverlust in US-Assets irgendwann noch größer werden sollte. US-Aktien sind zum einen teuer gegenüber anderen Aktienmärkten und zum anderen teuer gegenüber dem eigenen historischen Durchschnitt. Fundamental betrachtet ist der US-Aktienmarkt daher gefährlich geworden. Investoren, die Wert auf Kapitalerhalt legen, sollten ihn untergewichten. Solange der Markt weiter steigt, riskieren Anleger aber, in einem von passiven Kapitalflüssen getriebenen Markt zu underperformen, falls sie dies tun.
Der Inflationsdruck in den USA nimmt zu. Raten Sie Anlegern zu inflationsindexierten US-Staatsanleihen?
Anleger, die in Staatsanleihen der G7 investiert sein wollen, sollten inflationsgebundene Anleihen kaufen. Der Inflationsdruck sollte mittelfristig größer werden, vor allem in den USA. Fed-Chef Powell scheint in diesem Umfeld trotzdem gewillt zu sein, die Leitzinsen zu senken. Allerdings ist auch der politische Druck auf die US-Zentralbank aktuell sehr hoch. Mittelfristig rechne ich damit, dass wir in ein Umfeld kommen, in dem die Inflation strukturell höher ausfallen wird. Inflationsgebundene Anleihen laufen bekanntermaßen gut, wenn die tatsächlich eingetretene Inflation letztlich über den Inflationserwartungen liegt. Ich denke, genau das wird in den kommenden Jahren der Fall sein.
Seit Trumps Liberation Day Anfang April werden unter anderem europäische Assets, darunter Staatsanleihen aber auch Aktien, von weiten Anlegerkreisen stärker präferiert. Wir haben zwar noch keine Kapitalflucht aus den USA, aber wir sehen doch stärkere Höhergewichtungen von europäischen Assets. Steht Europas Aktien eine gute Performance bevor?
Der europäische Markt zeigte eine attraktive Bewertung, und mit den Bundestagswahlen keimte ein größerer Optimismus für die europäischen Märkte auf. Das führte zu Kapitalflüssen nach Europa. Eurozonen-Staatsanleihen und europäische Aktien werden seitdem stärker nachgefragt. Was den europäischen Markt antreibt, sind Value-Sektoren. So laufen Banken gut, und vor allem Rüstung ist gefragt. Aber es gibt auch viele Werte, die hinterherhinken. Dazu gehören merkwürdigerweise oft die qualitativ höherwertigen Aktien, die allerdings zum Teil auch teuer geworden waren. Diese Tendenz kann durchaus noch eine gewisse Zeit anhalten. Zudem sehen wir eine geopolitische Fragmentierung der Märkte, die zu einer Art Finanznationalismus führen könnte. So werden japanische institutionelle Investoren Gelder womöglich in den kommenden Jahren wieder verstärkt nach Japan zurückführen. Und in Frankreich hat Präsident Macron signalisiert, dass man institutionelle Investoren dazu anhalten könnte, verstärkt in der eigenen Region zu investieren. Das wäre dann positiv für europäische Assets. Unter fundamentalen Gesichtspunkten sind europäische Staatsanleihen jedoch nicht attraktiv. Das führt uns dann eher zu europäischen Aktien.
Das Interview führte Kai Johannsen.