Nachhaltigkeit

Bedenkliches Wachstum bei ESG-Investments

Weltweit sind fast 3 Bill. Dollar in Nachhaltigkeitsfonds Ende 2021 angelegt. In Deutschland sind ein Drittel der Fondsgelder grün. Der Boom löst eine Diskussion um eine ESG-Blase aus.

Bedenkliches Wachstum bei ESG-Investments

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Laut Morningstar ist das verwaltete Vermögen von Fonds, die ein Nachhaltigkeitsziel verfolgen, bis Ende Dezember 2021 weltweit auf 2,75 Bill. Dollar und damit fast auf das Dreifache des Niveaus vor der Pandemie gestiegen. Absolut und relativ betrachtet ist das Wachstum ungebrochen. In Deutschland verkaufte Publikumsfonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen sind nach Angaben des Fondsverbands BVI bis Ende 2021 auf 463 Mrd. Euro gewachsen, das entspricht 31% des Fondsvermögens. Damit hat sich in Deutschland das Vermögen in ESG-Investmentfonds verfünffacht. Der Boom bei ESG-Investments hat kritische Stimmen auf den Plan gerufen.

Gefahr eines Herdentriebs

Angesichts dieses starken Wachstums wird in der Branche diskutiert, ob es bereits eine Blase auf dem Markt für ESG-Investitionen und einen Herdentrieb bei grünen Anlagen gibt. Aus Sicht von Amundi spricht derzeit nichts für eine ESG-Blase. Eine Finanzblase sei normalerweise durch einen starken Anstieg des Marktpreises bestimmter Vermögenswerte gekennzeichnet. Auf diese Situation folge ein Crash, weil ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen dem fundamentalen Wert und dem Marktwert dieser Vermögenswerte bestehe. Eine Finanzblase bedeute also, dass auf einen Kaufdruck ein Verkaufsdruck der Anleger folge. „Der Fall liegt bei ESG-Investitionen aber anders. ESG-Anleger investieren in Vermögenswerte auch aus außerfinanziellen und nicht ausschließlich aus finanziellen Gründen“, sagt Thierry Roncalli, Leiter quantitatives Research beim Amundi Institute. Er glaubt, dass die Existenz einer grünen Blase stark überschätzt wird und hält es für eher unwahrscheinlich, dass ESG-Investoren den Anlagen in schwierigeren Marktphasen den Rücken zukehren würden. „Es handelt sich eher um eine strukturelle Veränderung der Investitionen, also um einen Paradigmenwechsel des Finanzmarktes, als um einen kurzfristigen Trend.“ Bei Amundi sind per Ende 2021 rund 847 Mrd. Euro in ESG-Produkten investiert, was etwa 42% der Assets ausmacht. Der Assetmanager plant zudem bis 2025 sein ESG-Engagement zu verstärken, weitere Spar- und Anlagelösungen anzubieten sowie die Unternehmen hinsichtlich ESG in den Fokus zu nehmen.

Das französische Anlagehaus stellt allerdings auch fest, dass es bei grünen Vermögenswerten ein potenzielles Verdrängungsrisiko von vielleicht kleineren Unternehmen gebe, da das Universum der grünen Vermögenswerte relativ klein sei. Gemessen am Universum sei die Nachfrage nach klimafreundlichen Anlagen derzeit enorm. Die grundsätzliche Verschiebung der Anlegerpräferenzen führe dazu, dass grüne Themen ein immer größeres Anliegen bei den Kunden seien, so Amundi.

Marktbeobachter geben zu bedenken, dass die starken Käufe in nachhaltigen Fonds zu einer sich selbst verstärkenden Nachfrage bei den grünen Aktien geführt habe, was zu einem Kursanstieg führen könnte. „Bei einigen Nachhaltigkeitsthemen gab es in letzter Zeit erste Warnsignale einer Blase. Ein Beispiel sind saubere Energieaktien“, sagt David Stubbs, zuständig für thematische Strategien bei der J.P. Morgan Private Bank. Er geht davon aus, dass sich dieses Muster wahrscheinlich bei einer Reihe von Nachhaltigkeitsthemen wiederholen werde. „Phasen des Überschwangs und Rückzugs der Anleger werden im Laufe des Jahrzehnts kommen und gehen, auch wenn sich Nachhaltigkeitsthemen in der Weltwirtschaft immer stärker durchsetzen.“ Der frühere Chef des billionenschweren japanischen Government Pension Investment Funds, Eiji Hirano, sagte in einem Interview mit Bloomberg, dass er durchaus das Risiko einer Blasenbildung sehe und man immer prüfen müssen, ob ESG-Anlagen profitabel seien. Der Kapitaldruck auf ESG-Anlagen steige jedenfalls extrem. Ob dabei eine grüne Blase entstehe, hätten Anleger selbst in der Hand.

Unauffällige Bewertungen

Eine Blase ist nach Einschätzung von Dan Roarty, ESG-Aktienstratege bei AllianceBernstein, eher unwahrscheinlich: „Sicherlich ist der Boom nachhaltiger Anlagen nicht ohne Risiken. Die Aufsichtsbehörden haben ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass ESG-Anlagen ohne klare Definitionen oder Berichtsstandards schnell gewachsen sind.“ Greenwashing und die falsche Darstellung von Anlageprozessen gegenüber Kunden seien ein Risiko. Allerdings gibt Roarty zu bedenken, dass ESG-Fonds unterschiedliche Zielsetzungen hätten und es ein breites Spektrum von Ansätzen gebe. Damit sei eine Blase eher unwahrscheinlich. Und: Von mehr als 2000 Aktien, die sich an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen orientieren, seien die Bewertungen gemessen am KGV keineswegs auffällig hoch.

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