Regulierung

Chinas Gaming-Branche kriegt auf die Finger

Chinas führende Internetplattformen für Onlinespiele kriegen eine neue Breitseite von heimischen Regulatoren verpasst. Ihnen drohen erhebliche Rückschritte bei der Monetisierung des Gaming-Geschäfts und verschärfte Zulassungsregeln für neue Spiele.

Chinas Gaming-Branche kriegt auf die Finger

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Chinas Marktregulatoren haben sich im Zuge der laufenden Tech-Regulierungskampagne führende Vertreter der Onlinespiele-Industrie (Gaming) vorgeknöpft und mit Restriktionen konfrontiert. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua sind die Branchenvertreter darauf eingeschworen worden, ihren „einseitigen Fokus auf Gewinnorientierung“ aufzugeben und ihre Spieleangebote in Einklang mit der Wahrung von gesellschaftlichen Normen und einer korrekten politischen Gesinnung zu bringen. Dabei sollen insbesondere Suchtgefahren beziehungsweise die Abhängigkeit von Jugendlichen gegenüber Gaming-Angeboten eingedämmt werden.

Eine entsprechende Vorladung von Spitzenmanagern ist typisch für die Vorgehensweise der chinesischen Staatsführung und Behörden, um im Rahmen einer „Diskussionssitzung mit Regulatoren“ maximales Drohpotenzial zu entfalten. In den vergangenen Wochen war es zu einem ganzen Schwall an Auflagen gekommen, mit dem die Entwicklung des bislang noch sehr schwungvollen Gaming-Geschäfts im Reich der Mitte vor neue Hürden gestellt wird. Dabei war es unter anderem zu einer drastisch verschärften Jugendschutzregelung gekommen, der zufolge Minderjährige künftig nur noch an drei Wochentagen (Freitag, Samstag und Sonntag, jeweils maximal eine Stunde) die einschlägigen Apps der Spieleanbieter frequentieren dürfen.

Die Durchsetzung dieser bereits in Kraft getretenen Verordnung gestaltet sich insofern als relativ einfach, als App-Nutzer in China grundsätzlich zu einer Personaldatenregistrierung verpflichtet sind, die Aufschluss über ihr Alter gibt. Den Gaming-Plattformen obliegt es dann, entsprechende altersorientierte Zugangssperren für die Nutzer einzurichten.

Pipeline in Gefahr

Aus den über Xinhua verbreiteten Inhalten der Sitzung geht nicht eindeutig hervor, was sich die Behörden unter der Abkehr von Profitorientierung vorstellen und inwiefern dies die Geschäftsmodelle der führenden chinesischen Anbieter wie Tencent, Netease oder Bilibili kompromittiert. Allerdings darf man davon ausgehen, dass dies zumindest mittelbar auf die Monetisierungschancen von besonders populären Onlinespielen abfärben wird, weil die Plattformen daran gehindert werden können, wie bislang üblich Geldbeträge für die Zuschaltung von Spiele-Accessoires zu verlangen. Auch dürften die Regulatoren bei Genehmigungsverfahren für neu zugelassene Spiele künftig restriktiver vorgehen.

Dies wiederum gefährdet die für künftiges Wachstumspotenzial ausschlaggebende Pipeline in Entwicklung befindlicher Spiele. Einen ersten Vorgeschmack bekamen die Plattformen bereits am Donnerstag, nachdem ernst zu nehmende Spekulationen durchsickerten, dass die Aufsichtsbehörden für die Onlinespiele-Registrierung ein einstweiliges Zulassungsmoratorium verhängt haben. Dies lässt eine Art Säuberungskampagne vorahnen, die sich auf die Bandbreite neu in den Markt kommender Spiele auswirken oder mindestens aber zu einer Verzögerung des Marktstartes neuer Titel führen dürfte.

Entsprechende Befürchtungen haben sich denn auch am Donnerstag an chinesischen Börsen in einer neuerlichen schweren Korrekturbewegung entladen, wobei die chinesischen Platzhirsche im Gaming-Sektor, Tencent und Netease, besonders bluten mussten.

Tencent knicken ein

Beim Internetriesen Tencent, der einen wesentlichen Ausschnitt seiner Erträge aus dem ursprünglichen Kerngeschäft mit Onlinespielen bezieht, sah man eine sich über den Nachmittag hinweg verstärkende Abverkaufswelle, die den Kurs um 8,5% abrutschen ließ. Dies bedeutet den höchsten Tagesverlust seit einer ersten Panikreaktion auf Chinas Regulierungsvorstöße im Juli. In den vergangenen zwei Wochen hatte sich Tencent zusammen mit anderen chinesischen Internet-und Technologieaktien dann allerdings wieder deutlich erholen können.

Tencent ist mit einer Marktkapitalisierung von zuletzt rund 625 Mrd. Dollar zwar immer noch das nach Börsenkapitalisierung wertvollste Unternehmen im asiatischen Raum, hat aber seit einem Allzeithoch der Aktie zur Februarmitte binnen gut sechs Monaten gut 40% eingebüßt. Netease wiederum stürzten am Donnerstag in Hongkong um 11% ab und liegen nun wieder rund 36% unter dem Allzeithoch im Februar.

Bilibili hart getroffen

Ebenfalls hart getroffen wurden die beiden vor allem auf Livestream-Übertragungen im Gaming-Bereich setzenden Videoplattformen Bilibili und Kuaishou, die am Donnerstag um 9% beziehungsweise knapp 7% leichter aus dem Handel gingen. Kuaishou hatte im Februar mit 5,3 Mrd. Dollar Kapitalaufnahme den größten Börsengang eines Techunternehmens in diesem Jahr hingelegt und war nach einem Senkrechtstart in Hongkong auf eine Marktkapitalisierung von 214 Mrd. Dollar gekommen. Nach einer praktisch ununterbrochenen Talfahrt seit Februarmitte ist Kuaishous Börsenkapitalisierung nun allerdings auf knapp 50 Mrd. Dollar zusammengeschrumpft.