Im InterviewChristoph Boschan

„Der ATX ist sogar etwas besser gelaufen“

Der österreichische Aktienmarkt läuft in diesem Jahr gut. Christoph Boschan, CEO der Börse Wien, erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, was das besondere Salz in der Suppe der im ATX gelisteten Unternehmen ist und was dem Aktienmarkt nochmal einen großen Schub geben würde.

„Der ATX ist sogar etwas besser gelaufen“

Im Interview: Christoph Boschan

„Der ATX ist sogar etwas besser gelaufen“

CEO der Börse Wien sieht attraktive Einstiegsmöglichkeiten – Österreich profitiert von deutschem Infrastrukturprogramm – KGV sehr moderat

Der österreichische Aktienmarkt läuft in diesem Jahr gut. Christoph Boschan, CEO der Börse Wien, erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, was das besondere Salz in der Suppe der im ATX gelisteten Unternehmen ist und was dem Aktienmarkt nochmal einen großen Schub geben würde.

Herr Boschan, bis zum von Donald Trump ausgelösten Zoll-Beben ist der österreichische Markt ähnlich stark gelaufen wie der deutsche Dax.

Tatsächlich ist er sogar etwas besser gelaufen als der deutsche Markt. Anfangs sogar deutlich besser. Wir sind mit dem ATX Total Return, als Performance-Index das Pendant zum deutschen Dax, YTD immer noch etwas vor dem Dax.

Woran liegt das?

Was für Deutschland galt, gilt doppelt und dreifach auch für Österreich. Wir starteten erstmal von einer sehr moderaten Bewertung mit einem KGV unter zehn. Zudem gab es zwei wesentliche Treiber, die unseren Markt beflügelt haben. Das waren zum einen aufkeimende Friedenschancen und zum anderen das deutsche Infrastrukturprogramm. Wir haben einige insbesondere in Deutschland relevante Infrastrukturanbieter mit der Strabag, mit Porr, mit der Wienerberger. Und die haben vom deutschen Infrastrukturprogramm schon deutlich profitiert.

In Deutschland liefen in diesem Jahr besonders Rüstungs- und Finanztitel stark. Wie sieht das beim ATX aus?

Der ATX hat einen sehr großen Bankenschwerpunkt, allerdings immer noch mit dem besonderen Tüpfelchen des Exposures in der zentral- und osteuropäischen Region. Während Deutschland und Österreich in der Rezession sind, verzeichnen diese Länder durchaus signifikantes Wachstum. Wir haben das bildlich vor Augen mit unserer Schwesterbörse in Prag, die uns vollständig gehört. Die Wachstumsprognose dort liegt noch immer bei über zweieinhalb bis an die drei Prozent und das trifft auch für die Region zu. Das ist das besondere Salz in der Suppe der österreichischen gelisteten Companies.

Und Rüstung?

Steyr Motors. Klassischeres „Austrian Brand“ geht ja gar nicht. Da freuen wir uns natürlich, dass sie auch den Weg an die Heimatbörse gefunden haben. In Prag hatten wir auch ein IPO mit Doosan Škoda Power. Zwar kein Rüstungswert, aber der Bereich Energie passt natürlich auch in den Zug der Zeit.

Steyr Motors ist ein schönes Stichwort. Das Unternehmen hat große Wellen geschlagen, weil es mit der Aktie so steil aufwärts ging, dass das auch hierzulande nicht unbemerkt geblieben ist. Ist das ein typischer IPO für Österreich?

Dazu muss man sagen, dass es sich um ein Dual Listing handelt, das nach der Handelsaufnahme in Frankfurt durchgeführt wurde. Allerdings in Form eines tatsächlichen Doppellistings, also nicht einfach nur eine zustimmungsfreie Handelsaufnahme, wie wir das vielfach in Europa sehen, sondern die bewusste Entscheidung des Emittenten, auch in Wien an die Börse zu gehen.

Was können Sie uns zum IPO-Markt in Österreich sagen?

Der Markt hat eine überschaubare Größe und es gibt natürlich nicht den konstanten Dealflow wie an breiter aufgestellten Märkten. Die Größenverhältnisse sind auch meistens etwas kleiner. Aber die Historie der letzten Jahre zeigt eine Range von Börsengängen bis zur Größenordnung der Bawag mit einer Marktkapitalisierung von 5 Mrd. Euro, das können also durchaus auch kleine Märkte bieten. Und da gibt es noch eine Story, die im deutschsprachigen Raum noch gar nicht richtig reflektiert und kontextualisiert wurde, nämlich das Entstehen eines der größten Chemiegiganten Europas mit Hauptsitz hier in Wien. Die OMV wird gemeinsam mit Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company) die Unternehmen Borealis und Borouge zusammenführen. In dem Geschäftsabkommen ist auch ein Börsenlisting in Wien adressiert. Die prognostizierte Marktkapitalisierung liegt bei 60 Mrd. Euro, das ist größer als die BASF. Das ist eine weithin übersehene Standort- und Erfolgsstory.

Sie haben ja schon Zentral- und Osteuropa erwähnt. Was sind die wichtigsten Märkte für österreichische Unternehmen?

Die Wiener Börse versteht sich hier als Tor zur Region. Wir ermöglichen sozusagen das „Proxy-Investment“ in österreichische Unternehmen, die dann aber ihr Geschäftsexposure in der zentral- und osteuropäischen Region haben. Das ganze über einen vollständig entwickelten Markt bzw. eine voll-integrierte West-Börse mit entsprechender Governance. Die Wiener Börse bringt also den Kapitalfluss aus dem Westen indirekt über österreichische Unternehmen in die Region.

Können Sie das erklären?

Das bedeutet nicht notwendigerweise das Listing lokaler Unternehmen am Wiener Markt. Der Zug der Zeit der letzten zehn Jahre zeigt eher eine Balkanisierung der Handelsinfrastruktur. Damit meine ich, dass die Länder sehr bewusst auf die Entwicklung ihrer eigenen lokalen Märkte achten. Und wir unterstützen das dann durchaus in unserer Infrastrukturrolle in der Region. Wir helfen, Börsen technisch zu betreiben, verfügen über ein Datennetzwerk für die Region, was über zehn Märkte umfasst. Wir machen Indexberechnung für die Region und stellen Reporting-Plattformen zur Verfügung. Diese Infrastruktur ist durchaus wohlgelitten in der Region. Man kooperiert da gerne mit uns.

Welche Märkte sind also wichtig für ATX-Unternehmen?

Man muss glaube ich zwei Sachen auseinanderhalten. Das eine ist das Sourcen von der Gestellungsseite. Insbesondere Serbien und Rumänien sind als Produktionsstandorte attraktiv. Beim Liefern von Produkten und Dienstleistungen kommt es ganz auf die Industrie an, aber natürlich ist offensichtlich, dass Baumaterialienhersteller wie Wienerberger, wenn Frieden in der Region einkehrt, davon extrem profitieren. Über das Exposure einer Erste Bank und einer Raiffeisen in Osteuropa muss ich glaube ich nicht erst informieren. Das sind beides absolute Marktführer.

Was hat einen größeren Einfluss auf den österreichischen Markt, Trumps Zoll-Politik oder der Krieg in der Ukraine?

Hinsichtlich des Zollkonflikts schwingen wir mit dem Gesamtmarkt mit, da ist der österreichische nicht anders als der der Nachbarländer. Man mag einen kleinen Vorteil der österreichischen Unternehmen darin sehen, dass sie im globalen Vergleich eher mittelgroß sind. Ja, sie sind Global Player, aber legen ein größeres Gewicht auf den innereuropäischen Austausch. Vielleicht mit etwas weniger außereuropäischem Exposure als deutsche Unternehmen.

Und der Ukraine-Krieg?

Die Korrektur einer gewissen Sedierung des Aktienmarktes durch den Ukraine-Konflikt steht noch aus. Österreich war immer ein moderat bewerteter Markt, aber das hat sich durch die Ukraine-Krise und die Verwerfungen in der Region dann nochmal zugespitzt. Wir sind ein Markt, der ganz wesentlich durch amerikanische und westeuropäische Investoren bestimmt wird. 34% des institutionell gehaltenen Streubesitzes kommen aus den USA, dann kommen noch mal 21% aus Großbritannien, gefolgt von französischen, österreichischen und deutschen Großanlegern. Und wenn man aus globaler Perspektive auf Österreich als geografisch so vorgeschobenen Posten in den Osten blickt, dann hat das schon für einige internationale Skepsis gesorgt und die Bewertung noch mal etwas mehr gebremst. Wenn sich diese mittelfristige Belastung auflöst und wieder sichtbar wird, was die Region eigentlich ist, nämlich eine mit mindestens doppelt so hohem Wachstum wie die Eurozone, dann wird die österreichische Investmentstory auch wieder mehr in den Vordergrund rücken. Ich kann allen Investoren nur raten, noch mal auf die Bewertungen zu schauen, angesichts des vergleichsweisen moderaten KGV-Niveaus von unter 10.

Etwas, das sich sowohl in Deutschland wie auch in Österreich findet, sind viele Hidden Champions, Mittelständler, die in ihren Nischen Weltmarktführer sind.

Das aus deutscher Sicht wirklich Bemerkenswerte ist, dass Sie alle diese Brands kennen, aber vielleicht nicht notwendigerweise mit Österreich identifizieren. Wer aufmerksam Autobahn fährt und auf das Hinterteil von LKWs schaut, der sieht permanent das Palfinger-Schild. Und alle deutschen Städte sind zugepflastert mit Bauschildern von Porr, neben Wienerberger eines unserer ältesten Bauunternehmen und seit 150 Jahren gelistet. Dazu kommt natürlich eine Strabag. Eine klassische österreichische Eigentümerfamilie mit Streubesitz. Rosenbauer kennt man vielleicht noch als Feuerwehr-Ausrüster: Ein absoluter Global Player. Die Liste lässt sich noch lange so weiterführen. Daneben die wirklichen Schwergewichte: Eine Verbund mit über 30 Mrd. Gesamt-Marktkapitalisierung. Eine OMV, eine Andritz, eine Erste Bank, eine Bawag.

Wie sieht es in Österreich mit Tech aus?

Ein klassisches Defizit von Gesamteuropa. Da gibt es auch bei uns wenig. Wir haben die AT&S, von denen werden Sie die Leiterplatte in vielen der Telefone finden, die Sie täglich benutzen. Insgesamt ist es sicherlich ein dauerhaftes und bleibendes Problem in Europa, dass da nur sehr wenige Titel vorhanden sind.

Zur Person: Christoph Boschan ist seit dem 1. September 2016 Vorstandsvorsitzender der Börsengruppe Wien und Prag. Er startete seine Berufslaufbahn 1999 als Wertpapierhändler bei Tradegate. Vor seinem Wechsel an die Wiener Börse war er unter anderem Joint-CEO bei der Börse Stuttgart sowie Vorstand der Euwax.

Das Interview führte Tobias Möllers.

Das Interview führte Tobias Möllers. Das vollständige Interview finden Sie unter www.boersen-zeitung.de.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.