MARKTCHANCEN 2020

Der Euro ist keine starke Währung

Aber 2020 könnte er gegenüber dem Greenback endlich wieder einmal zulegen - Jüngste Stärke des Pfunds sollte sich fortsetzen

Der Euro ist keine starke Währung

Von Werner Rüppel, Frankfurt”Ich bekomme immer weniger Baht für den Euro”, so hat jüngst der Sportkamerad geklagt, der mit mir wöchentlich Fußball spielt. Er ist nämlich mit einer Thailänderin verheiratet und reist daher öfters in die Heimat seiner Frau. Und schaut man sich den Währungschart an, so wird deutlich: Der Euro hat in der Tat in den vergangenen Jahren kräftig gegenüber dem Baht abgewertet.Ein ähnliches Bild ergibt sich für die letzten beiden Jahre gegenüber dem Dollar. Die meisten Devisenanalysten hatten für 2018 und vor allem für 2019 eine – zum Teil sehr deutliche – Abschwächung der US-Valuta gegenüber dem Euro erwartet. Doch das Gegenteil trat ein. Nicht der Dollar, sondern der Euro ging schwach und hat sich von 1,20 Dollar Ende 2017 über 1,14 Dollar Ende 2018 bis auf etwa 1,11 Dollar Ende Dezember 2019 ermäßigt.Den Experten sei zugutegehalten, dass kaum etwas so schwierig zu prognostizieren ist wie die Entwicklung von Euro/Dollar im kommenden Jahr. Kaufkraftparitäten helfen da nicht viel weiter, sie funktionieren, wenn überhaupt, allenfalls langfristig. Vor allem haben die Notenbanken mit ihrer Zinswende nach unten Anfang 2019 überrascht. Hinzu kommt, dass sich die US-Wirtschaft im abgelaufenen Jahr relativ robust präsentiert hat, während es in Euroland zu stärkeren konjunkturellen Bremsspuren kam.Der Euro mag sich in seiner mehr als 20-jährigen Historie bewährt haben. Doch müssen Marktteilnehmer eines stets im Hinterkopf behalten, wenn sie auf die Devisenmärkte schauen: Anders als zu Beginn der Europa-Währung vielleicht vorgetragen, ist der Euro keine starke Währung und natürlich nicht stark wie früher die Mark. Der Währungsraum ist ein größerer und beinhaltet auch Staaten der Südschiene, die als nicht so stabil wie Deutschland einzuschätzen sind. Die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt auch eine andere Geldpolitik als früher die Deutsche Bundesbank. Während die Bundesbank strikt Inflation bereits im Keim ersticken wollte und über eine langfristig feste Mark Stabilität importiert hat, geht es der EZB zunächst einmal darum, dass der Euroraum nicht auseinanderfliegt. Lieber etwas schwächerMario Draghis “Whatever it takes” von 2012 nebst den darauf folgenden Zinssenkungen bis hin zu negativen Einlagezinsen sowie den massiven Anleihekäufen trifft natürlich auch den Wechselkurs. So ist auch der Euro anders als die Mark keine Währung, die langfristig gegenüber dem Dollar aufwertet. Es ist eine Seitwärtstendenz festzustellen. Und solange die Inflation einigermaßen unter Kontrolle ist, scheint der EZB angesichts der ökonomischen Probleme der Eurozone ein etwas schwächerer Euro lieber zu sein als ein allzu fester. Das dürfte auch unter der neuen EZB-Chefin Christine Lagarde so bleiben.In einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigt Stratege George Saravelos von Deutsche Bank Research auf, dass der Euro inzwischen eine neue Rolle im Weltfinanzsystem einnimmt. Hintergrund ist, dass der Euro aktuell im Vergleich zu den G10-Staaten im relativen Vergleich mit die niedrigsten Renditen aufweist (vgl. Grafik). Dies zieht natürlich keine Gelder für die Europa-Währung an. Im Gegenteil, laut Saravelos will niemand “Euro-Cash als ein Asset halten”. Hingegen würde sich inzwischen jedermann in Euro verschulden wollen, dies ist ja auch extrem preisgünstig. Der Euro entwickele sich zum neuen “Carry Trade” für die Welt.Für die Devisenmärkte folgert Saravelos, dass die neue Rolle den Euro in Phasen positiven Risikoappetits bei gedämpfter Volatilität gedrückt halten wird. In Phasen stärkerer Risikoaversion würde der Euro hingegen bei erhöhten Schwankungen tendenziell aufwerten.Recht vorsichtig äußert sich das Bankhaus Metzler zu den Perspektiven an den Devisenmärkten im kommenden Jahr. Temporär kann sich das Institut durchaus deutlichere Schwankungen vorstellen, mittel- bis langfristig erwartet Metzler jedoch eine “glattgebügelte Vorstellung” der wichtigsten Währungspaare. Daher auch die Überschrift “Ereignisreicher Stillstand” über dem Währungsausblick. Immerhin gehen die Analysten aufgrund eines höheren negativen Überraschungspotenzials in den USA von einer leichten Befestigung des Euro bis auf 1,16 Dollar im vierten Quartal 2020 aus.Auch die Devisenanalysten anderer Häuser erwarten meist eine gewisse Befestigung des Euro gegenüber dem Dollar, wobei unterschiedliche Verlaufsmuster prognostiziert werden. So sollte sich der Dollar im Zuge einer Erholung der Weltkonjunktur im ersten Halbjahr gegenüber Euro und Yen abschwächen, meint Devisenstratege Hans Redeker von Morgan Stanley. Aufgrund der Unsicherheiten um die US-Wahlen sowie Risiken aus dem späten Konjunkturzyklus stehe dann im zweiten Halbjahr ein Rebound der US-Valuta an. Den Euro erwartet Redeker nach 1,18 Dollar zur Jahresmitte bei 1,16 Dollar Ende 2020. CS sieht Dollar am ZenitDen “Dollar am Zenit” sieht die Credit Suisse (CS) in ihrem Jahresausblick. Wenn sich das globale Wachstum und der Welthandel stabilisieren, wovon die CS ausgeht, könnte der konjunktursensible Euro an Boden gewinnen. Vor allem für das zweite Halbjahr rechnet die CS mit einer Aufwertung des Euro.Auch die Währungsstrategen der UBS erwarten eine moderate Dollar-Schwäche. Auch hier werden eine weltweite Konjunkturerholung sowie schwindende Risiken eines harten Brexit als Argumente genannt. Nach Ansicht der UBS könnte der Euro sich bis auf 1,20 Dollar im Jahresverlauf verbessern und wird per Ultimo 2020 bei 1,15 Dollar erwartet.Eines ist aber auch klar: Angesichts der im weltweiten Vergleich extrem niedrigen Renditen im Euro ist für 2020 auch nicht auszuschließen, dass der Euro sich nicht befestigt oder sich sogar noch einmal leicht abschwächt. Euro-Cash will ja schließlich niemand haben. Und falls Donald Trump erneut die Wahl zum US-Präsidenten gewinnt, dürfte der Dollar gegenüber dem Euro eher fest denn schwächer gehen.Auch das britische Pfund sollte nach dem klaren Wahlsieg Boris Johnsons bei den britischen Parlamentswahlen behauptet bis fest gegenüber dem Euro notieren. Nun ist der Weg frei für einen geordneten Ausstieg der Briten aus der EU sowie eine unternehmensfreundliche Politik in Großbritannien. Allerdings hat das Pfund einen Wahlsieg der Konservativen in den vergangenen Monaten bereits eingepreist, so dass viele Strategen wie zum Beispiel Oliver Harvey von Deutsche Bank Research das Pfund gegenüber dem Euro zunächst neutral sehen.Mit der türkischen Lira findet sich zumindest eine Währung, gegenüber der der Euro langfristig aufwertet. Nicht zuletzt aufgrund starker politischer Einflussnahme auf die Notenbank sowie aufgrund von Spannungen mit den USA kam es 2019 zu einem Ausverkauf der Lira. Inzwischen hat sich die türkische Währung wieder etwas befestigt, doch bleiben erhebliche politische Risiken. Die Währungsanalysten der Commerzbank warnen: “Man sollte auf deutliche Lira-Schwäche vorbereitet sein, sobald der Markt mal wieder auf ,Risk off’ setzt.”Und was ist nun mit dem thailändischen Baht, dessen Stärke gegenüber dem Euro unseren Altherrenfußballer trifft? Gelingt es dem Euro 2020 gegenüber dem Dollar etwas zuzulegen, wird es auch wieder mehr Baht für einen Euro geben. Doch dürfte die Europa-Währung langfristig kaum gegenüber dem Baht aufwerten, diese Zeiten sind längst vorbei. Denn international stellt der Euro keine starke Währung dar.