Hongkongs Aktienmarkt hebt mächtig ab
Hongkongs Aktienmarkt hebt mächtig ab
Festlandanleger greifen über Stock Connect zu – Flottes IPO-Geschehen hebt die Laune – Onlinehändler Shein erwärmt sich für den Gang an die HKEX
Hongkongs Aktienmarkt befindet sich in Bullenstimmung. Das überrascht, weil Chinas Festlandbörsen in diesem Jahr kaum vom Fleck kommen. Der wiedererwachte IPO-Markt erweist sich als Launemacher. Nun will auch der Online-Modehändler Shein sein bislang für London geplantes IPO auf Hongkong verschieben.
nh Schanghai
Hongkongs Aktienmarkt ist die überraschende Erfolgsstory für global orientierte Anleger. Der Hang Seng Index erlebt einen langgestreckten Bullenritt und hebt sich mit einer Performance von 23% im Kalenderjahr deutlich gegenüber den Börsenbarometern in USA, Europa und Japan ab. In der ersten Jahreshälfte hätte sich lediglich über die Goldanlage als Assetklasse ein paar Prozentpunkte mehr verdienen lassen.
Blickrichtung Asien
Die andauernden Querelen rund um Donald Trump’s handelspolitische Attacken und Strafzollrunden sind an den westlichen Aktienmärkten zwar relativ tapfer abgefangen worden und haben noch keine Baisse ausgelöst. Dennoch ist ein Revirement im Gange, dass globale Fondsmanager zu einer Diversifizierung mit einem Rückschrauben der US-Komponente und einer stärkeren Orientierung Richtung Asien animiert. Im Falle Chinas gibt es allerdings auch Vorbehalte. Schließlich wirken Chinas Konjunkturperspektiven angesichts latenter Konsumschwäche, ungelöster Deflations- und Immobilienmarktprobleme und dem intensiven Handelskonflikt mit den USA nicht sonderlich vertrauenserweckend.
Hang Seng hängt CSI 300 ab
Konjunkturärgernisse tragen dazu bei, dass sich die Stimmung an den Festlandbörsen in Schanghai und Shenzhen eher gedrückt darstellt. Der dortige Leitindex CSI 300 ist im Kalenderjahr mit gut 4% immerhin etwas vorangekommen. Der Schock von Anfang April mit Trumps massiven Strafzollattacken rund um den Liberation Day wurde allerdings nicht wieder aufgeholt. Der Hongkonger Markt wurde von zwar ebenfalls stark gezwiebelt, liegt nun aber wieder knapp 20% über dem Tief vom April.
Stock Connect dreht auf
Der gewaltige Performance-Unterschied zwischen dem Hang Seng und CSI 300 in diesem Jahr ist höchst ungewöhnlich. In der Regel weisen die Börsenbarometer auf den beiden Märkten einen starken Gleichlauf auf. Entscheidend für das Hongkonger Sentiment ist der starke Zustrom von Geldern der Investoren vom Festland, die sich über das Handelsverknüpfungssystem Stock Connect im Hongkonger Markt engagieren können.
In diesem Jahr verzeichnet Hongkong rekordhohe Zuflüsse von institutionellen und privaten Anlegern. Sie belaufen sich für die ersten sechs Monaten auf 700 Mrd. HK-Dollar (rd. 76 Mrd. Euro). Damit nähert man sich bereits im Juli dem gesamten Nettozufluss des vergangenen Jahres von etwa 800 Mrd. HK-Dollar an. Das untypisch hohe Engagement der Festlandchinesen beflügelt Sekundärmarktliquidität und Handelsumsätze.
Einstiegssignal
Einer Schätzung der Société Générale zufolge werden die täglichen Handelsumsätze an der HKEX in Hongkong nunmehr fast zur Hälfte von Stock-Connect-Geldern gespeist. In den beiden vorangegangenen Jahren lag der Anteil nur bei 20 bis 30%. Solche Bewegungen werden auch von internationalen Anlegern mit Argusaugen verfolgt. Sie hatten dem Hongkonger Markt lange den Rücken gekehrt und sehen die aus Festlandchina generierte Flows als wichtiges Signal für einen Wiedereinstieg an.
Deepseek schiebt an
Beim Revirement globaler Portefeuilles, die nach Alternativen zum US-Engagement Ausschau halten, spielt die verblassende Strahlkraft der als „Magnificent Seven“ bekannten US-Tech-Riesen mit hinein. Auch hier lohnt sich der Blick nach Hongkong, denn Chinas Tech-Schwergewichte sind dort gelistet. Insbesondere im ersten Quartal wurden sie mächtig angeschoben. Dahinter steht die Begeisterungswelle rund um Künstliche Intelligenz (KI) mit dem überraschenden Erfolg des chinesischen Chatbot-Modells Deepseek.
Reduzierter Abschlag zu A-Aktien
Der Goldrausch rund um KI-Konzepte von Tech-Firmen wie Alibaba, Baidu oder Tencent hat das Interesse von Festlandinvestoren am Hongkong-Engagement gewaltig beflügelt. Dabei kommt es zu einem bedeutsamen Repricing der Hongkonger Werte. Die in der Sonderverwaltungszone gelisteten sogenannten H-Aktien weisen typischerweise einen extrem hohen Bewertungsabschlag gegenüber den A-Aktien auf dem Festland auf, der vom Sentiment der Kleinanleger dominiert wird.
Die im AH Premium Index abgebildete Bewertungsdifferenz für parallel auf dem Festland und in Hongkong gelisteten Werte hat sich in diesem Jahr deutlich verringert. Der Bewertungsschub bei Hongkong-Aktien steht in Verbindung mit der wiedergewonnen Stärke des Finanzplatzes bei Initial Public Offerings (IPOs). Hongkong rückt bei der Kapitalaufnahme aus Börsengängen sogar wieder auf die Top-Position im internationalen Finanzplatzranking. Insbesondere der weltgrößte Batteriehersteller CATL hat mit seinem Zweitlisting in Hongkong mächtig Leben in die Bude gebracht.
Shein im Anmarsch
Die Renaissance des Hongkonger IPO-Marktes ist ein wichtiger Stimmungsfaktor, der gerade auch bei Auslandsinvestoren zieht. Vielleicht werden sie bald eine Gelegenheit haben, sich bei einem heißen Tech-Unternehmen zu engagieren. Der auf westliche Absatzmärkte fokussierte chinesische Turbo-Onlinehändler Shein macht Anstalten, sein mit Spannung erwartetes, aber verzögertes Börsendebüt auf den Hongkonger Markt zu verlagern. Ursprünglich hatte sich Shein einen Börsengang in den USA oder London erhofft. Allerdings gab es regulatorische Hindernisse. Nun kann der Hongkonger Markt einen attraktiven Börsenkandidaten anziehen. Shein kann auf einen rauschenden Empfang hoffen.