IM INTERVIEW: MANFRED BUCHER, BAYERNLB

"Indizes werden bald neue Höchststände markieren"

Der Senior Analyst über den "begrenzten Einfluss" der Politik, Konjunkturperspektiven und Notenbanken

"Indizes werden bald neue Höchststände markieren"

Manfred Bucher, Senior Analyst bei der BayernLB mit Fokus auf den Aktienmarkt, bewertet den Ausgang der Bundestagswahl positiv. Einschneidende Veränderung für die Unternehmen erwartet er nicht, ebenso wenig wie in der Europapolitik.- Herr Bucher, wieso reagiert der deutsche Aktienmarkt so verhalten auf das Ergebnis der Bundestagswahl?Zunächst muss man berücksichtigen, dass die Vorgaben des US-Aktienmarktes negativ waren. Außerdem befindet sich der Markt nach seinem starken Kursanstieg in einer überkauften Lage. Insofern ist der verhaltene Handelsstart des deutschen Aktienmarktes nicht zu negativ zu interpretieren. Das Wahlergebnis lässt eine große Koalition unter Führung von Angela Merkel am wahrscheinlichsten erscheinen. Hierauf waren die Marktteilnehmer bereits eingestellt.- Die Union würde in der großen Koalition Zugeständnisse machen müssen. Welche wären aus Sicht von Aktienanlegern problematisch?Negativ würden Änderungen wirken, die auf eine höhere Steuerbelastung der Unternehmen bzw. eine zu starke Korrektur der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hinauslaufen. Allerdings wären hier wohl eher graduelle Anpassungen zu erwarten.- Wie nachhaltig wäre ein solcher Effekt auf die Kurse?Generell ist der Einfluss der Politik auf die Aktienmärkte begrenzt, sofern nicht grundlegend andere Weichenstellungen vorgenommen werden. Dies ist aktuell nicht zu erwarten. Die Kurse werden wesentlich stärker von anderen Faktoren wie der Weltkonjunktur und der Geldpolitik der Notenbanken bestimmt. Es wäre damit zu rechnen, dass sich die Aktienmärkte recht schnell wieder diesen Faktoren zuwenden und die Politik in den Hintergrund rückt.- Eine Option ist auch Schwarz-Grün. Wie würde der Markt diese Konstellation aufnehmen?Realistisch erscheint eine schwarz- grüne Koalition nur, wenn sich bei den Grünen die wirtschaftspolitischen Realos durchsetzen. Daher wäre die Marktreaktion wohl nicht besonders negativ. Mit Zugeständnissen der Union gegenüber den Grünen müsste allerdings bei der Energiepolitik gerechnet werden, wobei vor allem eine von der Wirtschaft geforderte Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Fokus steht. Hier wären negative Effekte auf Energieversorger und Unternehmen mit hohem Stromverbrauch nicht auszuschließen.- Wie real ist die Sorge, dass Deutschland nun einer etwas anderen Linie in der Schuldenkrise folgt und ein daraus resultierender Renditeanstieg Aktien weniger attraktiv erscheinen lässt?Die Grundlinien der Euro-Rettungspolitik werden mit Ausnahme der Linken und der nun nicht im Bundestag vertretenen AfD von allen Parteien mitgetragen. Insofern ist hier zunächst nicht mit grundlegenden Änderungen zu rechnen. Der bereits erfolgte Anstieg der Kapitalmarktzinsen wird sich voraussichtlich nur moderat fortsetzen. Zinsanstiege sind für die Aktienmärkte zwar grundsätzlich negativ, das Niveau der Dividendenrenditen ist gegenüber den Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen hoher Bonität aber immer noch attraktiv.- Wie sieht unterm Strich Ihr Szenario für den deutschen Aktienmarkt auf Sicht von sechs Monaten aus?Die Haupttreiber für den Kursanstieg sind derzeit noch intakt. Die Weltkonjunktur und insbesondere die Konjunktur im Euroraum befinden sich auf einem Erholungspfad, die Staatsschuldenkrise entspannt sich tendenziell weiter und die Geldpolitik bleibt auf absehbare Zeit sehr expansiv, nicht zuletzt durch das verschobene Tapering der Fed. Dies spricht dafür, dass die Indizes bald neue Höchststände markieren werden. Allerdings dürften die positiven Faktoren in den kommenden Monaten teilweise an Schubkraft verlieren. Zudem haben die Aktienmärkte bereits viel eskomptiert. Die Bewertungsexpansion dürfte daher schon weit fortgeschritten sein und weitere Kursgewinne müssen zunehmend von den Unternehmensgewinnen getragen werden. Diese werden angesichts der weltweit nur verhaltenen Konjunkturdynamik und des teilweise begrenzten Margenverbesserungspotenzials allerdings nur moderat steigen. Im Jahresverlauf 2014 ist daher mit einer Abflachung des Aufwärtstrends und temporären Rückschlägen zu rechnen.—-Die Fragen stellte Thorsten Kramer.