Im InterviewPeter Tasker, Arcus Investment

„Japans Aktien werden sich auf einen stärkeren Yen einstellen“

Die Leitindizes Nikkei 225 und Topix trumpften im Januar auf, weil viele Investoren eine Straffung der Geldpolitik erwarten, wenn die Löhne weiter steigen. Doch Peter Tasker vom britischen Japan-Spezialisten Arcus Investment warnt vor zu hohen Erwartungen. Dennoch könnten die Kurse noch weiter steigen.

„Japans Aktien werden sich auf einen stärkeren Yen einstellen“

IM INTERVIEW: PETER TASKER

„Japans Aktien werden sich auf stärkeren Yen einstellen“

Stratege von Arcus Investment zweifelt an schneller Zinswende in Nippon – Corporate-Governance-Reformen dienen „Angleichung an US-Aktienkultur“

Von Martin Fritz, Tokio

Die Leitindizes Nikkei 225 und Topix trumpften im Januar auf, weil viele Investoren ein Ende der Deflation erwarten, wenn die Löhne weiter steigen. Doch Peter Tasker vom britischen Japan-Spezialisten Arcus Investment warnt vor zu hohen Erwartungen. Dennoch könnten die Kurse noch weiter zulegen.

Herr Tasker, hat das ausländische Interesse an japanischen Aktien zugenommen?

Der japanische Markt hat sich in der Tat seit zehn Jahren gut entwickelt, aber die meiste Zeit blieb er im Vergleich zum außergewöhnlich starken US-Aktienmarkt blass. Als Warren Buffett im vergangenen Frühjahr nach Japan kam, um sich um seine Investitionen in fünf Handelsunternehmen zu kümmern, erinnerte er die Anleger daran, nicht alles auf eine Karte zu setzen, und dass Japan ein naheliegender Markt sei. Immerhin hat Japan China überholt und ist nun der zweitgrößte Aktienmarkt der Welt. Ich glaube, dass es noch viel weiter nach oben gehen könnte, wenn die amerikanischen Anleger anfangen, sich für Japan zu begeistern. 

Im Moment warten alle Anleger darauf, dass die Löhne so weit steigen, dass die Bank of Japan den Negativzins und die Kontrolle der Zinskurve aufgibt. Wie ist Ihre Meinung?

Diesbezüglich bin ich schon seit einiger Zeit skeptisch. Wenn die Löhne steigen, könnte sich die Bank of Japan in Bewegung setzen und die Zinsen anheben, möglicherweise schon im Frühjahr. Wir warten jedoch schon seit dem Frühjahr 2023 auf Anzeichen für höhere Löhne, denn 70% der japanischen Arbeitnehmer arbeiten in kleineren Unternehmen, die ihre Löhne nur gering anheben.

Also keine Änderung der Geldpolitik im April, wie von der Mehrheit der Analysten vorausgesagt?

Die Inflation ist rückläufig und der Arbeitsmarkt nicht stark genug, um ein großes Lohnplus zu unterstützen. Aber wir könnten die erste Überschneidung mit steigenden Löhnen und sinkender Inflation erleben. Andererseits hat die Bank von Japan in diesem Jahrhundert einige Fehler gemacht, und sie möchte sicher sein, dass die Deflation wirklich für immer überwunden ist. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sie die Zinsen in diesem Jahr überhaupt nicht anheben wird.

Wie wird die Bank of Japan handeln, wenn die Inflation unter ihr 2%-Ziel fällt?

Es wäre eine Ironie des Schicksals, wenn Japan nach all der globalen Inflation ihr 2%-Ziel grundsätzlich verfehlen würde. In diesem Fall könnte die Bank of Japan sagen, dass sie das Ziel überprüfen wird. Aber damit würde sie zugeben, dass die 2% niemals nachhaltig erreicht werden können. Was hieße, dass sie die Zinsen in den nächsten Jahrzehnten niemals anheben könnte. Also könnte sie vielleicht einfach 1% statt 2% als Ziel sagen, zum Beispiel.

Wie notwendig ist eine höhere Inflation, um den Aktienmarkt zu stützen?

Eine niedrige Inflation ist nicht unbedingt eine schlechte Sache. Die Aktien sind ab 2012 gestiegen, als die Inflationsrate unter 1% lag. Ich denke also, dass der Markt mit niedriger Inflation leben kann, aber nicht mit Deflation.

Und wenn die Bank of Japan den Negativzins und die Kontrolle der Zinskurve abschafft, wie weit wird der Leitzins steigen?

Grundsätzlich ist die japanische Wirtschaft aufgrund der alternden Erwerbsbevölkerung schwach. Unter den derzeitigen Umständen wird der Leitzins sehr niedrig bleiben, aber die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen könnte auf über 1% steigen.

Investoren lieben eine gute Geschichte. Die aktuelle Geschichte Japans ist, dass die Unternehmensführung immer stärker auf die Aktionäre ausgerichtet wird. Teilen Sie diese Ansicht?

Diese Reform ist real. In den 80er Jahren sprachen die meisten Unternehmen überhaupt nicht mit den Investoren. Wenn man sie um ein Treffen bat, sagten sie ‚Nein‘ und dass man ein Spekulant sei. Damals setzten sich die Vorstände aus Insidern zusammen, die Firmen verfügten über Netzwerke von Überkreuzbeteiligungen, und die normalen Anleger hatten kein Mitspracherecht. Es gab keinen Anreiz, die Dividende zu erhöhen, und Aktienrückkäufe waren nicht einmal erlaubt. All dies änderte sich mit dem Platzen der Blase während der 1990er Jahre, als die CEOs nicht mehr zu den Banken gehen konnten, wenn ihr Unternehmen in Schwierigkeiten war. Die Banken waren nämlich zu schwach. Deshalb verkaufte sich Nissan an Renault. Das System brach zusammen.

Welche Änderungen brachte der frühere Premierminister Shinzo Abe?

Er betrachtete sich als gescheitert, wenn der Aktienmarkt nicht anstieg. Also nahm er einige bedeutende Änderungen am Government Pension Investment Fund (GPIF) vor, der bis dahin gar kein Anlagekonzept hatte. Er verwandelte ihn in einen professionellen Fonds. Es gab auch einige grundlegende Reformen der Unternehmensführung, mit mehr Externen als Direktoren. Die Regierung schuf einen Kodex für feindliche Übernahmen, der das verteidigende Unternehmen in die Pflicht nimmt und ein Angebot mit Preisaufschlag verlangt.

Was ist der Hauptgrund für diese Entwicklung?

Ich denke, Japan hat sich für den Rest dieses Jahrhunderts in die Arme der Vereinigten Staaten geworfen, nachdem es den Aufstieg eines selbstbewussten und nach Hegemonie strebenden Chinas erkannt hat. Ein Schlüsselmoment waren der Streit um die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer und die antijapanischen Unruhen in China im Jahr 2012. Davor unterhielt Japan seit den 1980er Jahren freundschaftliche Beziehungen zu China, als das Nachbarland noch sehr arm war.

Was hat sich seitdem geändert?

Angesichts der Unruhen und der Tatsache, dass das chinesische BIP das japanische überholt hat, wurde Japans Elite klar, dass diese Freundschaft nicht länger tragbar war. Um den Amerikanern zu zeigen, dass sie nun voll und ganz auf ihrer Seite stehen, mussten sich die Japaner kulturell stärker an Amerika angleichen. Abe öffnete Japan für ausländische Touristen, ausländisches Kapital und ausländische Arbeitskräfte, und die Börsenregeln mussten amerikanischer werden, indem sie zum Beispiel feindliche Übernahmen zuließen. Das Einzige, was fehlt, ist vielleicht die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Wie wichtig ist der billige Yen für die Anwerbung ausländischer Investoren?

Japans Währung sollte nicht so billig sein. Gemessen an der Kaufkraft sollte der Yen bei 100 Yen pro Dollar liegen, nicht bei 150. Aber Währungen können sich lange Zeit auf einer falschen Parität halten. Ein billiger Yen ist auch ein Wettbewerbsvorteil für Japan, er ist ein Grund, warum TSMC zwei Chipfabriken in Japan baut.

Aber kann sich der Aktienmarkt auf einen stärkeren Yen einstellen?

Es ist schwer zu glauben, dass der Yen noch schwächer werden kann. Es ist viel wahrscheinlicher, dass er stärker wird. Das würde die Rentabilität einiger großer Exporteure schmälern. Allerdings wird sich der Markt darauf einstellen. Viele inländische Unternehmen in Japan könnten von billigeren Importen aus dem Ausland profitieren. Und Japans Aktienkurse stiegen auch in den Jahren, als der Wechselkurs bei 110 bis 120 Yen pro Dollar lag. Eine Rückkehr zu diesen Niveaus würde den Markt nur vorübergehend stören.

Wie trägt der Arcus Japan Fund diesen Trends Rechnung?

Wir verfolgen einen Value-Ansatz. Wir schauen uns Unternehmen an, die billig sind, ermitteln die Gründe dafür und sehen, wie sie sich positiv entwickeln können. Wir investieren also in Unternehmen, die als problematisch angesehen werden, und nicht in die großen Unternehmen, die jeder liebt. Die drei größten Positionen sind Mitsubishi Estate (Immobilien), Japan Post Holdings und IHI Corp. (Industriekonglomerat). Natürlich funktioniert das, wie bei jedem Ansatz, nicht immer. Aber wir bleiben dabei, auch wenn alle anderen auf Wachstum setzen.

Zur Person

Peter Tasker ist Mitbegründer und Stratege von Arcus Investment in London mit 2 Mrd. Dollar Assets under Management. Tasker war zuvor leitender Marktstratege bei Dresdner Kleinwort Benson. Der Absolvent der Oxford University ist auch ein Kommentator für Printmedien und Fernsehen zu japanischen Finanzthemen, Autor mehrerer Bücher über Japan und lebt zwei Drittel des Jahres in Tokio und ein Drittel im ländlichen Südfrankreich.

Das Interview führte Martin Fritz.

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