Victoria Leggett

„Klimaneutralität und Biodiversität hängen zusammen“

Im Bereich der Nachhaltigkeitsinvestments dreht sich viel um Klimaschutz. Doch zu ESG gehören auch Umwelt und Natur. Victoria Leggett von UBP managt einen der wenigen Biodiversitätsfonds.

„Klimaneutralität und Biodiversität hängen zusammen“

Wolf Brandes.

Frau Leggett, Biodiversität als dezidiertes Investment ist neu in der Fondsbranche. Sind die Themen wie Schutz und Förderung von Ökosystemen, natürlichen Lebensräumen und Artenvielfalt nicht ein sehr enger Fokus für einen Fonds?

Biodiversität steht bei uns für die Natur und die Vielfalt des Lebens auf der Erde, so muss man an das Thema rangehen. Wir sind sicher, dass Biodiversität mehr in den Fokus rücken wird, und das ist ein starker Trend. Natürlich ist das Anlageuniversum kleiner als bei einem breiten ESG-Ansatz, aber wir haben festgestellt, dass die Möglichkeiten ausreichend sind, und sind zuversichtlich, in diesem Segment diversifiziert investieren zu können. Bei uns stehen Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt im Vordergrund. Das überschneidet sich zum Teil natürlich mit Umweltfonds.

Was meinen Sie konkret mit einem diversifiziertem Portfolio bei diesem schmalen Anlage­thema?

Ausreichend breit, aber konzentriert. Das Portfolio setzt sich aus 45 bis 55 Unternehmen zusammen – unter anderem aus den Bereichen nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen, grüne Städte, urbane Räume und nachhaltige Nahrungsmittelproduktion. Es geht darum, die Entwicklung der Wirtschaft in Richtung einer „naturpositiven“ Entwicklung zu fördern.

Wo sind besondere problematische Punkte?

Eine wichtige Branche ist die Chemie, deren Einfluss sehr kritisch ist für die Biodiversität. Hier suchen wir nach naturfreundlicheren Lösungen. Und wenn man beispielsweise verschiedene Probleme im landwirtschaftlichen Bereich, wie etwa das Thema Pestizide, bewältigen könnte, dann würde der Sektor nicht mehr in der Weise der Biodiversität schaden.

In welchen Sektoren und Branchen werden Sie mit dem Ansatz fündig, und wie unterscheidet sich die Vorgehensweise von herkömmlichen ESG-Portfolios?

Grundsätzlich kann jede Firma in einem ESG-Universum einen Platz haben, im Sinne eines Best-in-Class-Ansatzes. Natürlich gibt es in traditionellen ESG-Fonds Ausschlüsse, mit denen zum Beispiel Tabakaktien verbannt werden. Das ist bei uns anders, denn auch wenn ein Unternehmen die besten ESG-Ratings aufweist, muss das nicht heißen, dass es im Rahmen von Biodiversität eine Rolle spielt.

Noch mal zu den Sektoren. Kann man das herunterbrechen?

Da gibt es kein typisches Muster. Es sind Sektoren mit hoher Innovationskraft, beispielsweise die Industrie, wo wir übergewichtet sind. Dort findet auch eine Menge technologischer Innovation statt. Es gibt zudem einen Platz für Finanzwerte, sofern sie den Wandel in Richtung Natur finanzieren und Biodiversität fördern. Wenig überraschend ist, dass wir kaum aktiv sind in den Branchen Öl und Gas.

Um welche Unternehmen geht es bei Investments im Bereich Biodiversität konkret?

Das US-Wasserreinigungsunternehmen Evoqua hat ein einzigartiges Geschäftsmodell in der Behandlung von Abwasser aus privaten Haushalten und Industrie. Je sauberer das Wasser ist, desto besser für die Biodiversität. Solch ein Unternehmen ermöglicht es vielen Industrieunternehmen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.

Haben Sie ein weiteres Beispiel?

Sims Metal ist eine australische Firma, die sich mit dem Recycling von Metallen und Elektroschrott beschäftigt. Die riesige Menge an Elektroschrott von kleinen Geräten wäre ohne Recycling eine Belastung für die Natur.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Naturschutzorganisationen Cambridge Conservation Initiative und Peace Parks Foundation? Welchen Einfluss haben diese Organisationen?

Wir nehmen ihre Auffassungen und Ansichten sehr ernst, aber wir sind letzten Endes die Fondsmanager und treffen die Entscheidungen. Nichtsdestotrotz stellt der Input der NGOs eine enorme Bereicherung dar, von dem Rat zu Fragen im Zusammenhang mit Naturschutz bis hin dazu, geeignete Messgrößen für einzelne Branchen zu definieren. Unsere Aufstellung mit dem Biodiversitätskomitee und der Aufsichtsstruktur ist ein wichtiger Faktor für die Glaubwürdigkeit unserer Plattform, und daher freuen wir uns, mit diesen Organisationen zusammenzuarbeiten. Außerdem gehen 25% unserer Management Fee an die beiden Organisa­tionen.

Wie misst man Biodiversität aus Sicht eines Assetmanagers?

Es gibt im Bereich Biodiversität noch keine eindeutig definierten Größen, und die Messbarkeit ist oft ein Problem. Das ist beim Klimaschutz anders, wo man sich weltweit auf den Ausstoß von CO2 fokussiert. Doch klar ist, dass Klimaneutralität und Biodiversität eng zusammenhängen. Diese Sichtweise hat die Branche noch nicht verinnerlicht. Unser Ansatz ist es, viel mit den Unternehmen zu sprechen und ein intensives Engagement zu betreiben.

Bekommen Sie dann die benötigten Daten von den Unternehmen direkt?

Das wäre schön, aber das Engagement ist keine schnelle Abkürzung auf dem Weg zur Datenerfassung. Es geht darum, langfristig Beziehungen zu den Unternehmen aufzubauen und sie zu ermutigen, in dem Bereich Biodiversität weiter voranzukommen.

Wie hilfreich sind die üblichen, breit gefassten ESG-Ratings im Bereich der Biodiversität?

Wir benutzen sie, aber mit großer Vorsicht. Es ist keine wirkliche Lösung für das Daten- und Informationsproblem bei Biodiversität und Impact Investing. ESG-Ratings verzerren zudem. Große Unternehmen werden aufgrund des höheren Reportingaufwands, den sie betreiben, bevorzugt, und bei Nebenwerten gibt es viele Lücken.

Ist das bei Biodiversität ein Problem?

Das sind gerade die Firmen, die in unserem Fokus sind. Bei den Small Caps finden sich oft Unternehmen mit sehr interessanten Produkten und Lösungen, die aber weniger Ressourcen für ESG-Informationen haben. Daher halten wir schon mal die Hand über solche Perlen und versuchen diese als Investoren auch im Hinblick auf besseres Nachhaltigkeitsreporting aktiv zu begleiten.

Sie sagen, dass mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung von der Natur im weiteren Sinne abhängig sei? Ist das nicht etwas übertrieben?

Viele Bereiche haben eine direkte und indirekte Verbindung zur Natur. Wenn man alles zusammenzählt, kommt man zu diesem Ergebnis. Wir müssen uns alle an das Schlagwort naturpositiv gewöhnen. Die Branche ist bei Biodiversität fünf Jahre hinterher im Vergleich zum Klimaschutz. Man wird das hoffentlich aufholen, denn wir befinden uns am Anfang der UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen, in der es um die Wechselwirkung von Klimaschutz und Natur geht.

Was hat das für Konsequenzen für Investments im Bereich Nachhaltigkeit? 

Es ist Zeit, bei Anlagen den Fokus von klimaneutral um den Aspekt naturpositiv zu erweitern. Das Momentum ist enorm und wird von globalen Initiativen wie der UN sowie der COP15 gefördert. Die damit einhergehenden Regulierungen und Investitionen dürften das Anlageuniversum und damit letztlich die Ertragschancen vergrößern.

Das Interview führte

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