Sektoren und Stile, die von Inflation profitieren
Siebeneinhalb Prozent Inflation in Deutschland – das Fieberthermometer der Geldwertstabilität steht im roten Bereich. Preisauftrieb in dieser Größenordnung hatte es zuletzt vor einem halben Jahrhundert gegeben, während der ersten Ölpreiskrise in den frühen 1970er Jahren. Dies ist auch für Aktienanleger relevant: In der Vergangenheit haben Aktien vergleichsweise gut abgeschnitten in Phasen, in denen die Wirtschaft wuchs und die Inflation moderat war – gemeinhin gilt dies bis rund 5% Teuerung. Bei darüber hinausgehendem Preisauftrieb müssen Investoren jedoch selektiver vorgehen. Grund genug, sich einmal genauer anzuschauen, welche Sektoren und Investmentstile bei höheren Inflationsraten in der Regel gut und welche schlecht abschneiden.
Zunächst ein Blick auf die Sektoren: Auf Basis von Zahlen aus den USA, für die die am besten belastbaren Inflationsdaten vorliegen, ergibt sich ein recht deutliches Bild: Die stärkste positive Korrelation mit der Entwicklung des US-Verbraucherpreisindex weisen die Sektoren Energie, zyklische Konsumgüter und Grundstoffe auf. Diese Bereiche verzeichnen bei einer Inflationsbeschleunigung tendenziell Gewinne. Der Grund: Viele Unternehmen dieser Sektoren – vor allem aus den Bereichen Energie und Grundstoffe – halten oder kontrollieren physische Vermögenswerte, oder sie verkaufen rohstoffbasierte Produkte. Der Wert ihrer Aktiva und der Preis ihrer Produkte steigt mit der Inflation, so dass auch die Kurse ihrer Aktien eine positive Korrelation hiermit aufweisen.
Wohlgemerkt gilt diese Sensitivität unabhängig davon, wodurch der Inflationsanstieg verursacht wird. Aktuell wird dieser Effekt zusätzlich dadurch verstärkt, dass durch den Angriff der russischen Streitkräfte auf die Ukraine die weltweite Versorgung mit Energie, Dünger und Getreide gestört wurde. Dies hat sowohl zum global beobachtbaren Preisauftrieb als auch zur guten Performance der genannten Sektoren beigetragen.
Bei Unternehmen aus Sektoren wie Grundbedarfsgüter und Versorger, aber auch aus dem Gesundheitswesen, ist für die USA hingegen eine negative Korrelation mit der Inflationsrate erkennbar. Das liegt in hohem Maße daran, dass diese Unternehmen Rohstoffe verbrauchen und höhere Inputpreise daher tendenziell akzeptieren müssen. Dies wirkt sich im Schnitt negativ auf ihre Gewinnmargen und ihre Aktienkurse aus.
Dies zeigt auch: Der Umfang, in dem die verschiedenen Sektoren von höherer Inflation profitieren oder darunter leiden, hängt davon ab, inwieweit sie höhere Einstandspreise an die Abnehmer ihrer Produkte weitergeben können. Während einige Unternehmen ihre Absatzpreise weitgehend selbst festlegen können, müssen andere Steigerungen bei ihren Einstandspreisen zulasten der Gewinnmarge akzeptieren. Diesbezüglich gibt es auch Gewinner und Verlierer innerhalb einzelner Branchen. Das gilt besonders in Zeiten schwächerer globaler Konjunktur, da dann weitere Faktoren wie etwa Finanzierungskosten hinzukommen und zeitweise auch dominieren können. Es kommt daher darauf an, diese mit Hilfe aktiven Managements zu identifizieren und für die Portfolien auszuwählen.
Nun zu den Investmentstilen. Viele institutionelle Anleger möchten durch einen systematischen Einsatz von Style Investing Überrenditen zum breiten Aktienmarkt erzielen. Wie aber schneiden gängige Investmentstile bei hohen Inflationsraten ab? Eine Analyse der bekannten Stile Value, Momentum und Quality in acht Phasen mit hoher Inflation in den USA seit 1940 kommt zu einem klaren Ergebnis.
Erstens haben Value-Titel, also attraktiv bewertete Aktien, die Benchmark in sechs von acht Inflationsphasen geschlagen. Value-Aktien konnten also bei hohen Teuerungsraten im Schnitt höhere Überschusserträge erzielen als in normalen Phasen. Dies galt vor allem für Unternehmen, die überdurchschnittliche Dividenden zahlen können und gleichzeitig günstig sind. Zweitens konnten auch Momentum-Aktien – Titel also, die anhand ihrer Wertentwicklung in den vorhergehenden zwölf Monaten ausgewählt wurden – vielfach ihren Lauf fortsetzen. Auch hier wurde der Vergleichsmaßstab in sechs von acht Phasen geschlagen. Und drittens schließlich haben Quality-Aktien – also Unternehmen mit überdurchschnittlich hohen Gewinnen bzw. soliden Bilanzen – die Benchmark in vier der sechs Phasen geschlagen, für die Daten zur Verfügung standen.
Gute Inflationsabsicherung
Zusammenfassend lässt sich somit für Anleger festhalten: Aktienkurse können bei steigenden Inflationserwartungen zwar kurzfristig sinken, insgesamt gelten Unternehmensanteile langfristig aber als gute Inflationsabsicherung. Bei einer sich beschleunigenden Inflation profitieren vor allem Unternehmen aus den Sektoren Energie und Grundstoffe, da der Wert ihrer Aktiva und die Preise ihrer Produkte tendenziell steigen. Dabei ist jedoch wichtig, auch innerhalb einzelner Sektoren die Spreu vom Weizen zu trennen, so dass es auf Research und aktives Management ankommt. Und mit Blick auf Investmentstile schließlich haben Value, Momentum und Quality in vergangenen Phasen mit hohen Inflationsraten tendenziell überdurchschnittlich abgeschnitten.
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