Blackrock erkennt starkes Interesse an ETFs auf Staatsanleihen
Herr Wenicker, sind Fixed-Income-ETFs ein Nischenprodukt und damit nur etwas für Kenner?
Nein, Fixed-Income-ETFs sind ein etabliertes Allwetterwerkzeug und haben sich vor allem bei institutionellen Investoren in den vergangenen Jahren etabliert und auch bewährt. Bei Privatinvestoren führen sie zwar eher noch ein Schattendasein. Aber da sehen wir gerade Veränderungen. Das Zinsumfeld und Produktinnovationen führen zu einer stärkeren Nutzung im Portfoliokontext.
Welche Veränderungen sind das konkret?
Wir erleben gerade eine Phase mit weltweit attraktiven Zinsen im Anleihebereich. 80% aller ausstehenden Anleihen weltweit werfen Zinsen von mehr als 4% ab. Das ist im historischen Kontext der vergangenen 20 Jahre sehr attraktiv. Das haben wir seit 2007 so nicht mehr erlebt. Und das spiegelt sich dann letztlich auch im Interesse der Investoren für Fixed-Income-Fonds und ETFs wider. Sie können also gerade jetzt eine sehr attraktive Einkommensquelle für Anleger sein.
Gewinnt dieser Markt in den kommenden Jahren noch mehr an Bedeutung?
Der globale Markt für Anleihe-ETFs ist heute ungefähr 3 Bill. Dollar schwer. Wir erwarten, dass sich das Vermögen in den nächsten fünf Jahren verdoppelt auf ungefähr 6 Bill. Dollar im Jahr 2030. Ein Anteil von ungefähr 2% bis 3% des gesamten Anleihemarktes wird heute erst in Anleihe-ETFs repräsentiert. Auf der Aktienseite sind das bereits etwas mehr als 10%. Das zeigt das große Wachstumspotenzial, das es hier noch gibt.
Von welchen Einflussfaktoren profitieren die Fixed-Income-ETFs aktuell noch?
Institutionelle Investoren haben die Vorzüge von Anleihe-ETFs erkannt, und zwar im Hinblick auf die Liquidität der Produkte, die Diversifikationseigenschaften sowie die einfache Handelbarkeit der Produkte. Beispielsweise hat die Liquidität von Anleihe-ETFs über die Jahre kontinuierlich zugenommen, während sie an den Anleihe-Cash-Märkten immer mehr eingebüßt hat. Und letztlich hat auch die Nutzung von Anleihe-ETFs mit dem größer gewordenen Angebot zugenommen. Das Produktangebot ist heute sehr vielfältig, viel granularer als noch vor einigen Jahren. Es gibt ja heute kaum noch Flecken oder Bereiche im Anleihemarkt, die nicht über einen ETF abgedeckt werden und damit von Anlegern für Investments genutzt werden können.
Zeigt der von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochene weltweite Handelskrieg auch einen Einfluss auf Fixed-Income-ETF?
Ja, in der Tat. Wir haben im turbulenten April dieses Jahres einmal mehr erlebt, dass Anleger verstärkt nach Liquidität gesucht haben und in einer extremen Stressphase für die Märkte auf ETFs, vor allem auch auf Anleihe-ETFs, zurückgegriffen haben. Das führte zu Rekord-Handelsvolumina bei Fixed-Income-ETFs in diesen volatilen Handelstagen. Sie lagen deutlich über Umsatzrekorden vergangener Zeiten. Nur ein Beispiel: In den USA wurden höhere Volumina in High-Yield-ETFs erzielt als zugleich an Volumina in dem zugrundeliegenden High-Yield-Cash-Markt realisiert wurden. Das zeigt, dass sich auch hier ETFs einmal mehr bewährt haben und -als “Go-to-Vehikel" bei Investoren etabliert sind – vor allem bei starken Marktschwankungen. Für viele Investoren dienten sie als Werkzeug, um ihre Marktmeinung schnell und effektiv auszudrücken. Das hatte diese sehr hohen Handelsvolumina bei relativ engen Geld-Brief-Spannen zur Folge.
Können Sie bestimmte Trends bei Anlegern in Fixed-Income-ETFs feststellen oder favorisierte Regionen?
Es gibt drei Trends, die wir aktuell beobachten. Das ist erstens der Trend zu kürzen Anleihelaufzeiten, also Short Duration. 70% aller Nettomittelzuflüsse in Fixed-Income-ETFs hier in Europa sind in diesen Bereich gegangen, was die relative Attraktivität der kurzen Laufzeiten gegenüber den langen Laufzeiten reflektiert. Der zweite Trend ist ein Home Bias. Wir haben gesehen, dass europäische Investoren in Euro denominierte Anleihen gegenüber Dollar-Bonds favorisieren. Das hat mit der US-Dollarschwäche und auch mit den hohen Währungsabsicherungskosten des Dollar gegenüber dem Euro zu tun. Und der dritte Trend zeigte sich jüngst im Juni. Nach den kontinuierlichen Abflüssen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres haben wir im Juni erstmalig auch wieder Zuflüsse in Emerging Market, Debt Local Currency Anleihen ETFs gesehen. Das resultiert aus der Attraktivität dieser Anlageklasse, die aktuell mit mehr als 6% rentiert.
Welche Papiere, d.h. welche Marktsegmente favorisieren Sie: Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Financials, Supranationals/Sub-Sovereigns/Agencies?
Ein Großteil des Interesses hier in Europa in diesem Jahr haben wir im Bereich der Staatsanleihen-ETFs gesehen, gefolgt von Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Und eine weitere Kategorie, die sich ebenfalls eines regen Interesses erfreut hat, sind Money Market bzw. Cash-ETFs, die von vielen Anlegern genutzt werden, um das Geld verzinslich zu parken
Welche Laufzeitenbänder haben Sie verstärkt im Blick: Nur Kurzläufer oder auch mittlere Fälligkeiten oder Langläufer?
Die kurzlaufenden Anleihen stehen nach wie vor sehr stark im Fokus. Weil die Zinsstrukturkurve vielen Investoren schlichtweg noch nicht steil genug ist. Weite Investorenkreise sind besorgt hinsichtlich möglicher Zinsanstiege am langfristigen Ende aufgrund der expansiven Fiskalpolitik, die wir in den USA, aber auch hier in Europa, insbesondere in Deutschland, derzeit sehen.
Und wie positioniert sich BlackRock in diesem Markt?
Wir setzen sehr stark auf das Thema Produktinnovation. Hier gibt es Entwicklungen, die auch dazu geführt haben, dass Privatinvestoren zunehmend auf Anleihe-ETFs zurückgreifen. Bis dato hat sich der klassische Anleihe-ETF für den Privatanleger zu institutionell angefühlt und war wenig intuitiv verständlich. Hier haben wir beispielsweise auch mit Laufzeit-ETFs, sogenannten iBonds, eine Brücke schlagen können. Sie vereinen das Beste aus zwei Welten. Das Rückzahlungsprofil von klassischen Anleihen und die Diversifikations- und Handels-Eigenschaften von ETFs. Das Produkt wird dadurch für viele Anleger leichter nachvollziehbar, also verständlicher. Eine Kategorie, die bei uns in Europa auf mittlerweile über 10 Mrd. Euro an verwaltetem Kapital angewachsen ist.
Seit einiger Zeit gibt es ja auch aktive ETFs. Ist dies ein neuer Trend am Markt?
Auf jeden Fall sehen wir hierzulande reges Interesse von Kunden und ein wachsendes Produktangebot. Auch auf der Anleiheseite. Aktive Bond-ETFs können eine spannende Alternative für Anleger sein, die die Vorteile eines ETF mit aktiver Anleiheselektion durch Experten kombinieren möchten. Dadurch können Anleger die Chancen von verschiedenen Anleihesegmenten und Regionen in einem Produkt wahrnehmen. Wir selbst haben mit dem iShares € Flexible Income Bond Active ETF im Februar dieses Jahres unseren ersten eigenen aktiven Anleihe-ETF in Europa auf den Markt gebracht.
Im Interview: David Wenicker
„Wir sehen ein starkes Interesse für Staatsanleihe-ETFs“
Leiter des Wealth-Geschäfts bei BlackRock über Wachstumspotenzial des Marktes für Bond-ETFs – Kurze Laufzeiten stehen im Fokus der Investoren
David Wenicker, Leiter des Wealth-Geschäfts bei BlackRock in Deutschland, registriert ein starkes Anlegerinteresse für Staatsanleihe-ETFs. Die Renditen von Anleihen weltweit sind für Investoren sehr attraktiv. Denn 80% aller ausstehenden Anleihen weltweit werfen derzeit Zinsen von mehr als 4% ab. Gerade bei Bond-ETFs sieht Wenicker ein enormes Wachstumspotenzial des Marktes.
Das Interview führte Kai Johannsen.