CFO-InterviewMichael Frick, ZF

ZF stehen bei Lifetec ab der zweiten Jahreshälfte alle Optionen offen

Mit der Umbenennung der Division Passive Sicherheit in Lifetec stellt ZF die Weichen für die Sparte auf Abschied. CFO Michael Frick erklärt im Interview die nächsten Schritte, warum er sich nicht unter Zeitdruck sieht und was aus seiner Sicht Grundvoraussetzungen für einen Deal sind.

ZF stehen bei Lifetec ab der zweiten Jahreshälfte alle Optionen offen

ZF bei Lifetec nicht unter Zugzwang

Schuldenabbau auch ohne Deal – Teilverkauf, Komplettverkauf und IPO als Optionen ab Jahresmitte – Lead-Bank mandatiert

Von Sebastian Schmid, Frankfurt

Herr Frick, Sie haben bekannt gegeben, dass aus dem Bereich ZF Passive Sicherheit nun ZF Lifetec wird. Das ist erstmal ein Rebranding. Wie geht es jetzt weiter?

Das Rebranding ist ein wichtiger Schritt. Das Unternehmen stellt sich neu auf und wächst dynamisch. Aktuell gehen wir davon aus, dass ZF Lifetec stärker als der Markt wachsen wird. Wir sehen, dass die Unternehmensführung es schafft, dem Team einen eigenen Spirit und eine eigene Identität zu geben. Ich glaube, das drücken wir durch die neue Marke ZF Lifetec gut aus.

Sie sagen, Umsatz und Profitabilität haben sich verbessert. Was sind denn die Ziele für Lifetec und was sind die Wachstumstreiber?

ZF Lifetec hat im Markt eine sehr gute Reputation. Wir gehen aktuell davon aus, dass wir mit unseren Technologien den Marktanteil weiter steigern können. In einem schon weitgehend verteilten Markt können wir perspektivisch Gewinner sein. Wir sehen mit Blick auf die Marktdurchdringung bei einzelnen Kundengruppen sowie in verschiedenen Weltregionen noch deutliches Wachstumspotenzial, das wir ausschöpfen wollen.

Die Optionen liegen auf dem Tisch: ein vollständiger, ein teilweiser Verkauf oder ein Börsengang. Was ist noch nötig, um für eine der Optionen bereit zu sein?

Wir werden den Carve-out, also die rechtliche Verselbständigung von ZF Lifetec im ZF-Konzern, in diesem Jahr abschließen. Wir haben einen Projektplan, der uns ab der zweiten Jahreshälfte alle Optionen eröffnet. Wir folgen diesem Projektplan stringent, sehr konsequent. Und für uns ist von entscheidender Bedeutung, dass wir den Erfolgsweg des Unternehmens weiter unterstützen.

Wenn ich jetzt das nochmal zuspitzen darf, heißt das, dass Sie eine Entscheidung für eine der Optionen spätestens im zweiten Halbjahr fällen wollen – oder sogar noch im ersten?

Wir haben uns die Möglichkeit geschaffen, Entscheidungen zu treffen. Ob wir in diesem Jahr oder später eine Entscheidung treffen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wir werden das ganz in Ruhe verfolgen und ansonsten einfach unsere Strategie weiterverfolgen, ZF Lifetec wachsen zu lassen, zu optimieren und die Ergebnisqualität zu verbessern. Wir haben keinen Zeitdruck. Das Unternehmen hat keinen Liquiditätsbedarf.

Andererseits würde ein Deal natürlich beim Schuldenabbau helfen.

Für uns ist nicht von primärer Bedeutung, dass wir unsere Bruttoverschuldung mindern, sondern dass wir qualitativ weiterkommen. Wir sehen, dass ZF Lifetec eine gute Profitabilität hat. Und insofern ist es nicht selbstverständlich, dass unsere Leverage Ratio durch einen Verkauf automatisch besser wird. Nur, wenn das in signifikantem Maße gegeben ist, werden wir einen Verkauf erwägen.

Das heißt, ein Teilverkauf auch nur zu einer Bewertung, die nicht nach sich zieht, dass Ihr Leverage sich verschlechtert.

Das ist sehr richtig und nur so tragbar.

Haben Sie denn schon mit Investmentbanken Gespräche geführt?

Wir haben einen Kernbankenkreis, der in allen Fällen, in allen Dimensionen voll leistungsfähig ist. Mit diesem Kernbankenkreis sehen wir uns in der Lage, zügig alle Formen möglicher Transaktionen durchzuführen. Es gibt eine mandatierte Bank, die den Lead hat. Alle weiteren Schritte werden wir dann einleiten, wenn sie relevant werden.

Wir haben uns vorgenommen, dieses Jahr circa 500 Mill. Euro zurückzuführen, und da ist eine Transaktion von ZF Lifetec nicht mit eingerechnet.

Sie haben auf der Verschuldungsseite reduziert im vergangenen Jahr um einige 100 Mill. auf knapp 10 Mrd. Euro. Was haben Sie sich für dieses Jahr vorgenommen – ohne Lifetec-Effekt?

ZF hat angekündigt, dass in den nächsten drei Jahren rund 18 Mrd. Euro für F&E und Capital Invest ausgegeben werden sollen. Einen Teil davon werden wir im laufenden Jahr 2024 investieren und zeitgleich die Entschuldung vorantreiben, die auch in Zeiten der Transformation ein wichtiges Ziel bleibt. Wir haben uns vorgenommen, dieses Jahr circa 500 Mill. Euro zurückzuführen, und da ist eine Transaktion von ZF Lifetec nicht mit eingerechnet.

Es gibt derzeit auch die Debatte über den Standort Deutschland. Was müsste denn aus Ihrer Sicht am Standort passieren, dass Sie hier größer investieren?

Wir investieren weiter stark in Deutschland, wenn die Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist. Zugleich folgen wir mit der Produktion schon seit langer Zeit den lokalen Märkten und den Anforderungen unserer Kunden. ZF hat eine starke Präsenz in China und in Indien, die wir weiter stärken, weil beide Märkte signifikant wachsen. Auch in Nord- und in Südamerika ist ZF mit seiner Technologie sehr erfolgreich vertreten und eben auch in Europa. Und die Wachstumsdynamik der unterschiedlichen Märkte reflektieren wir insbesondere in den Regionen selbst. Wie fragil die Lieferketten in geopolitischen Spannungsgebieten sind, zeigt uns aktuell die Situation im Roten Meer. Ich fürchte, wir laufen geopolitisch eher auf schwierigere denn auf entspanntere Zeiten zu. Insofern bleibt die Regionalisierung für uns ein wichtiger Kernbestandteil der Strategie.

Was heißt das für Europa?

Wenn wir nach Europa schauen, sehen wir, dass die Mobilität der Zukunft eine von der Politik gewollte Logik hat. Das Konsumentenverhalten ist im Moment noch anders. Und wir folgen den Bedingungen, die der Markt und die Kunden bei uns einfordern. Dazu kommt verschärfend, dass die deutsche Politik Rahmenbedingungen setzt, die es der Industrie nicht leicht machen. Auch ZF ist abhängig von der Verfügbarkeit von Arbeitskräften, den Energiepreisen und von den gesetzten Rahmenbedingungen, die für unternehmerisches Tun wichtig sind. Letztere sind in den vergangenen Jahren strukturell nicht besser geworden. Die sozialleistungsorientierte Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland wirkt sich kostentreibend aus und verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit im Land.

Hinterfragen Sie etwa den Standort?

Wir stehen eindeutig zum Standort Deutschland. Und das auch in einem signifikanten Umfang. Nur müssen wir diesen Umfang im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit neu vermessen. Dazu haben wir ein Transformationsprojekt für Deutschland gestartet, in dem wir im engen Dialog mit Vertretern der Belegschaft und den Gewerkschaften stehen. Das werden wir sehr standortbezogen und sehr produktbezogen tun. In den nächsten Monaten können wir aus diesen Gesprächen heraus Maßnahmenpakete ableiten, die wir zuerst intern kommunizieren. Die großen Zahlen, die wir regelmäßig in der Presse lesen, stellen die natürliche Fluktuation bei ZF in Deutschland bis 2030 dar.

Was wir nicht brauchen, sind ständig geänderte Rahmenbedingungen.

Kommen wir noch mal zum Thema E-Mobilität. Die EU sieht einen schnelleren Pfad vor als andere Regionen. In den USA könnte das Pendel in die andere Richtung schwingen. Wie verhindert ZF, technologisch auf dem falschen Fuß erwischt zu werden?

Zunächst einmal respektieren wir politische Entscheidungen. Wir sind auch der festen Überzeugung, dass das Pariser Klimaabkommen eine solide Basis darstellt. Was wir nicht brauchen, sind ständig geänderte Rahmenbedingungen. Die Zuverlässigkeit der Rahmenbedingungen ist sehr wichtig. Sie müssen aber auch glaubwürdig und realistisch sein. Europa hat sich von dem entkoppelt, was wir sonst in der Welt sehen. China und die USA gehen in Richtung Hybridfahrzeuge, um verschiedene Nutzungsmöglichkeiten mit nur einem Fahrzeug darstellen zu können und auch der Entwicklung der Ladeinfrastruktur Rechnung zu tragen. Auch für Deutschland und für Europa halten wir das für einen richtigen Technologiepfad, um die Ziele bis 2035 erreichbar zu machen. Insofern propagieren wir sehr bewusst Technologieoffenheit als bedeutsames Thema.

Eine Erhöhung der Zinslast, die wir im letzten Jahr für Finanzierungen hatten, ist für dieses Jahr so nicht mehr zu erwarten.

Die Zinslast von ZF wird dieses Jahr um rund 250 Mill. Euro steigen. Wie sind die Perspektiven mittelfristig? Und wie viel ist in diesem und im nächsten Jahr zu refinanzieren?

Wir haben in den Jahren 2025 bis 2028 jeweils gut 2 Mrd. Euro zu refinanzieren. Im Jahr 2024 beläuft sich diese Summe auf etwa 1,8 Mrd. Euro. Davon haben wir bereits im letzten Jahr sowie im Januar dieses Jahres einen guten Teil abgedeckt, denn im Januar konnten wir eine Euro-Benchmarkanleihe über 800 Mill. Euro im Markt platzieren. Es gab eine achtfache Überzeichnung und wir haben so eine Verzinsung für fünf Jahre von 4,75% realisieren können. Im Jahr zuvor hatten wir durchschnittlich Refinanzierungszinsen, die über 6% lagen. Daran sehen Sie schon, dass wir im Kapitalmarkt sehr gut gesehen werden und die Zinssätze deutlich zurückgegangen sind. Und deswegen ist eine Erhöhung der Zinslast, die wir im letzten Jahr für Finanzierungen hatten, für dieses Jahr so nicht mehr zu erwarten.

Im Interview: Michael Frick

Mit der am Montag kommunizierten Umbenennung der Division Passive Sicherheit in Lifetec stellt ZF die Weichen auf zeitnahen Abschied. CFO Michael Frick erklärt im Interview die nächsten Schritte, warum er sich nicht unter Zeitdruck sieht und was aus seiner Sicht Grundvoraussetzungen für einen Deal sind.

Das Interview führte Sebastian Schmid.