Preisdeckel für Finanzprodukte ist ein Tabu
Es war ein Rückzug auf Raten. Mit der kürzlich gestarteten Konsultation des BaFin-Merkblatts zu kapitalbildenden Lebensversicherungen hat sich die Finanzaufsicht vom Provisionsrichtwert für diese Produkte verabschiedet. Der Entwurf sieht damit keine Begrenzung der Provision vor.
Eine Art Preisdeckel war von Beratern befürchtet worden, nachdem die Aufsicht Anfang Mai angekündigt hatte, einen Provisionsrichtwert zu entwickeln. Schon das war ein Schritt zurück. Die Ankündigung der BaFin kam nach dem politischen Aus für einen Provisionsdeckel für Lebensversicherungen im vergangenen Jahr. Das Bundesfinanzministerium hatte ursprünglich die Abschlussprovisionen in der Lebensversicherung senken wollen. Ein Gesetz war jedoch am Widerstand der Unionsparteien gescheitert.
Die Kosten von Lebensversicherungen stehen aber nicht nur in der Politik, sondern auch bei der BaFin weiter im Fokus. Die Aufsicht hatte im März 2022 eine Marktstudie veröffentlicht, in der sie das Preis-Leistungs-Verhältnis vieler Versicherungsprodukte kritisierte und sich insbesondere an den Kosten fondsgebundener Versicherungen störte. Die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA kam in einer eigenen Studie zu ähnlichen Ergebnissen.
Statt Provisionsrichtwert kam nun das Merkblatt, mit dem die BaFin den Kundennutzen in den Vordergrund rückt. Die Branche hat jetzt bis Mitte Januar Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Branchenverbände und Verbraucherschützer arbeiten derzeit an ihren Positionen.
Ein heißes Eisen
Das Beispiel der Lebensversicherung zeigt, dass Preisdeckel für Finanzprodukte ein heikles Thema sind. Zwar sind regulierende Maßnahmen möglich, doch ein hartes Eingreifen in den Markt ist umstritten. Die Missstände müssen schon himmelschreiend sein, damit der Gesetzgeber durchgreift. Ein Beispiel sind die Restschuldversicherungen, also sehr teure Produkte in Kombination mit Verbraucherkrediten. In Deutschland gibt es nach Jahren der Kritik seit Juli einen Provisionsdeckel für die Produkte. „Der Provisionsdeckel war dringend notwendig“, sagt Sandra Klug, Abteilungsleiterin Finanzen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Jetzt gelte es abzuwarten, wie sich die Maßnahme in der Praxis bewährt. Allerdings sei der Provisionsdeckel mit 2,5% der Kreditsumme sehr hoch.
In Europa sieht es anders aus. Die EIOPA hat bei einer Überprüfung des Marktes für Kreditpolicen erhebliche Risiken für die Verbraucher aufgedeckt. Die Behörde fordert ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und will Maßnahmen ergreifen, um Probleme mit hohen Vergütungen anzugehen. Von hohen Provisionen ist die Rede, die zu Interessenkonflikten und zur Anwendung schlechter Geschäftspraktiken führen könnten. Von einem Provisionsdeckel redet die europäische Aufsicht aber nicht. „Wir erwarten, dass die Hersteller und Vertreiber von solchen Produkten die Warnung innerhalb des nächsten Jahres umsetzen“, teilt die EIOPA mit. Die hohen Preise führten indes dazu, dass ein erheblicher Teil der von den Verbrauchern gezahlten Bruttobeiträge immer noch bei Banken und Versicherern lande.
Wie schwierig das Thema Preisdeckel in Europa ist, zeigt auch das Beispiel der Verbraucherkredite. Seit Jahren wird über Spitzenzinsen bei einzelnen Anbietern geklagt. Bei der nun beschlossenen Überarbeitung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie war einer der Punkte eine Obergrenze für Kreditkosten. Der Kommissionsvorschlag und die Position des Parlamentes hatten vorgesehen, die Mitgliedstaaten zur Einführung einer Kostengrenze auf entweder die allgemeinen Darlehenszinsen, den effektiven Jahreszins oder die Gesamtkosten des Kredites zu verpflichten. Der Rat setzte sich jedoch durch, eine Obergrenze wird es nicht geben. Die Argumente der Verbraucherschützer, dass immer wieder Verbraucher Kreditverträge mit Zinsen weit über dem marktüblichen Niveau abschließen würden, zählten am Ende nicht. „Es geht uns nicht darum, massiv in den Marktprozess einzugreifen, sondern absolute Spitzenwerte bzw. besonders teure Kreditkonditionen für einkommensschwache Haushalte abzuschneiden“, begründete Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) den Kostendeckel.
Banken hatten Höchstzinssätze ohnehin grundsätzlich abgelehnt mit dem Verweis auf einen funktionierenden Markt für Kredite und einen sehr intensiven Wettbewerb. „Daher gibt es keinen Grund, einen Deckel einzuführen“, sagte Dirk Stein, der beim deutschen Bankenverband BdB für Retail- und Verbraucherschutzfragen zuständig ist.
Anstelle einer Kostenobergrenze bei Krediten gibt es das Wucherverbot, bei dem der Verbraucher in dem Fall vor Gericht gehen und geltend machen muss, dass die Kosten übermäßig hoch seien. Die Formulierung „übermäßig hoch“ lässt jedoch viel Spielraum. In Deutschland gilt nur ein Kredit als Wucher, der 100% mehr kostet als der durchschnittliche Kredit. „Hier wurde eine Chance verpasst, auf EU-Ebene für einen wirksamen Schutz vor Wucherzinsen zu sorgen“, sagt Mohn. Wichtig sei, dass dieser Punkt bei der nationalen Umsetzung in Richtung eines effektiven, präventiven Schutzes vor Wucherzinsen gedreht werde.
Vom Markt bestimmt
Nicht nur bei Versicherungen und Krediten stehen Provisionen und Kosten im Visier von Aufsicht und Verbraucherschutz. Auch Investmentfonds gelten bisweilen als sehr teuer. Doch bei der aufsichtsrechtlichen Überwachung und Regulierung von Fondsgebühren geht es nicht um die absolute Höhe der Kosten. Dazu stellt die BaFin klar: Die konkrete Höhe der Kosten wird „natürlich vom Markt und nicht von der Finanzaufsicht bestimmt“.
Unabhängig davon beobachten die europäischen Aufseher den Markt für Fondsentgelte genau. Regelmäßig führt die europäische Finanzaufsicht ESMA zusammen mit den nationalen Behörden Untersuchungen dazu durch. Der letzte Bericht wurde im Mai vorgestellt und weist ausdrücklich darauf hin, dass Anlegern keine unangemessenen Kosten in Rechnung zu stellen seien. Dies müssten die Behörden sicherstellen, da zu hohe Kosten einen großen Einfluss auf die Rendite der Anleger hätten.
Der ESMA geht es dabei in erster Linie um Einhaltung der kostenbezogenen Bestimmungen. Die Behörde stellt dabei auch fest, dass die Kosten für Kleinanleger nach wie vor höher als für institutionelle Anleger sind. „Um die Beteiligung von Kleinanlegern am Fondsmarkt zu fördern, muss die Aufsicht dem Thema Kosten und Gebühren bei Investmentfonds weiterhin Aufmerksamkeit schenken“, erklärt die ESMA-Vorsitzende Verena Ross. Gleichwohl geht es bei Fondsgebühren in der Regulierung nicht um Kostendeckel, sondern meist um klare Regeln und Transparenz. Die ESMA fordert die nationalen Aufseher auf, bei Regelverstößen tätig zu werden. Kosten haben nach Auffassung der ESMA eine hohe Relevanz für das Ziel des Anlegerschutzes.
Den stärksten Eingriff in die Preisstruktur bei Fonds gab es bislang bei Performancegebühren. Nachdem es in diesem Segment der Fondskosten in der Vergangenheit in Einzelfällen Auswüchse gegeben hatte, sind die Aufseher tätig geworden. Seit 2020 gelten in Europa einheitliche Regeln für erfolgsabhängige Gebühren bei Investmentfonds. Insbesondere sollen die ESMA-Leitlinien sicherstellen, dass die erfolgsabhängige Vergütung den Grundsätzen entspricht, dass die Anbieter ihre Geschäftstätigkeit ehrlich und fair sowie mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im bestmöglichen Interesse des Anlagevermögens ausüben. Die neuen Regeln orientierten sich eng an den deutschen Vorgaben, die schon zuvor eingeführt wurden.
Die Praxis zeigt, dass in Deutschland die Standardisierung der Kostenklauseln bei Fonds weiter vorangeschritten ist als in anderen Ländern. Zudem wird Brancheninformationen zufolge an einer Überarbeitung der Musterkostenklauseln gearbeitet. Unabhängig davon wirkt die BaFin bei ESMA auch daran mit, dass die erfolgsabhängige Vergütung weiter standardisiert wird.
Von Wolf Brandes, Frankfurt