Allianz warnt vor "Zeitbombe" der Insolvenzen

Chefvolkswirt Ludovic Subran: Gefahr für Konjunkturerholung und Bankensektor - Auch IWF besorgt

Allianz warnt vor "Zeitbombe" der Insolvenzen

rec Frankfurt – Die Sorgen vor einer Insolvenzwelle im Nachgang der akuten Coronakrise nehmen speziell in der Eurozone zu. Einer Analyse der Allianz zufolge ist zu befürchten, dass 2021 in Euroland 32 % mehr Firmen in die Zahlungsunfähigkeit rutschen werden als 2019. Zwischen den Euro-Staaten sind gravierende Unterschiede zu erwarten. Allianz-Chefvolkswirt Ludovic Subran warnt vor einer “Zeitbombe”, die zur Gefahr für die Konjunkturerholung und den Bankensektor werde, sollten Notenbank und Regierungen nicht bereits jetzt gegensteuern. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) schlägt in einer gestern veröffentlichten Studie Alarm.Die neuen Daten geben Hinweise auf die langfristigen Folgen der schwersten Rezession seit Jahrzehnten. Weltweit haben sich Politik und Zentralbanken in nie dagewesenem Umfang gegen die unmittelbaren wirtschaftlichen Verwerfungen infolge der Pandemie gestemmt. Nach Allianz-Berechnungen haben Regierungen weltweit seit März mehr als 10 Bill. Dollar in ihre Volkswirtschaften gepumpt. Das entspricht 12 % der Weltwirtschaftsleistung. Zusammen mit den Rettungseinsätzen der Notenbanken beläuft sich die Summe auf mehr als 18 Bill. Dollar. Zugleich versorgt die Europäische Zentralbank (EZB) Banken in der Eurozone quasi unbegrenzt zu sehr vorteilhaften Konditionen mit Liquidität. Diese wiederum berichteten in der vierteljährlichen EZB-Kreditumfrage von einer sprunghaft gestiegenen Nachfrage der Firmen nach Liquidität (vgl. BZ vom 15. Juli).Trotzdem dürfte die beispiellose Liquiditätsschwemme eine zeitverzögerte Insolvenzwelle nicht verhindern. Der IWF warnt, dass sich die Insolvenzquote kleiner und mittelgroßer Unternehmen in den großen Industrienationen im laufenden Jahr von 4 auf 12 % verdreifachen könnte. Die Allianz rechnet mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts in der Eurozone um 9,0 %. Das deckt sich nahezu mit den Erwartungen der EZB (- 8,7 %). 2021 sei mit einem Plus von 6,0 % zu rechnen. Von der Zunahme der Firmeninsolvenzen wird unter den bedeutendsten Euro- Staaten Spanien (+ 41 % bis Ende 2021) am stärksten betroffen sein, gefolgt von Italien (+ 27 %) und Frankreich (+ 25 %). Deutschland kommt mit + 12 % besser davon.Das hat Folgen für den Bankensektor. Die Allianz schätzt, dass unter diesen Annahmen die Quote fauler Kredite in den Bilanzen der Banken in der Eurozone von 3,1 % Ende 2019 binnen zwei Jahren auf bis zu 5,4 % steigen könnte. Kredite im Wert von 380 Mrd. Euro würden notleidend. Italiens Banken, die den Bestand an Non-Performing Loans (NPLs) gerade mühsam reduziert haben, dürften mit einer NPL-Quote zwischen 13,9 und 17,4 % besonders unter Druck geraten, ähnlich Portugal. Auch Spaniens Banken bekämen Probleme, weil sich der Anteil notleidender Kredite in ihren Bilanzen mehr als verdoppeln dürfte (siehe Grafik).Für Allianz-Chefvolkswirt Subran ist deshalb absehbar, dass die Kreditvergabe ins Stocken gerät – was wiederum die Erholung abwürgen kann. Ohne Abhilfe könne dies die Eurozone knapp 0,4 % Wachstum kosten. Das würde die stimulierenden Effekte eines von der EU-Kommission angestrebten Wiederaufbaufonds in der Größenordnung von 750 Mrd. Euro, der heute Thema eines EU-Gipfels ist, ausradieren. Subran rechnet damit, dass die EZB im September die ohnehin großzügigen Konditionen ihrer Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO III) weiter nachbessern wird. Auch könnte sie Anleihen von Unternehmen erwerben, die im Zuge der Krise ihr Investment Grade verloren haben (“Fallen Angels”). Zuletzt gab es darauf keine Hinweise, auch nach der gestrigen EZB-Ratssitzung nicht (siehe Bericht auf dieser Seite).