Wirtschaftspolitik

Ausländische Investoren meiden den Standort Deutschland

Die politische Verunsicherung lastet auf den Direktinvestitionen weltweit. Aber Deutschland fällt dabei aus dem Rahmen: Der Standort wird zunehmend unattraktiv. Zudem fehlt es an einem zukunftsorientierten Investitionsmix heimischer Unternehmen. Neue Daten der OECD und der Ansiedlungsagentur GTAI.

Ausländische Investoren meiden den Standort Deutschland

Investoren meiden Standort Deutschland

Direktinvestitionen sinken 2024 – Neue Daten der OECD und der Ansiedlungsagentur GTAI

Die politische Verunsicherung lastet auf den Direktinvestitionen weltweit. Aber Deutschland fällt dabei aus dem Rahmen: Der Standort verliert an Attraktivität. Zudem fehlt es an einem zukunftsorientierten Investitionsmix heimischer Unternehmen

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Deutschlands Wachstums- und Standortschwäche hat zunehmend Auswirkungen auf die Entwicklung der Direktinvestitionen, was es künftig noch schwerer machen dürfte, die Wirtschaft wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen. Das zeigen neue Daten der Industrieländerorganisation OECD zu den Investitionsflüssen. Danach bleiben die USA weiter Dreh- und Angelpunkt bei Investitionen weltweit. Das gilt sowohl als Destination von ausländischen Investoren, weil sie den Standort schätzen, als auch für US-Unternehmen, die im Ausland investieren.

Demgegenüber lässt die Attraktivität Deutschlands auf breiter Front nach. Wie die OECD-Daten signalisieren, scheinen Frankreich und Spanien als Investitionsstandorte Deutschland den Rang abzulaufen. Und was die Aktivität heimischer Konzerne im Ausland angeht, so scheinen spanische Investoren inzwischen aktiver zu sein als deutsche. Ökonomen halten auch das für gefährlich, weil die Rendite im Ausland oft größer ausfällt als in Deutschland. Das sorgt dann für eine profitablere Bilanz, die den heimischen Standort absichert.

GTAI dennoch zuversichtlich

Auch Daten der staatlichen Fördergesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) gehen in diese Richtung. Die Zahl ausländischer Investitionen in Deutschland ist 2024 das dritte Jahr in Folge gesunken, meldet sie auf Basis von Projektmeldungen. 1.724 Neuansiedlungen und Erweiterungen waren es im vergangenen Jahr. 2023 waren es 1.759 Projekte, 2022 noch 1.783 und 2021 insgesamt 1.806.

Weiterhin geschätzt

„Deutschland bleibt aber gleichwohl ein gefragter und geschätzter Standort“, sagt GTAI-Geschäftsführer Robert Hermann. Denn nach seinen Daten sind die Direktinvestitionen in Westeuropa mit fast 6% noch wesentlich stärker gesunken als in Deutschland mit rund 2%. Er verweist zudem auf eine erwartbar höhere Investitionsaktivität im laufenden Jahr. Die ausländischen Unternehmen hätten bereits Investitionen in Höhe von 23,2 Mrd. Euro angekündigt. Das sei zwar weniger als in den Rekordjahren 2023 und 2022, aber mehr als in den Jahren 2019 bis 2021 zusammengenommen.

Politische Verunsicherung

Ob das laufende Jahr eine Investitionswende bringt, ist für die OECD indes noch nicht klar, zumal auch 2025 die politische Unsicherheit nach wie vor groß ist und auch der Inflationsdruck wieder zunehmen könnte. Direktinvestitionen, betont die OECD, seien in hohem Maße zudem abhängig von stabilen Rahmenbedingungen, weil sich der Kapitaleinsatz in der Regel erst nach einigen Jahren auszahlt.

Der OECD zufolge haben die Direktinvestitionen 2024 global zwar noch um 2% zugelegt, bereinigt man diese Daten um die großen Fluktuationen, wie sie etwa in großen Kapitalsammelstellen wie Luxemburg oder den Niederlanden auftreten, wo große Konzerne ihre finanziellen Dispositionen bündeln, sind die Investitionsströme dagegen um 7% zurückgegangen.

Auch die OECD hebt Deutschland hervor, weil hier der relative Rückgang am auffälligsten gewesen sei. Ebenso ließen die Investitionsströme nach China nach – und zwar bereits im dritten Jahr in Folge, wie die Ökonomen betonen. Noch am besten hielten sich nach den OECD-Daten offenbar Investitionen in neue Standorte und Produktionen. Hier gingen die Gelder vor allem in die USA, Indien, Großbritannien, Ägypten und Brasilien.

Gefährliche Entwicklung

Dass der Standort Deutschland bei Investoren an Attraktivität verliert, davor haben Ökonomen schon länger gewarnt. Zuletzt hatte die Bundesbank einen deutlichen Rückgang ausländischer Direktinvestitionen zum Thema gemacht, weil Unternehmensübernahmen sowie Investitionen in neue Niederlassungen und Produktionsstandorte künftiges Wachstum vorwegnehmen.

Auch der Anfang April veröffentlichte „FDI Confidence Index“ der Beratungsgesellschaft Kearney stellt fest, dass der deutsche Standort zwar weltweit noch Rang fünf einnimmt, die Entwicklung aber eher nach unten zeigt. Etablierte Industriestaaten wie die USA, Kanada und Großbritannien besitzen danach weiterhin die höchste Strahlkraft für FDI (Foreign Direct Investments).

US-Exportmix moderner

Als langfristig problematisch kann sich nach Meinung von Rolf J. Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) erweisen, dass Deutschland zwar in etablierter Technologie auf dem Gütermarkt noch in der ersten Liga mitmischt, bei Dienstleistungen aber immer weiter zurückfällt. Seit 2000 sei der Anteil des Nicht-Industriegüteranteils an den Auslandsinvestitionen zudem von 75% auf etwa 65% gesunken. Bei den USA liege er mit knapp 85% um fast 20 Prozentpunkte höher. Weil Dienstleistungen mit steigendem Einkommen wichtiger würden, „erscheinen US-Investoren im Ausland zukunftsorientierter aufgestellt“, mahnt er.

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