Boom im Welthandel nähert sich seinem Zenit
rec/ste Frankfurt/Hamburg
Der weltweite Warenverkehr boomt – es gibt allerdings erste Anzeichen, dass der Handel an Schwung verliert. Das geht aus vierteljährlichen Analysen der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf hervor. So hat das Barometer für den Güterhandel im Juli mit 110,4 Punkten den höchsten Stand seines fünfjährigen Bestehens erreicht. Werte über 100 signalisieren Wachstum im Welthandel. Gleichwohl schwächen sich die Zuwächse einzelner Komponenten inzwischen ab – „was auf einen Höhepunkt der Aufwärtsdynamik im Handel hindeuten könnte“, wie die Ökonomen der WTO konstatieren.
Damit bestätigt sich der globale Warenaustausch als Treiber der weltwirtschaftlichen Erholung – trotz mannigfaltiger Probleme in Lieferketten wie Materialengpässe, Containerknappheiten und Staus in wichtigen Überseehäfen. Laut WTO ist der Welthandel auf Kurs, das für dieses Jahr prognostizierte Plus von 8% in Bezug auf das Handelsvolumen zu erreichen – nach einem Rückgang um letztlich unerwartet geringe 5,3% im Coronajahr 2020. Die Umfänge erzählen gleichwohl nur einen Teil der Geschichte: Gemessen am Wert der gehandelten Waren steuert der Welthandel sogar auf ein Plus von 15,9% zu. Das liegt an den substanziellen Preissprüngen im Außenhandel, die auch deutschen Exporteuren zugutekommen und ihnen zu einer Serie von inzwischen 14 Monaten mit wachsenden Exportumsätzen verholfen haben.
Allerdings haben Industrie wie Logistiker mit anhaltenden Problemen in der Seefracht zu kämpfen. Im Hafen von Ningbo im Osten Chinas, dem nach Warenumschlag drittwichtigsten Hafen weltweit, ist seit einer Woche der Terminal Meishan gesperrt, nachdem sich ein Arbeiter mit dem Coronavirus infiziert hatte. Inzwischen stauen sich auch an nahegelegenen Häfen in Schanghai und Hongkong Schiffe, die der Sperrung ausweichen wollen.
Substanzielle Verspätungen
Es ist bereits der zweite Zwischenfall dieser Art in China. Verantwortliche aus der Logistikbranche, die in den Häfen gewissermaßen direkt den Puls des Welthandels fühlen, stellen sich auf eine längere Phase mit Problemen ein. So sagt die Chefin des Hamburger Hafenlogistikkonzerns HHLA, Angela Titzrath: Kundengespräche würden ergeben, dass Kunden und auch die HHLA aktuell mit einer Entspannung bei den Hafenstaus nicht vor Ende dieses Jahres, teilweise sogar erst im ersten Quartal 2022 rechnen. Die Probleme beschränken sich Titzrath zufolge längst nicht auf Ningbo. Derzeit lägen etwa rund 100 Containerschiffe in Los Angeles/Long Beach und würden auf Abfertigung warten, einige seit zwei Wochen. Es sei noch offen, wie viele Kunden der HHLA von der Schließung des chinesischen Hafens Ningbo betroffen sein werden. Es sei mit substanziellen Verspätungen zu rechnen, die auch nicht wieder aufgeholt werden könnten. Wichtig sei, zu erkennen, dass Maßnahmen wie Hafenschließungen umgesetzt werden, solange die Corona-Pandemie nicht überwunden ist.
Dessen ungeachtet geben Frühindikatoren weiter Grund zu Optimismus. Laut WTO notieren Indizes für Luft- und Seefracht, die Nachfrage nach Rohmaterialien und Automobilprodukten über ihrem langfristigen Durchschnitt. Der Index der Exportaufträge „hat sich jedoch deutlicher verlangsamt, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass sich das Tempo der Erholung in naher Zukunft wahrscheinlich verlangsamen wird“.
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