Kommunalfinanzen

Bund soll größeren Rettungsschirm aufspannen

Nach einem hohen Defizit 2021 rufen die Städte und Gemeinden Bund und Länder auf, auch die Einkommensteuerausfälle in der Coronakrise zu kompensieren. Die Gewerbesteuer hatten sie schon ersetzt.

Bund soll größeren Rettungsschirm aufspannen

wf Berlin

Städte und Gemeinden dringen auf mehr finanzielle Hilfe. „Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland ist nicht sehr ermutigend zurzeit“, sagte Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm, vor der Presse in Berlin. 2021 haben Städte und Gemeinden Spiegler zufolge mit einem Defizit von 9 Mrd. Euro abgeschlossen. Für 2022 sei ein Defizit von mehr als 10 Mrd. Euro zu befürchten. Damit werde es schwer, die Investitionen für eine bessere kommunale Daseinsvorsorge wie gut ausgestattete Schulen, mehr Kitas oder gute Straßen voranzubringen. Der Investitionsstau liege bei fast 150 Mrd. Euro, davon allein 46,5 Mrd. Euro im Bildungssektor.

„Die finanziellen Spielräume müssen verbessert werden“, forderte Spiegler auch mit Blick auf die Klimaschutzprojekte des Bundes. „Wir fordern einen zweiten Rettungsschirm“, sagte Spiegler. Über die Kompensation der Gewerbesteuer hinaus, die Bund und Länder wegen der Coronakrise geschultert hatten, verlangen die Kommunen eine Kompensation der Einkommensteuer.

Die Steuerschätzer hatten im November den Gemeinden für 2022 anteilige Einnahmen von 45,4 Mrd. Euro an der Einkommensteuer vorausgesagt sowie brutto 57,2 Mrd. Euro aus der Gewerbesteuer. Davon geht die Gewerbesteuerumlage von 5 Mrd. Euro ab. Aus der Einkommensteuer erhalten die Gemeinden 15% des Aufkommens an Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer sowie 12% des Aufkommens an Kapitalertragsteuer. Spiegler erläuterte, in den Städten seien die Gewerbesteuereinnahmen bedeutender als die Einkommensteuereinnahmen. Das Verhältnis liege bei zwei Dritteln zu einem Drittel. In den ländlichen Räumen sei es tendenziell umgekehrt. Wenn man gleiche Lebensverhältnisse haben wolle, sei die Kompensation der Einkommensteuereinnahmen wichtig.

Ampel stimmt positiv

Hoffnung setzen die Städte und Gemeinden auch auf eine Entlastung von Altschulden, die über sogenannte Kassenkredite aufgelaufen sind. Es geht um eine Summe von 35 Mrd. Euro. Kredite dürfen Kommunen laut Verfassung nur für Liquiditätsbedarf aufnehmen. Viele Kommunen haben damit aber laufende Ausgaben finanziert. Im Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP findet sich ein Prüfauftrag für eine Entlastung der Kommunen von strukturwandelbedingten Altschulden. Spiegler sagte, sein Optimismus sei so groß wie selten zuvor, dass dies gelöst werde. Es bedürfe einer „gemeinsamen, einmaligen Kraftanstrengung“ des Bundes und der Länder, deren Kommunen von der Altschuldenproblematik betroffen seien.

Umstrittenes Feld

Finanziell sind die Länder für die Gemeinden verantwortlich. In der alten schwarz-roten Koalition hatte sich Olaf Scholz (SPD) als Bundesfinanzminister für eine Beteiligung des Bundes eingesetzt. Die CDU/CSU hielt dagegen. Regional ist die Lage sehr unterschiedlich. Einige Bundesländer haben eigene Anstrengungen unternommen, um das Finanzproblem zu lösen. Dies sind Länder wie Hessen, Niedersachsen oder Bayern, die bei einer Bundesfinanzierung benachteiligt wären. Besonders belastet sind Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Für die Umsetzung ist eine Grundgesetzänderung mit Länderzustimmung nötig.