Corona-Politik

Chinas Lockerung löst neue Bedenken aus

Experten befürchten eine massive Ansteckungswelle mit dem Coronavirus – und Folgen für die Konjunktur.

Chinas Lockerung löst neue Bedenken aus

nh Schanghai

Die überraschend schlagartige Verabschiedung der chinesischen Staatsführung von ihrer Null-Corona-Politik ruft sowohl in China wie auch im Ausland Pandemieexperten mit warnenden Botschaften auf den Plan. In überraschendem Tempo hat die chinesische Zentralregierung fast sämtliche Corona-Restriktionen und Schutzauflagen zur Umsetzung der Null-Covid-Strategie kategorisch aufheben lassen und ist damit wesentlich weiter gegangen, als in der breiten Bevölkerung erwartet worden war.

Der frühere Vizechef der Gesundheitsbehörde CDC hat in einer ungewöhnlich drastischen Warnung die Befürchtung geäußert, dass sich in einer ersten Welle in diesem Winter etwa 60% der Bevölkerung mit einer Form des Coronavirus anstecken dürften. Das würde einer ähnlich hohen Inzidenzrate entsprechen wie in den USA nach dem Ausbruch der Omikron-Variante Ende Februar.

Fauci meldet sich zu Wort

Auch der führende US-Pandemie-Experte und Gesundheitsbeauftragte des Weißen Hauses, Anthony Fauci, warnt vor einer massiven Coronawelle. Er äußert die Befürchtung, dass es wegen der großen Bevölkerung zu rascheren Mutationen und damit neuen Covid-Varianten kommen könnte. Einer entsprechend gefährlichen Ansteckungswelle könne nur mit einem massiven Ausbau des Impfprogramms unter Zulassung wirksamer ausländischer Impfstoffe auf Basis der RNA-Technologie begegnet werden.

Ende November hatte sich der Ärger über exzessiv harte und zeitlich extrem ausgedehnte Lockdown- und Zwangsquarantänemaßnahmen in für China völlig ungewohnten Straßenprotesten manifestiert, auf die Regierung und Staatsführung mit einem völligen Revirement der Corona-Politik reagiert haben. Einerseits ist die Erleichterung über das vorläufige Ende der willkürlich wirkenden und unflexiblen Regeln immens. Andererseits machen sich Sorgen breit, die vor allem mit der parallelen Auflösung des Systems zur Identifizierung von Coronafällen durch die laufende Verpflichtung zu (gratis verabreichten) PCR-Tests zusammenhängt.

Das Testregime ist zwar als lästig empfunden worden und hat enorme Schwierigkeiten bei provinzübergreifenden Reisen nach sich gezogen, wurde großteils aber als wichtige Schutzmaßnahme akzeptiert. Entsprechend wachsen nun die Ängste vor einer raschen, aber nicht identifizierten Ansteckungswelle, die nach ersten Beobachtungen zu einer Vorsichtshaltung führen und die Bevölkerung von Konsum und Mobilität abhalten könnten.

Vor den Ferien rund um das chinesische Neujahrsfest (20. Januar) ist der Andrang bei Flug- und Zugbuchungen hoch. Dies dürfte aber in erster Linie den monatelang verhinderten provinzüberschreitenden Familienbesuchen gelten und möglicherweise keine verbreitete Reiselust begründen, vermuten Experten. Einige befürchten gar einen neuen Trend, Menschenansammlungen und damit auch Gaststätten, Hotels, Unterhaltungseinrichtungen sowie Messen und Kongresse zu meiden. Dies würde während einer möglicherweise langgestreckten Unsicherheitsphase über Omikron-Gefahren einer breiteren Erholung der Konsumkonjunktur entgegenstehen.

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