Konjunktur

Deutsche Industrie überrascht mit Produktionsplus

Die Unternehmen fahren im Juni ihren Output hoch. Trotzdem bleibt die Lage in der Industrie schwierig. Der Taiwan-Konflikt wird immer mehr als zusätzliches Risiko wahrgenommen.

Deutsche Industrie überrascht mit Produktionsplus

ms Frankfurt

Nach einer Reihe schlechter Nachrichten hat die deutsche Industrie im Juni mit einem unerwarteten Plus bei der Produktion überrascht. Damit zeigt sich der Sektor widerstandsfähiger als ge­dacht. Allerdings ändert die positive Überraschung wenig an der generell schwierigen Lage der Industrie. Folglich nehmen die Warnungen vor einer Rezession in Deutschland zu – auch wenn es weiter auch gegenteilige, optimistischere Stimmen gibt. Die Sorge ist aber umso größer, als auch der zugespitzte Taiwan-Konflikt immer mehr als großes Risiko wahrgenommen wird.

Wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte, stellten Industrie, Bau und Energieversorger im Juni 0,4% mehr her als im Vormonat – und das trotz Materialengpässen und des Ukraine-Kriegs. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit ei­nem Rückgang von 0,3% ge­rechnet. „Das verarbeitende Gewerbe erholte sich auch im Berichtsmonat Juni weiter von dem externen Schock, den es durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erlitten hatte“, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium. „Angesichts hoher Energiepreise und der teilweise gestörten Lieferketten zeigt die Industrie damit ihre Widerstandskraft.“

Allerdings wurde der Wert für Mai nach unten revidiert. Demnach verzeichnete die Industrie im Mai einen Mini-Rückgang von 0,1% – und nicht ein zunächst gemeldetes Plus von 0,2%. Im gesamten zweiten Quartal schrumpfte die Produktion damit um 1,3%. „Die Produktion ist nach wie vor durch die hohe Knappheit an Vorprodukten beeinträchtigt“, betonten die Statistiker. Das Wirtschaftsministerium rechnet denn auch mit weiteren schwierigen Monaten: „Vor dem Hintergrund der verminderten Gaslieferungen aus Russland und der nach wie vor hohen Unsicherheit durch den Krieg bleiben die Aussichten für das zweite Halbjahr gedämpft.“

Das Schrumpfen der Produktion im zweiten Quartal ist ein Grund dafür, warum die deutsche Wirtschaft im Frühjahr insgesamt nur stagnierte – nach einem Wachstum von 0,8% im ersten Quartal. Das hat die Debatte über eine drohende Rezession noch verstärkt. Karsten Junius, Chefvolkswirt der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin, warnte am Freitag, dass eine Rezession im Euroraum im Winterhalbjahr immer wahrscheinlicher werde, und fügte hinzu: „Deutschland wird besonders stark betroffen sein und könnte sich bereits in einer Rezession befinden.“

Allerdings gibt es auch zuversichtlichere Stimmen – auch mit Blick auf die Perspektiven der Industrie. „Insgesamt ist die Auftragslage weiterhin gut“, findet Nils Jannsen, Leiter Konjunktur Deutschland am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Jannsen ergänzt sogar explizit, „dass die Industrie in den kommenden Monaten zu einer wichtigen Stütze der Konjunktur werden kann, wenn die Lieferengpässe nachlassen“. Die Industrieproduktion habe „viel Luft nach oben“, sagt der IfW-Ökonom.

„Kettenreaktion“ droht

Die Gefahren nehmen allerdings zu. Neben der Gaskrise und der hohen Inflation kommen weitere Faktoren wie das Niedrigwasser im Rhein und die Zuspitzung des Taiwan-Konflikts hinzu. „Ein militärischer Konflikt in Taiwan ist vermutlich die größte Gefahr für die über die vergangenen Jahrzehnte aufgebauten engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China“, sagte Max Zenglein, Chefökonom beim Berliner Mercator Institute for China Studies (Merics), der Deutschen Presse-Agentur. „Eine Eskalation würde eine Kettenreaktion mit weitreichenden negativen wirtschaftlichen Folgen nach sich ziehen“, sagt Zenglein. Störungen wichtiger Lieferketten oder mögliche Wirtschaftssanktionen gegen China wegen einer Aggression gegen Taiwan wären mit massiven wirtschaftlichen Kosten verbunden.

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