GastbeitragJan Bottermann, National-Bank

Die globalen Zinsrisiken bleiben begrenzt

Trotz der preistreibenden Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump, bleibt der inflationsdämpfende Effekt über den Arbeitsmarkt weiter intakt. Längerfristig wird der sich sogar durchsetzen ist Gastautor, Jan Bottermann, Chefvolkswirt der National Bank, überzeugt.

Die globalen Zinsrisiken bleiben begrenzt

Die globalen Zinsrisiken bleiben begrenzt

Seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist eine erhebliche Zunahme der Unsicherheit an den internationalen Kapitalmärkten zu verzeichnen: In der Folge der erratischen Wirtschaftspolitik und der vollends unberechenbaren Handelspolitik sind die Risikoprämien insbesondere für US-Treasuries signifikant gestiegen. Während bis zuletzt unkalkulierbar blieb, ob Präsident Trump wirtschaftspolitisch letztlich zur Raison kommt, gehen auch von anderen Zinsdeterminanten erhebliche Belastungen aus.

In den letzten Jahren wurde hier der Bruch des langjährigen Abwärtstrends auch der Renditen weltweit mit dem Aufkommen neuer zinstreibender Faktoren begründet – nämlich speziell dem demografischen Wandel, den Kosten der Dekarbonisierung und der Zunahme der Verteidigungsausgaben. Viele dieser Faktoren kommen dabei in erhöhten Ausgaben der öffentlichen Hand zum Tragen. Da absehbar ist, dass die Gegenfinanzierung der US-Steuersenkungen durch Zölle keinesfalls ausreichen wird, potenzieren sich somit derzeit die Risiken für eine sich möglicherweise sogar gegenseitig verstärkende Aufwärtsdynamik von Zinssätzen und Staatsverschuldung: Quo vadis US-Zins?

Jan Bottermann ist Chefvolkswirt der National-Bank. Nach einem Studium der Politikwissenschaften und der Volkswirtschaft an der Freien Universität Berlin trat er 1997 als Analyst im Kapitalmarkt-Research in die National-Bank ein. Seit 1999 ist Bottermann Chefvolkswirt der Bank und für die Analyse, Prognose und Kommunikation der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor allem auch mit Blick auf die Projektionen hinsichtlich der Gesamtbanksteuerung zuständig.

Trotz aller Unberechenbarkeit Trumps bleiben die Risiken an den internationalen Rentenmärkten m.E. aber begrenzt. Die quantifizierende Analyse verweist hier darauf, dass der mit Abstand größte Einflussfaktor für das US-Zinsniveau die Inflationsentwicklung ist. Das diesbezügliche Wirkungsverhältnis etwa zwischen dem US-Defizit und der Inflationsentwicklung beträgt ca. 1:10. Zwar gehen von den oben genannten Faktoren sicherlich auch preistreibende Effekte aus, letztlich kommt es aber immer auf den Kräftesaldo der Inflationsdeterminanten an – und der war in den letzten 25 Jahren auch weltweit vorwiegend abwärtsgerichtet.

Problematische Lohndynamik

Erst im zeitlichen Umfeld der Corona-Pandemie wurde die „große Disinflation“ gebrochen – dies geht wohl auf die pandemiebedingten Strukturbrüche zurück: Der maßgebliche Treiber des unterliegenden Preistrends in den USA ist die US-Lohndynamik.

Die Verwerfungen der Pandemie haben in den vergangenen fünf Jahren zu einer systematischen Übernachfrage nach Arbeitskräften geführt, auch, weil der pandemiebedingte Strukturwandel ganze Alterskohorten frühzeitig aus dem Arbeitskräftereservoir verbannte. Aufgrund der daraus resultierenden Überauslastung des Ressourcenpools wies die US-Lohndynamik eine signifikante Beschleunigung auf: So stieg die Jahresveränderungsrate der Stundenlöhne im zweiten Jahr der Pandemie auf ein 45-Jahreshoch.

Für die Zinsprojektion ist somit zentral, dass der amerikanische Arbeitsmarkt nach einem halben Jahrzehnt der Anpassung zuletzt wieder ins Gleichgewicht gerückt ist, sodass der Lohndruck weiter spürbar abnehmen wird. Dies gilt umso mehr, als dass die wachstumsdämpfende Trump‘sche Wirtschaftspolitik ohnehin zu einer erheblichen Verminderung der Arbeitskräftenachfrage führen dürfte.

Disinflationstrend bleibt intakt

Gemäß unseren Simulationen ist davon auszugehen, dass die Disinflation durch die temporären Inflationsimpulse der umfangreichen US-Zölle zwar zunächst unterbrochen wird, der eigentlich unterliegende Inflationstrend aber viel deutlicher abwärtsgerichtet bleiben dürfte, als es an den Märkten eskomptiert wird.

Ohnehin dürften die tarifären Inflationsimpulse durch den rückläufigen Auslastungsgrad entscheidend gemildert werden. Im Ergebnis werden die disinflationären Effekte der Moderation der Lohnkosten die preistreibenden Effekte der US-Handelspolitik mit der Zeit auch deutlich überkompensieren. Vorbehaltlich wirtschaftspolitischer Extremszenarien spricht der empirische Befund ungebrochen für eine Konvergenz der US-Sätze, zumindest in Richtung prä-pandemischer Niveaus.