Abschaffung umstrittener Disziplinarkammer

Entspannungs­signale im EU-Streit mit Polen

Der polnische Sejm hat beschlossen, die umstrittene Disziplinarkammer wieder abzuschaffen, die in den letzten Jahren für viel Streit zwischen Brüssel und Warschau gesorgt hat. Dies könnte den Weg auch zur Freigabe von Geldern aus dem Wiederaufbaufonds ebnen.

Entspannungs­signale im EU-Streit mit Polen

ahe Brüssel

Im jahrelangen Streit der EU-Kommission mit der nationalkonservativen Regierung in Polen über die Rechtsstaatlichkeit, der auch die Blockade von Geldern aus dem Corona-Wiederaufbaufonds nach sich gezogen hat, nimmt eine Einigung immer mehr Konturen an. Das Unterhaus des polnischen Parlaments, der Sejm, beschloss nun, die umstrittene Disziplinarkammer wieder abzuschaffen, durch die Brüssel die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet sah. Die Kammer konnte bislang Richter und Staatsanwälte bestrafen und entlassen. Sie soll – so der polnische Senat dem noch zustimmt – durch ein anderes Gremium ersetzt werden.

Beobachter in Brüssel berichten schon seit einiger Zeit von einer Annäherung beider Seiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird nun am nächsten Donnerstag in Warschau erwartet. Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte den Besuch angekündigt – zusammen mit der Erwartung, dass dann auch schon die aktuell blockierten Mittel aus dem Aufbaufonds freigegeben werden.

Es geht um 35 Mrd. Euro

Eine Sprecherin der EU-Kommission bezeichnete den Sejm-Beschluss zunächst lediglich als „positiven Schritt“ in die richtige Richtung. Es komme aber auf den Umfang und die Inhalte der am Ende verabschiedeten Rechtsvorschriften an, sagte sie am Freitag. Diese müssten zwingend mit EU-Recht vereinbar sein und Bedenken des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufgreifen.

Die Richter hatten im Oktober im Streit über die Disziplinarkammer eine Geldstrafe in Höhe von 1 Mill. Euro pro Tag gegen Polen verhängt, die sich inzwischen auf mehr als 200 Mill. Euro summiert hat. Die EU-Kom­mission hat die Auflösung der Disziplinarkammer zu einer Voraussetzung für die Freigabe der Corona-Hilfsgelder gemacht. Polen hatte aus dem Fonds Mittel in Höhe von rund 35 Mrd. Euro beantragt. Das Land ist neben Ungarn und den Niederlanden der einzige EU-Staat, der aus dem Wiederaufbaufonds noch kein Geld erhalten hat. Im Falle Ungarns blockiert die Kommission ebenfalls die Auszahlung, weil es Bedenken mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit und Korruption gibt. Im Falle der Niederlande hat eine lange Regierungsbildung im vergangenen Jahr die Einreichung von Investitionsvorhaben verzögert.

Aus Sicht der polnischen Opposition geht das Einlenken der Regierungspartei PiS allerdings nicht weit genug. Sie befürchtet, dass die nun zur Disposition gestellte Disziplinarkammer, die einst im Zuge einer umstrittenen Justizreform eingeführt wurde, im Endeffekt nur unbenannt wird.

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