EZB bereitet sich auf zunehmende Inflationsschocks vor
Dauervolatiles Umfeld zwingt EZB zum Strategieschwenk
Information über Alternativszenarien wird zum Regelfall – Quantative Easing bleibt
mpi Sintra
Der EZB-Rat passt seine geldpolitische Strategie an, um auf ein neues Umfeld mit womöglich volatilerer Inflation vorbereitet zu sein. So wird die Notenbank unter anderem künftig neben dem ihrer Ansicht nach wahrscheinlichstem Verlauf der Inflation und Konjunktur auch alternative Szenarien und Sensitivitätsanalysen veröffentlichen. Dies hat sie in der Vergangenheit bereits sporadisch getan, etwa beim Ausbruch der Corona-Pandemie.
Der Klimawandel, die Alterung der Gesellschaft, Fragmentierung im Welthandel und der zunehmende Einsatz von KI dürften laut EZB dazu führen, dass der Inflationsausblick unsicherer wird und die Preise stärker schwanken. Bei größeren und potenziell dauerhaften Abweichungen vom 2%-Ziel will die Notenbank „agil und kraftvoll“ gegensteuern. „Das neue Umfeld gibt einigen Grund zur Sorge, aber eine Sache, über die sich die Menschen keine Sorgen machen müssen, ist die Verpflichtung der EZB, alles zu tun, um ihr Mandat der Preisstabilität zu erfüllen“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Vorstellung der neuen Strategie in Sintra.
Dabei ist eine zu niedrige Inflation genauso unwillkommen wie eine zu hohe, wie die Notenbank klarstellte. „Positiv ist, dass die EZB nun auch bei einem Überschießen der Inflation entschieden vorgehen will, zuvor war dies nur für eine deutlich zu niedrige Inflation vorgesehen“, sagt Commerzbank-Ökonom Marco Wagner.
EZB hält sich alle Mittel offen
Den Instrumentenkoffer passt die EZB nicht an. Sie hält damit auch an den teilweise umstrittenen Anleihekäufen im Rahmen von Quantative Easing (QE) fest. Dazu hatte sie in der Vergangenheit gegriffen, um die damals zu niedrige Inflation zu erhöhen. Der Erfolg dessen war nach Einschätzung vieler Ökonomen mäßig, die Kosten in Form von operativen Verlusten seit 2023 jedoch hoch. Darum hatte EZB-Direktorin Isabel Schnabel gefordert, zu überdenken, wann und wie lange QE eingesetzt wird. Die Notenbank will sich jedoch nicht grundsätzlich beschränken in der Wahl ihrer möglichen Mittel. Sie hält lediglich fest, dass der Einsatz der Instrumente „stets einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegt“.
ING-Chefökonom Carsten Brzeski konstatiert insgesamt einen Mangel an Selbstkritik. „Die Bewertung der EZB zur Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie ist eindeutig positiv und enthält ein hohes Maß an Selbstbeweihräucherung“, moniert er.
EZB betont Bedeutung des Klimawandels
Die EZB stellt zudem klar, dass sie die Bekämpfung des Klimawandels auch als eine Aufgabe der Notenbank betrachtet. Der EZB-Rat sei fest entschlossen, innerhalb seines Mandats dafür zu sorgen, dass das Eurosystem die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung auf die Tätigkeit der Zentralbanken in vollem Umfang berücksichtigt.