Corona-Wiederaufbaufonds

EZB sendet drastische Warnung an EU-Politik

Die Ratifizierung des 750 Mrd. Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds zieht sich hin. Das besorgt nicht zuletzt die EZB. Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel warnt nun vor einer „wirtschaftlichen Katastrophe“.

EZB sendet drastische Warnung an EU-Politik

ms Frankfurt

EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hat mit dramatischen Worten vor einer Blockade des 750 Mrd. Euro schweren EU-Corona-Wiederaufbaufonds ge­warnt. „Wenn sich die Auszahlung der Gelder aus dem Fonds auf unbestimmte Zeit verzögern würde, wäre das eine wirtschaftliche Katastrophe für Europa“, sagte Schnabel in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem „Spiegel“. „Dann müsste Europa sich Gedanken über alternative Lösungen machen, aber das könnte dauern“, fügte sie hinzu. Auch andere Euro-Notenbanker pochten auf schnelle Fortschritte

Mit Schnabels Aussagen und den anderen Wortmeldungen verschärft die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Warnung und ihre Forderungen an die EU-Politik noch einmal erheblich. Der Wiederaufbaufonds ist das Herzstück der gemeinsamen Antwort der EU-Fiskalpolitik auf die Coronakrise und die Jahrhundertrezession. Der im Sommer 2020 beschlossene Topf ist bislang aber nicht ratifiziert. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht jüngst per Eilantrag die Ratifizierung gestoppt, weil es eine Klage gegen die gemeinsame Schuldenaufnahme gibt.

„Es steht mir nicht zu, mich über das Bundesverfassungsgericht zu äußern“, sagte Schnabel nun. Zugleich betonte sie aber die immense Bedeutung des EU-Fonds, zumal im Vergleich mit den USA, die nicht nur mehr Tempo bei den Impfungen machen, sondern auch mehr und schneller Geld ausgeben – weswegen die Euro-Wirtschaft dem US-Pendant hinterherhinkt. „Gerade deshalb ist es – neben dem Impffortschritt – so wichtig, dass Europa eine starke fiskalische Antwort gibt“, sagte sie. Unlängst hatte Schnabel auch gesagt, dass die EU-Fiskalpolitik womöglich noch nachlegen müsse.

Auch andere Euro-Notenbanker mahnten am Freitag schnelle Fortschritte beim EU-Wiederaufbaufonds an. EZB-Vizepräsident Luis De Guindos sagte bei einer Online-Diskussion, es sei „entscheidend, dass es nicht zu unnötigen Verzögerungen kommt“. Griechenlands Notenbankchef Giannis Stournaras sagte in Bloomberg TV, dass er „absolut“ mit Schnabel übereinstimme und Verzögerungen bedeuten würden, dass es 2021 keine Erholung der Euro-Wirtschaft geben könnte. Auch Italiens Notenbankchef Ignazio Visco nannte schnelle Hilfen „entscheidend“.

Schnabels Warnung und Wortwahl stieß am Freitag bei führenden deutschen Ökonomen auf Kritik. Der Wirtschaftsweise Volker Wieland zweifelte in einer Reihe Kurzbeiträge auf Twitter an, dass bei einer Verzögerung der Auszahlung wirklich eine „Katastrophe“ drohe. Der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft, Lars Feld, teilte Wielands Twitter-Beitrag. Dagegen lobte etwa Frederik Ducrozet, Global Macro Strategist beim Bankhaus Pictet, auf Twitter Schnabels Wortmeldung – auch in Richtung Bundesverfassungsgericht.

Gegen vorschnellen EZB-Exit

Griechenlands Notenbankchef Stournaras nutzte indes sein Interview auch, um vor einem vorschnellen Runterfahren der EZB-Notfallanleihenkäufe im dritten Quartal zu warnen. „Das ist zu früh,“ sagte er. „Wir haben keine Beweise dafür, dass sich die Dinge so günstig entwickeln werden im dritten Quartal.“ Genau wie Italiens Notenbankchef Visco plädierte er dafür, die ultralockere Geldpolitik lieber zu lange beizubehalten, als sie zu früh zu beenden. Zuvor hatten die Zentralbankchefs aus den Niederlanden und Österreich, Klaas Knot und Robert Holzmann, über ein Herunterfahren der Käufe im dritten Quartal sinniert (vgl. BZ vom 7. und 8. April). Da könnten sich im EZB-Rat bereits neue Kontroversen abzeichnen.